„Informieren, beraten und für Ausbildung in Brandenburg werben“, zählt Ronald Vieweg neben dem roten VW-Bus seine Ansprüche auf. Beim Brandenburger Arbeitsministerium ist er für berufliche Bildung verantwortlich, jetzt steht er zwischen Magistrale und Brunnenplatz in Frankfurt (Oder). Mit dem Azubi-Bulli tourt er mit seinen Mitstreitern von Handwerkskammer, IHK und Arbeitsagenturen zehn Tage durch das Bundesland. Mit der Kampagne „Brandenburg will dich“ soll für duale Ausbildung vor Ort geworben werden. „Nichts gegen Studieren, das ist alles toll. Aber eine Ausbildung ist eine richtig gute Alternative“, sagt Vieweg. Und Optionen im Bundesland gebe es reichlich.

Oft sind die „falschen“ Lehrstellen für Azubis in Brandenburg frei

Auf rund 7000 weiterhin offene Lehrstellen kämen derzeit 5000 noch unversorgte Ausbildungsinteressierte, so Vieweg. Laut Arbeitsagentur Frankfurt (Oder) haben sich seit Beginn des Berufsberatungsjahres 2021/2022 in ihrem Zuständigkeitsbereich 1946 Interessierte gemeldet. Fast 1000 suchten noch einen Platz. Gleichzeitig wurden 1879 Stellen gemeldet, von denen noch 1130 unbesetzt seien (Stand Ende Juni 2022).
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Robert Vieweg weiß um die Diskrepanz. Das sogenannte „Matching-Problem“ sei eine Herausforderung. Sprich: Die Stellen, die noch unbesetzt sind, entsprechen nicht den Wunschvorstellungen der noch suchenden künftigen Azubis. „Es gibt oft auch Ausbildungsstellen, die der eigentlich bevorzugten total ähnlich sind – und oft wissen die Jugendlichen das nicht“, sagt Vieweg dazu. Dafür biete sich eben diese Aktion an, um auf Alternativen aufmerksam zu machen. Gerade, wenn die jungen Menschen noch unentschlossen seien.

„Der Druck ist da“ – Konkurrenz mit Abiturienten verunsichert Bewerber um Ausbildungsplatz

Einer, der eine ziemlich genaue Vorstellung hat, ist Rene Frey. Er wohnt in Seelow, zieht demnächst nach Frankfurt (Oder) – und will in der Stadt eine Ausbildung machen. „Im Büro- und Verwaltungssektor“, antwortet er selbstsicher auf Nachfrage an einem der Tische, die neben dem roten Bulli aufgebaut sind. Die Aktion findet er gut. „Na klar kann ich in eigener Recherche alles raussuchen, aber hier haben die eine Übersicht über 2000 Unternehmen! Die hätte ich doch niemals alle selber gefunden“, erklärt Frey. „Mit so einer Veranstaltung komme ich schneller ans Ziel“, sagt er und tritt an den Stand der Arbeitsagentur – denn er hat noch Fragen.
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Rene Frey ist nicht der typische Besucher hier am Stand. Denn der gebürtige Kölner ist schon 27. Durch familiäre Probleme habe er Schwierigkeiten beim Schulabschluss gehabt. Über den zweiten Bildungsweg habe er nun die letzten Jahre in Berlin sein Abitur nachgeholt „und will mein ursprüngliches Ziel der Ausbildung wieder anpeilen“, erklärt er.
Eine Sache habe ihn bei bisherigen Bewerbungen verunsichert; oft werde kein Abitur verlangt, doch dann sagten ihn Arbeitgeber, „wenn ein Abiturient auf der Matte steht, nehmen wir natürlich den“, berichtet er. „Der Druck ist da“, fügt er an.
Madeleine Weiche ist Berufsberaterin bei der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder). Sie war Teil des Teams am Azubi-Bulli, bei dem Arbeitsministerium, IHK und Handwerkskammer zu Leerstellen in Brandenburg informierten.
Madeleine Weiche ist Berufsberaterin bei der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder). Sie war Teil des Teams am Azubi-Bulli, bei dem Arbeitsministerium, IHK und Handwerkskammer zu Leerstellen in Brandenburg informierten.
© Foto: Jacqueline Westermann
Das Einstellen von Abiturienten habe Vorteile für Betriebe – allein des Alters wegen, erklärt Madeleine Weiche von der Arbeitsagentur Frankfurt (Oder). Denn die Azubis seien selbstständig mobil, es gelten andere Regelungen zu Arbeits- und Pausenzeiten als bei Minderjährigen. „Trotzdem wissen wir, dass die Ausbildung für Abiturienten oft nur ein Sprungbrett ist, dass sie sich danach oft doch noch weiterentwickeln wollen“, fügt die Berufsberaterin an. Diejenigen, die die Klasse 10 abschließen, seien deswegen Hauptaugenmerk für den Nachwuchs in Betrieben – denn die blieben mit größerer Wahrscheinlichkeit.
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Auch Ronald Vieweg vom Arbeitsministerium versichert, dass langsam ein Umdenken zu beobachten sei. Sogar in klassischen Branchen, wie einer Banklehre sei ein Abi kein Muss mehr. „Ich kann nur Mut machen. Es probieren, vor Ort anklopfen und fragen“, so Vieweg. Jugendliche, die zeigen, dass sie wollen, hätten so gute Chancen wie noch nie. Und noch sei eine Bewerbung definitiv möglich, auch im August oder sogar im September für Nachzügler – auch wenn dann vielleicht die Wunschstelle nicht zwingend mehr frei ist. Deswegen empfehle er, sich zügig zu bewerben.

In Frankfurt (Oder) sind noch freie Lehrstellen in Gastronomie, Handwerk und bei Friseuren zu haben

Alle Branchen klagten zwar über mangelnden Nachwuchs, doch in Frankfurt (Oder) ist besonders großer Bedarf in der Gastronomie, weiß Madeleine Weiche. „Die Arbeitszeiten dort sind das Problem für viele junge Menschen“, erklärt sie. Aber auch in Handwerksbetrieben werde stark gesucht, seien es Heizung und Sanitär oder Bauberufe. „Und in Frankfurt ist auch noch im Dienstleistungsbereich wie bei Friseuren etwas frei. Und natürlich alle Bereiche der Pflegeberufe.“ Von ihr kommt deswegen auch der Hinweis: „Egal in welche Richtung es gehen soll, der erste Schritt sollte zur Berufsberatung in der Agentur gehen. Wir haben den Überblick über alle Branchen“, so Weiche.

Arbeitsagentur bietet Berufsausbildungshilfe für Azubis

Sie hat gerade ihre Beratung von Rene Frey abgeschlossen; der machte sich Sorgen um den Verdienst im ersten Lehrjahr. Wer ähnlich denkt, diejenigen könne sie beruhigen. Zum einen sei der Verdienst sehr branchenabhängig. „Im Pflegebereich bekommen Sie fast 1000 Euro im Monat“, sagt Weiche. Und bei der dualen Ausbildung gibt es ebenfalls die Möglichkeit, eine sogenannte Berufsausbildungshilfe zu beantragen, fügt sie an. Bei der Arbeitsagentur könne dieser Zuschuss zum Beispiel zur Finanzierung der eigenen Wohnung beantragt werden. Voraussetzung laut Arbeitsagentur ist, dass es sich um „eine betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf“ handelt und dass „die Mittel zur Deckung des Lebensunterhalts nicht anderweitig zur Verfügung stehen“.
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