Wie schlagen sich Unternehmen im deutsch-polnischen Grenzland in der globalisierten Wirtschaft? Welche Rolle spielt dabei die Grenze? Dr. Anna M. Steinkamp, Wirtschaftswissenschaftlerin an der Viadrina, hat dies an Fallstudien erforscht.
Frau Steinkamp, bei Unternehmen in der Region denkt man an kleine mittelständische Firmen. Von den 24 Unternehmern mit Hauptsitz in Ostbrandenburg oder Lubuskie, die Sie interviewt haben, gehören fünf zu den Global Playern, fast die Hälfte exportiert nach Asien und ein Drittel nach Amerika.
Ja, man ahnt nicht, dass es hier international erfolgreiche Firmen gibt. Ich habe mich auf Industrieunternehmen konzentriert, denn in dem Sektor ist Internationalisierung am schwersten. Ich wollte wissen, welche Ressourcen Unternehmer für den Prozess nutzen.
Worauf kommt es an, um international Erfolg zu haben?
Zwei Dinge: Auslandserfahrung und Sprachkenntnisse. Dabei reicht es nicht, Mitarbeiter einzustellen, die andere Sprachen sprechen. Der Geschäftsführer selbst muss die Kenntnisse mitbringen. Es gibt eine starke Korrelation zwischen den Sprachkenntnissen derer, die verhandeln und den Umsätzen, die ein Unternehmen im Ausland erzielt. Kein Mitarbeiter oder Dolmetscher kann so verhandeln wie der Geschäftsführer selbst.
Haben polnische Unternehmer mehr Auslandserfahrung als Brandenburger?
Ja, durch Studium, Arbeit, Familienbeziehungen. In Brandenburg waren die Hälfte der Interviewpartner vor Unternehmensgründung nie länger im Ausland.
Worin unterscheiden sich Unternehmer in Lubuskie und Ostbrandenburg, wenn sie Geschäfte im Ausland machen?
In der Wahrnehmung der Grenze. Für polnische Global Player, die Kunden in Japan, Mexiko oder den USA haben, spielt die Grenzregion eine enorme Rolle. Die stellen sich nicht als Unternehmen aus Gorzów oder Zielona Góra vor, sondern sie sagen: ‚Wir sind 100 Kilometer von Berlin entfernt.’ Deren Kunden wissen nicht, wo Polen liegt. „Made in Germany“ – das ist der Türöffner.Und der Berliner Flughafen ist für sie das wichtigste Drehkreuz. Manche gründen auch einen zweiten Standort in Deutschland, jedoch eher im Westen, wo die Kaufkraft größer ist.
Welche Rolle spielt die Nähe zum deutschen Markt?
Für weltweit tätige Unternehmen keine. Aber polnische Firmen, die in die EU exportieren, sehen die Grenze als Vorteil wegen der Nähe zu ihren Absatzmärkten. Die Transportkosten sind niedriger als von Warschau aus. Und mit Warschau vergleicht man sich in Westpolen. Brandenburger Unternehmer vergleichen sich hingegen mit Westdeutschland.
Sehen Unternehmer in Ostbrandenburg die Grenze immer noch als Nachteil?
Ja. Es gibt zwar Unternehmer, die Kooperationen und Kunden in Polen haben. Aber für den internationalen Erfolg spielt die Grenze keine Rolle. Am wichtigsten ist Polen immer noch, um Arbeitskräfte zu finden.
Wie viele der zwölf Ostbrandenburger Unternehmer, mit denen sie sprachen, verkaufen ihre Ware in Polen?
Nur eine Firma in großem Stil, zwei weitere in geringem Umfang.
Unternehmen aus dem Grenzraum exportieren also weltweit, aber kaum auf die andere Seite der Oder?
Die regionale grenzüberschreitende Verflechtung ist sehr gering. Eine Ostbrandenburger Firma erarbeitete gerade eine Verkaufsstrategie für Lubuskie. Aber wenn Brandenburger etwas in Polen verkaufen, dann eher in Posen und Warschau. Unternehmer aus Lubuskie gehen lieber auf den westdeutschen Markt. Dort kämpfen sie manchmal um dieselben Kunden wie die Brandenburger.
Ist die Wirtschaft der Grenzregion immer noch von Vorurteilen gehemmt?
Überraschend stark, ja. Man ist nicht sehr bemüht, Struktur und Kaufkraft der anderen Seite kennenzulernen. Ein deutscher Unternehmer sagte mir, er war einmal in Polen und nie wieder.
Sie waren lange Unternehmensberaterin hier in der Region. Haben Ihnen die Kontakte für die Forschung geholfen?
Naja, meine früheren Kunden habe ich nicht interviewt, ich wollte ja unbefangen forschen.
Was raten Sie der Wirtschaftsförderung in Ostbrandenburg?
Es ist sinnlos, Marktanalysen, Messebeteiligung oder Beratung für Unternehmen zu fördern, deren Geschäftsführer selbst nicht in der betreffenden Fremdsprache verhandeln können. Empfehlenswert wäre, etwa bei der Investitionsbank des Landes Brandenburg eine Förderung individueller Sprachkurse für Führungskräfte einzuführen. Das wird bei Unternehmen mehr Gewinn erbringen als Wirtschaftsdelegationsreisen ins Ausland.
Wie kann man sich in der Grenzregion die Globalisierung besser zunutze machen?
Mehrsprachigkeit fördern – in Kita und Grundschulen. Kinder, die zweisprachig aufwachsen, lernen auch die dritte oder vierte Sprache viel leichter. Auslandserfahrungen, auch im nahen Nachbarland, machen einen riesigen Unterschied für die Entwicklung. Das hilft, sich auch später in der Welt wohlzufühlen.
Dr. Anna M. Steinkamp ist Mitarbeiterin des Zentrums für interdisziplinäre Polenstudien an der Europa-Universität Viadrina. Ihr Buch „Strategien und Ressourcen für die Internationalisierung - Fallbeispiele erfolgreicher Unternehmer im deutsch-polnischen Grenzraum“ erschien 2020 im Springer Verlag. BWL studierte sie in Łódź und Frankfurt (Oder). Von 2005 bis 2013 beriet sie Unternehmen in der Grenzregion.