Ab 9 Uhr wurde es am Mittwoch (8. März) laut im Stadtzentrum von Hennigsdorf. Etwa 550 Erziehende aus Oberhavel, dem Havelland, der Prignitz und aus Teltow-Fläming waren dem Aufruf der Gewerkschaft Verdi gefolgt, um ihren Unmut über den Stand der seit 24. Januar bislang ergebnislos verlaufenden Tarifverhandlungen für das Kita-Personal zum Ausdruck zu bringen.
„Natürlich geht es um eine gute Bezahlung, aber nicht nur darum“, begründete Kerstin van Reamalonck ihre Beteiligung am Warnstreik. Die Leiterin der Kita Villa Kleeblatt aus Falkensee ist sich sicher, dass die Personallücken leichter geschlossen werden könnten, wenn die Bezahlung attraktiver wäre.

Auf pfiffigen Plakaten wird mehr als nur höherer Lohn gefordert

Auch der Veltener Patrick Ingel, der in der Hennigsdorfer Kita Pünktchen und Anton arbeitet, möchte gern mehr Geld in der Lohntüte. Sein selbst gestaltetes Plakat zeigt aber, dass es ihm um mehr geht. Er kritisiert den zu hohen Betreuungsschlüssel und dazu die Enge in mancher Kita: „24 Kinder auf zwei Eltern in einer Zwei-Raum-Wohnung – klingt nach Kindeswohlgefährdung? In der Kita ist das wohl pädagogische Arbeit.“
Wut kann sich durch Lautstärke Luft machen. Daher hatte die Gewerkschaft Verdi den richtigen Griff getan, als sie für die Demo in Hennigsdorf die Trommlergruppe Sapucaiu No Samba engagierte. Unter deren Trommelwirbel, unterstützt von Pfeifkonzerten der Streikenden, zog die Demonstration durch die Innenstadt von Hennigsdorf.

DGB-Chefin Yasmin Fahimi kritisiert Brandenburgs Kita-Politik

Unterstützung bekamen die Demonstrierenden von Deutschlands Gewerkschafterin Nummer eins. „Euer Job ist keine Tätigkeit, die man eben so mal erledigt. Er muss wertgeschätzt und entsprechend bezahlt werden“, forderte Yasmin Fahimi, Chefin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) bei der sich anschließenden Kundgebung auf dem Rathausplatz. Die Arbeit der Erziehenden „muss wertgeschätzt und entsprechend bezahlt werden“.
Besuch von ganz oben: DGB-Chefin Yasmin Fahimi forderte in Hennigsdorf mehr Anerkennung für das Kita-Personal. Dazu zählen für sie bessere Löhne und Arbeitsbedingungen.
Besuch von ganz oben: DGB-Chefin Yasmin Fahimi forderte in Hennigsdorf mehr Anerkennung für das Kita-Personal. Dazu zählen für sie bessere Löhne und Arbeitsbedingungen.
© Foto: Roland Becker
Wenn aus der Politik seit Corona-Zeiten immer wieder davon zu hören sei, dass dieser Beruf systemrelevant ist, „müssen den Worten auch Taten folgen“, rief die DGB-Chefin den Streikenden zu. Daher sei die Forderung von Verdi nach 10,5 Prozent Lohnzuwachs, mindestens aber monatlich 500 Euro mehr nur gerechtfertigt. Das bisherige Angebot der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber von fünf Prozent aufgeteilt auf zwei Jahre kanzelte sie ab: „Das ist kein Angebot, das ist ein Hohn!“
In dieser Kerbe schlug auch Verdi-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt. Unter der schlechten Bezahlung leiden laut Arndt vor allem Frauen: „Sie stellen 94 Prozent der Erziehenden in den Kitas.“ Weil die Jobs in den Kitas so unattraktiv seien, „schmeißen in den ersten fünf Jahren 20 Prozent das Handtuch und sitzen lieber an der Kasse im Supermarkt“, konstatierte er. Auch das sei ein Grund dafür, dass „Sozialarbeiter und Erziehungspersonal beim Mangel an Arbeitskräften Spitzenplätze belegen“. Diese Lücken in der Personalausstattung seien verantwortlich für eingeschränkte Betreuungszeiten oder sogar dafür, dass neue Kitas nicht eröffnet werden.

