Bürgerliche Hausmannskost gilt als ungesund. Besonders deftige Bratkartoffeln – traditionell in Schweine- oder Butterschmalz gebraten – stehen als fettige Kalorien-Bomben unter Verdacht. „Bratkartoffeln sind gesund“, sagt die Ernährungstherapeutin Jutta Hübner aus Rauen und erklärt, warum die knusprigen Kartoffelscheiben längst rehabilitiert gehören.
Hübner selbst verzehrt als Befürworterin der „Low Carb High Fat“-Ernährungsweise (LCHF) wenig Kohlenhydrate, dafür spart sie nicht bei Fetten und eiweißreichen Lebensmitteln. „Als Zuckerkranke muss ich mich bei Kartoffeln eigentlich zurückhalten“. Trotzdem isst die 75-Jährige gerne Bratkartoffeln.
Gesund: Bratkartoffeln mit vor einem Tag gekochten Kartoffeln
Aber ausschließlich mit an Stärke ärmeren, festkochenden Kartoffeln, die Hübner bereits einen Tag zuvor kocht: „Die Kohlenhydrate der Kartoffel-Stärke wandeln sich in den gegarten Kartoffeln nach zwölf Stunden in resistente Kohlenhydrate um.“ Gesund daran ist, dass sich resistente Stärke den Blutzuckerspiegel nicht belastet.
Jutta Hübner ist vor fast 76 Jahren in Senftenberg geboren, lebte mit ihrem Ehemann lange Jahrzehnte in Schwedt und seit 1992 in Rauen bei Fürstenwalde. Die Ernährungsberaterin kennt sich aus in Brandenburg. Und mit Diabetes. Sie selbst leidet an der Zuckerkrankheit. Nach der Diagnose hört sie in Patientengruppen zwischen Berlin und Frankfurt nur davon, wie oft und mit welchen Gerätschaften andere Erkrankte sich Insulin verabreichen.
„Das kann’s doch nicht sein“, denkt sich die Unternehmerin, fasst den Entschluss, die Krankheit mit der Umstellung ihrer Ernährung zu bekämpfen und lässt sich bis 2002 zur Ernährungstherapeutin ausbilden. „Ich weiß nun, dass man sich durch eine Ernährungsumstellung wirklich gut helfen kann. Bis heute brauche ich kein Insulin“, sagt Jutta Hübner: „Und ich habe gelernt, dass sehr viele Krankheiten mit der falschen Ernährung zusammenhängen.“
Gesättigte Fette nicht verteufeln: Bratkartoffeln braten in guter Butter
Bratkartoffeln mit festkochenden Kartoffeln zubereitet, seien indes gesund, „wenn man die richtigen Zutaten verwendet“, meint Hübner. Zum Beispiel ein gutes Fett zum Braten: „Ich nehme Butterschmalz, weil das gut schmeckt und ein Naturprodukt ist“, empfiehlt die Ernährungsberaterin: „Butter oder auch Kokosöle werden verteufelt, weil immer gesagt wird, gesättigte Fettsäuren seien ungesund, das stimmt aber nicht. Gesättigte Fette haben sogar einen großen Vorteil, es wird nicht ranzig“, stellt Hübner fest: „Gesättigt bedeute nur, dass die jeweiligen Fettsäuren keine anderen Stoffe mehr aufnehmen.“
Ob ein Fett gut oder schlecht sei, würde sich gar nicht am Kriterium der gesättigten oder ungesättigten Fettsäuren festmachen lassen. „Gesättigte Fette sind längst rehabilitiert, allerdings halten sich falsche Annahmen einfach Jahrzehnte in den Köpfen“.
Diese Meinung wird nicht allein von Anhängern des LCHF-Trends geteilt. Dr. med. Stefan Kabisch, Ernährungsmediziner am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam, wird vom Deutschen Ärzteblatt folgend zitiert: „Wir wissen einfach nicht, ob und wie viele gesättigte Fette gut oder schlecht für uns sind. Um das herauszufinden, bräuchten wir mehr Studien.“
Rezept für Bratkartoffeln mit Butter: Gesünder als gedacht
Es sei nicht der richtige Ansatz, auf Teufel komm raus gesättigte Fette zu reduzieren und durch „irgendwas“ zu ersetzen. „Die Low-Fat-Ernährung haben wir in den letzten 50 Jahren durch die Gesellschaft durchgepeitscht“, so Kabisch. Zu einem hohen Preis. Denn das Fett wurde meist durch ungünstige Kohlenhydrate wie Zucker, Maltodextrin und hoch verarbeitete Stärkeprodukte ersetzt. Und dies erhöhte das Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen sogar.
