Post von seinem Gas- oder Stromanbieter bekommt in diesen Tagen wohl keiner gerne. Welche Hilfen seitens der Bundespolitik fließen werden und für wen, wird noch diskutiert. Wer mit seinem Gehalt schon jetzt nicht mehr oder gerade so noch hinkommt, den ergreift mit Blick auf angekündigte höhere Abschläge die Panik. Schuldnerberatungen in Oberhavel stellen teilweise schon fest, dass sich die Nachfrage nach Beratungen bereits erhöht hat.
Prinzipiell seien Schuldnerberatungen zwar in erster Linie für diejenigen zuständig, die nach dem Sozialgesetzbuch als bedürftig gelten und bei denen Verschuldung droht, erklärt Anette Koegst, Geschäftsführerin der gemeinnützigen PuR Gesellschaft Hennigsdorf, und beispielsweise nicht für selbstständige Ein-Personen-Unternehmen oder Kleinbetriebe.
Schuldnerberater hören sich jeden Einzelfall an
„Wir hören uns jeden einzelnen Fall erst einmal an und nutzen die Möglichkeiten, die wir haben“, verspricht jedoch Christian Frey von der Schuldnerberatung der PuR. Er rechnet damit, dass auch Menschen kommen werden, die noch nie etwas mit dem Sozialamt zu tun hatten. Frey ist zuversichtlich, zumindest Kontakte herstellen und eine Lösung finden zu können. „Die Energieversorger haben nicht erst zu dieser Krise, sondern schon vor einiger Zeit Hotlines geschaltet. Wir sind gut genug vernetzt, um an sie auch heranzukommen“, sagt Frey. So könne versucht werden, mit Ratenzahlung die Kosten zu strecken. Die PuR verweise in manchen Fällen auch an die Verbraucherzentrale.
Bei vielen Anbietern sind die Stichtage für die Abrechnungen und etwaige Nachzahlungen noch nicht einmal gewesen. Hilfreich sei es, möglichst schnell selbst aktiv zu werden und die eigenen Abschläge zu verändern, so Frey, damit das Erwachen nicht ganz so böse ausfalle. „Aber das muss den Menschen erst einmal vermittelt werden.“ Christian Frey ist aber optimistisch, dass die Schuldnerberatung in Hennigsdorf mit drei Mitarbeitenden auch vermehrte Anfragen wird bedienen können.
Die Schuldnerberatung in Oranienburg sei bisher noch nicht von verunsicherten Strom- und Gaskunden überlaufen, sagt Ralph Cufal vom Märkischen Sozialverein Oberhavel. Der Vorsitzende der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung sieht das aber kommen. Wie groß die Probleme seien, die Energiekosten zu zahlen, zeige sich in den Haushalten erst konkret, wenn die Versorger die neuen Abschläge ankündigen.
Vermittlung zu anderen Leistungsträgern des Kreises möglich
Die Schuldnerberatung stehe für eine Erstberatung zur Verfügung und könne ebenfalls zu den Sozialleistungsträgern des Landkreises vermitteln, die dann mögliche Ansprüche auf Unterstützung prüfen, so Cufal. In der Beratung könne aber auch geholfen werden, Haushaltspläne aufzustellen und so nach Sparmöglichkeiten zu suchen, um eine Schuldenfalle zu vermeiden. Die Energieberatungen der Verbraucherzentrale seien dazu eine gute Ergänzung. „Das Wichtigste ist immer Wohnraum- und Energiesicherung, das muss irgendwie organisiert werden“, sagt Cufal. Er könne sich ein Moratorium der Bundesregierung vorstellen, dass Schuldnern Strom und Gas nicht gesperrt werden darf.
Darin sieht Michael Kühne keine Lösung. „Irgendjemand muss bezahlen, sonst müssen alle Stadtwerke Insolvenz anmelden“, sagt der Geschäftsführer der Stadtwerke Velten deutlich. „Als Stadtwerke können und dürfen wir ja nicht kontrollieren, ob der Kunde zahlen kann oder nicht.“ Für viele sei die Lage aber prekär, ist er sicher. Kühne rät deshalb dazu, zunächst das Gespräch mit dem Gas- oder Stromversorger zu suchen. „Abstottern geht bei uns auch, sofern wir die Hoffnung hegen, dass bezahlt wird“, sagt er. „Wir stellen aber auch den Kontakt zu Ämtern her.“ Im Fernwärmebereich seien es vor allem die Wohnungsgesellschaften, die als Kunden der Veltener Stadtwerke die Verbraucher über die steigenden Betriebskosten informierten.
Wohnungsbaugesellschaften informieren über höhere Betriebskosten
„Bei der REG haben wir möglichst behutsam formuliert, dass die Leute darüber nachdenken sollen, den Anteil der Betriebskosten vorsorglich zu erhöhen“, sagt Kühne, der auch Geschäftsführer der Veltener Regionalentwicklungsgesellschaft (REG) ist.
„Ich bin seit 47 Jahren im Energiegeschäft und habe eine solche Situation noch nicht erlebt“, sagt der Elektroingenieur. Dabei hätten die Stadtwerke immerhin bis zum Jahresende Energie zu noch moderaten Preisen eingekauft. „Wie es im nächsten Jahr wird, kann man überhaupt noch nicht sagen.“ Zurzeit würden an der Börse utopische Preise aufgerufen. Inklusive Stromsteuer, Konzessions- und Netzabgabe würden diese für den Kunden 90 Cent pro Kilowattstunde bedeuten, so Kühne. Jetzt sind es 27 Cent pro Kilowattstunde. Er hoffe, dass sich die Lage in den nächsten Monaten beruhige, so Kühne.
Das hänge nicht zuletzt davon ab, wie viel Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stehe. „Im Herbst gibt es mehr Wind, da verschiebt sich der Strompreis nach unten.“ Die Veltener Stadtwerke haben etwa 8000 Strom- und 1000 Gaskunden. Ob die Preise der Stadtwerke Velten noch in diesem Jahr steigen werden, kann Michael Kühne noch nicht sicher sagen. Die Preispolitik habe er sonst als Geschäftsführer alleine gemacht, aber da sei es auch nur um Anpassungen um fünf bis zehn Euro im Monat gegangen. Diesmal werde er den Aufsichtsrat befragen.
Mögliche Anlaufstellen für die erste Hilfe
Ansprechpartner bei der Schuldnerberatung der Hennigsdorfer PuR gGmbH sind Christian Frey, 03302 49980313, Ivonne Haß 49980314 oder Maren Kellas 49980394. (zur Webseite)
Der Märkische Sozialverein ist unter 03301 6896930 zu erreichen. Dort gibt es auch Hinweise zu den Außenstellen in Zehdenick, Fürstenberg und Liebenwalde.
Viele Informationen bietet auch die Homepage der Verbraucherzentrale, wo unter der Potsdamer Telefonnummer 0331 9822999 auch Termine in Oranienburg vereinbart werden können.