Kritik an Statement von Bildungsministerin Britta Ernst

In der Kritik steht bei den Kita-Erziehenden dieser Tage vor allem auch Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD). Die Ehefrau von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte erst Ende vergangener Woche verkündet, dass der Bedarf an Kita-Personal in Brandenburg gedeckt sei. Nicht nur Sebastian Walter, Landtagsabgeordneter der Linken, kritisierte dies und erntete kräftigen Beifall, als er der Ministerin riet: „Gehen Sie doch mal in eine Kita!“. Auch seinen Hennigsdorfer Kollegen Clemens Rostock (Grüne) hatte die Äußerung der Ministerin höchst überrascht: „Die Verwunderung darüber war in unserer Fraktion sehr groß“, sagte er am Rande der Demonstration gegenüber moz.de.
Protest in Hennigsdorf: Mit 550 Teilnehmenden waren dem Verdi-Aufruf zum Warnstreik mehr Erzieherinnen und Erzieher gefolgt, als zuvor erwartet worden waren.
Protest in Hennigsdorf: Mit 550 Teilnehmenden waren dem Verdi-Aufruf zum Warnstreik mehr Erzieherinnen und Erzieher gefolgt, als zuvor erwartet worden waren.
© Foto: Roland Becker
Dass der Bedarf an Kita-Personal längst nicht gedeckt ist, „sehen wir doch daran, dass Hennigsdorf ständig Stellen ausschreibt. Und wir wissen, dass es anderswo noch schlimmer aussieht“, fügte Rostock hinzu. Jüngstes Beispiel aus Hennigsdorf: Als im Februar in einer Kita die Hälfte des Personals krank war, musste die Betreuung massiv eingeschränkt werden. Die Personaldecke ist zu knapp bemessen, um in solchen Fällen genügend Fachkräfte aus anderen Kitas abziehen zu können. Das Ergebnis: In der Kita reicht es nur noch für eine Notbetreuung.
Gegenüber vielen anderen Berufsgruppen verdienen Kita-Erziehende deutlich weniger. Doch auch innerhalb dieser Berufssparte gibt es erhebliche Unterschiede. Deshalb fordert Verdi für die am schlechtesten Verdienenden eine Gehaltserhöhung von mindestens 500 Euro monatlich. Dass sich die Arbeitgeber darauf bislang überhaupt nicht einlassen wollen, kritisiert im Gespräch mit moz.de die für Oberhavel zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretärin Claudia Seipelt: „Die Ärmsten der Armen werden dabei nicht gut bedacht. Das ist etwas, was mich wirklich ärgert.“ Bei einer für alle Gehaltsstufen einheitlichen prozentualen Gehaltserhöhung würde die Schere noch weiter auseinandergehen.
Gut ausgebildetes Personal muss gut bezahlt werden, darin waren sich alle Demonstrierenden einig.
Gut ausgebildetes Personal muss gut bezahlt werden, darin waren sich alle Demonstrierenden einig.
© Foto: Roland Becker
Vom 27. bis 29. März soll erneut verhandelt werden. Sollte es zu einem Tarifabschluss kommen, wird vor dem Komma keine 10 stehen; das ist auch Seipelt klar: „Natürlich müssen wir uns auf einen Kompromiss einigen.“ Doch der soll möglichst hoch ausfallen. Und er soll eine Wertschätzung für den Beruf darstellen. Auf einem Plakat wurde diese Forderung so ausgedrückt: „Wir sind keine Basteltanten, sondern Bildungsbeauftragte!“