Gesund essen in Brandenburg Bratkartoffeln in Butterschmalz braten
Mittlerweile hat auch die von Jutta Hübner harsch kritisierte DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) ihre Empfehlungen für gesättigte Fett angepasst. „Aber viel zu langsam“, schimpft Hübner. Positiv an Butter sei zudem der hohe Gehalt an Kalzium, den Vitaminen K2, A, D und E sowie zahlreicher Mineralstoffe wie Jod und Selen: „Nur wer eine kaputte Leber oder Galle hat und deshalb krankheitsbedingt keine Fette verarbeiten kann, sollte auf Butterschmalz verzichten“, meint Hübner und sagt: „Fette schmecken, werden vom Körper benötigt und sorgen für das zum Abnehmen doch wichtige Sättigungsgefühl.“
Bratkartoffeln: Rezept, Kalkulation und Fachbegriffe
Die gesunde Hauptzutat für Bratkartoffeln sind also vorgekochte Kartoffeln, weil die Kohlenhydrate nach 12 Stunden in resistente Stärke umgewandelt werden, die den Blutzucker-Spiegel kaum belasten. Doch das ist nicht alles.
● Zwiebeln sind reich an Vitamin C und ätherischen Ölen „aber nicht gleich in die Pfanne, weil die sonst verbrennen“, warnt Ernährungsberaterin Jutta Hübner.
● Butter: Um Butter als Bratfett zu nutzen, muss die Butter zu Butterschmalz verarbeitet werden. Durch schonendes Erhitzen im Topf setzt sich dabei das Butterfett von Eiweißbestandteilen ab, der sich als Schaum an der Oberfläche bildet. Mit einem Löffel entfernt man das sogenannte Kasein und behält das klare Butterschmalz, welches hervorragend zum Braten bei Temperaturen bis zu über 180 Grad Celsius geeignet ist: Kochwiki.de
● Bratkartoffeln-Rezept und Kalkulation (Gesamtkosten, 1,22 Euro):
● 250 Gramm festkochende Kartoffeln, Kosten: 0,75 Euro, wie Pellkartoffeln gar kochen, Wasser abschütten und Kartoffeln 12 Stunden im Kühlschrank ruhen lassen. Erst dann die Kartoffeln pellen und in vier Millimeter dicken Scheiben schneiden. 30 Gramm Zwiebeln inklusive Lauchzwiebeln, Kosten: 0,05 Euro, Zwiebeln schälen und in feine Würfel schneiden. Gewürze wie Pfeffer und Salz, Kosten: pauschal 0,10 Cent. Butterschmalz aus 5 Gramm Butter, Kosten: 0,32 Euro.
● Anleitung: Das Butterschmalz in der Pfanne auslassen, auf knapp 170 Grad Celsius erhitzen und den Pfannenboden mit den Kartoffelscheiben einzeln nebeneinander bedecken. Kartoffeln braten, bis sich eine goldgelbe Kruste bildet. Mit einer Palette vorsichtig wenden. Erneut knusprig braten, nun die Zwiebeln dazugeben, Temperatur leicht drosseln und die Zwiebeln in den Zwischenräumen dünsten lassen. Erst zum Schluss salzen und mit Pfeffer abschmecken. Wer möchte, dekoriert mit Lauchzwiebeln und würzt mit Muskatnuss nach. Fertig sind die Bratkartoffeln nach zirka 12 Minuten.
● Acrylamid: Hohe Temperaturen ab 150 Grad Celsius lassen Lebensmittel beim Backen, Braten und Frittieren bräunen. Dabei entstehen erwünschte Aromen und Geschmacksstoffe - aber auch Acrylamid, das sich ab Temperaturen von 170 bis 180 Grad Celsius sogar sprunghaft ansteigend bildet. Acrylamid steht unter Verdacht, Krebs zu fördern. Deshalb sollten Bratkartoffeln nicht gold-braun, sondern lediglich goldgelb gebraten werden: Verbraucherzentrale.de
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