Der Polenmarkt am Słubicer Stadion könnte vielleicht auch "Ukrainemarkt" heißen. Überall hört man Ukrainisch oder Russisch und einen östlichen Akzent beim Sprechen auf Deutsch. Vielleicht die Hälfte der Händler komme aus der Ukraine, schätzt Olga Kyrijanowa vom Friseursalon "Alicija", wo viel Kundschaft wartet. Vor allem Deutsche. Mit wenigen Worten und vielen Gesten vor dem Spiegel verständigt man sich über den Haarschnitt.
Bevor sie nach Słubice kam, schnitt Kyrijanowa den Menschen in Saporoschje die Haare, eine Großstadt am Dnepr-Fluss im Südosten der Ukraine. Aber dort war kaum Geld zu verdienen, die wirtschaftliche Lage ist miserabel. Eine Bekannte, die bereits in Słubice war, schlug ihr vor, an der Oder Arbeit zu suchen. "Es macht die Stadt interessant für mich, dass sie aus zwei Teilen besteht: einem polnischen und einem deutschen", sagt Kyrijanowa. In Frankfurt kauft sie gern Lebensmittel. Der Käse sei zum Beispiel viel besser. Kyrianowas Lohn? "Ausreichend", sagt sie. Sie legt wert darauf, legal ihr Geld zu verdienen. "Wenn Deutschland die Anforderungen für Ukrainer auf dem Arbeitsmarkt herunterschraubt, dann würde ich überlegen, zu gehen", sagt sie.
Um eine Arbeitserlaubnis in Deutschland zu bekommen, muss man Deutsch auf dem recht hohen B2-Niveau beherrschen. Man muss eine in Deutschland anerkannte Berufsausbildung und meist drei Jahre Berufserfahrung vorweisen. Für viele Ukrainer zu schwierig. Nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums sind nur 43 000 Ukrainer in Deutschland beschäftigt, in Polen sollen es 1,27 Millionen sein. In Słubice leben zwischen 1500 und 2500 Ukrainer, die Zahl nannte Bürgermeister Mariusz Olejniczak kürzlich bei einem Fest anlässlich des ukrainischen Unabhängigkeitstages. Man braucht einen biometrischen Pass und kann 90 Tage im Halbjahr arbeiten. Für längere Zeiträume braucht man ein Arbeitsvisum.
Anastasia Lytwyn, 20, kam zunächst für drei Monate aus Dnipro, um beim Supermarkt Biedronka als Verkäuferin zu arbeiten. Sie reiste ihrem Freund nach, der schon als LKW-Fahrer in Słubice war. "Beim ersten Mal fand ich den Job über eine Arbeitsagentur, es war schrecklich unangenehm. Ich musste ein hohes Vermittlungshonorar zahlen. Aber ich habe dann Kontakte geknüpft. Beim zweiten Mal kam ich ohne Agentur. Jetzt bemühe ich mich um ein Arbeitsvisum", sagt sie. Zunächst wird es für ein halbes Jahr ausgestellt. Dann kann man um ein Jahr verlängern und schließlich eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis bekommen.
Erstes ukrainisches Restaurant
Im bei Frankfurtern beliebten Restaurant "Ramzes" arbeitet auch ein junger Koch aus der Ukraine. Alexander Himitsch, 26, entschied sich wegen der Löhne für die Grenzstadt. Die ersten Monate in Polen verbrachte er in Poznan in einem Hotelrestaurant, wo er weniger verdiente als im "Ramzes". Schaut man in Online-Jobbörsen liegt das Monatsgehalt für Köche in Poznan bei 3500 Złoty (800 Euro), in Słubice werden hingegen 4000 Złoty (915 Euro) geboten. In eine andere polnische Stadt würde sich der Koch nicht mehr aufmachen. "Wenn Deutschland seine Gesetze vereinfacht, ziehe ich dorthin weiter."
Für Tatjana Owtschinnikowa käme das nicht in Frage. "Ich bin keine 18 mehr", lächelt sie. Sie ist 45. Als ihr Sohn zur Armee eingezogen werden sollte, floh Owtschinnikowa mit der Familie aus dem Kriegsgebiet im Donbass. Das ist vier Jahre her. In Słubice lebte bereits eine Freundin von ihr. Owtschinnikowa ist von Beruf Buchhalterin, nun führt sie das Restaurant mit dem Namen "UA Food" auf dem großen Basar. Die Idee, ein ukrainisches Restaurant zu eröffnen, kam von einem polnischen Freund. "Wir dachten an einen Treffpunkt. So eine ukrainische Insel gab es in Słubice damals noch nicht".
Aber es kommen nicht nur Ukrainer zum Essen und Trinken, sondern auch Armenier, Russen, Belarussen, Polen und natürlich Deutsche. "Die Deutschen mögen am liebsten Borschtsch, Pelmeni und Rippchen", erzählt sie. Fünf Leute beschäftigt Owtschinnikowa. Die Köche sind Ukrainer. Unter den Kellnern sind auch Polinnen und Polen – die können besser deutsch. Die Kellner verdienen im Monat 3200 Złoty brutto (727 Euro). Owtschinnikowa würde gern mehr zahlen, sagt sie. Doch immerhin ist das mehr als der polnische Mindestlohn (2250 Złoty). Die Geschäftsführerin hat auch schon Landsleute gefeuert. "Die ersten, die 2014 und 2015 nach Polen gingen, waren wirklich fleißig. Jetzt kommen manchmal Ukrainer, die denken, hier ist alles umsonst. Ist es aber nicht. Wir arbeiten hart, um gut zu leben."