Enna ist fünf Jahre alt, Australian Shepherd, sehr intelligent und kann viele Tricks. Ihre ersten Hundejahre verbrachte sie frei und unangeleint in der Natur rund um Berlin. Wie viele Hundebesitzer bin ich stolz darauf, was sie alles kann. Ob sie zur Hundeschule geht, werde ich oft gefragt. Stolz antworte ich dann immer, nein, alles selbst gelernt.
Denn ich bin der größte Hundetrainer der Welt, denken viele von sich und ich natürlich auch. Und Enna kann allerhand: Sitz, Platz, Totstellen mit theatralischem Umfallen, so lange auf der Seite liegen, bis ich sie aufstehen lasse. Sie rennt auf Kommando zu einem Baum oder einem anderen geeigneten Objekt, springt dagegen, stößt sich mit den Vorderpfoten ab, dreht sich in der Luft um 180 Grad, mit perfekter Haltung und Körperstreckung wie Reck-Olympiasieger Fabian Hambüchen und kommt zu mir zurück gerannt.
Antiautoritär funktioniert nicht
Wenn ich dann noch „Mitte“ sage und die Beine spreize, taucht sie dazwischen. Und guckt mich dabei so süß an. Was will ich mehr? Auf das Kommando „Hoppi und Platz“ springt sie sogar auf meinen Rücken, wenn ich mich dazu nach vorne beuge. Ach ja, und Wörter versteht sie auch. Nudel, Käse, Melone. Wenn sie die hört, lässt sie alles andere sein. Welcher Hund kann das schon?
Die Probleme mit ihr werden kleingeredet, als Macke abgetan. Meine neuste Idee war dass sie Autistin sein muss und vergesslich noch dazu. Es kann doch nicht sein, dass sie immer und immer wieder, ohne jegliche Möglichkeit sie zähmen zu können, wie von Sinnen jeden Passanten begrüßen will, als ob sie ihn persönlich kennen würde und ihr Leben davon abhinge, beste Freunde zu sein.
Da hilft kein Halten, es wird gezogen, dass ich hinterher schlittere. Wenn wir ohne Leine unterwegs sind, stürmt sie hin, springt an den Menschen hoch und verteilt Küsschen. Meist freuen sich die Leute, weil Enna so aussieht wie sie aussieht, aber das hilft bei dem Problem überhaupt nicht: Enna bekommt Bestätigung und wird nicht damit aufhören.
Denn leider hat sie nie eine richtige Erziehung genossen. Liebevoll antiautoritär funktioniert nur so halb. Oder besser gesagt, bei Hunden gar nicht. Das Schlimme ist, dass Enna mit ihrem problematischen Verhalten nun auch den zweiten Hund in unserer Familie völlig aus dem Konzept bringt, diese Situationen immer häufiger auftreten und mit viel Stress verbunden sind.
Gemeinsam ins Restaurant? Viel Spaß für alle, nein, lieber nicht. Mir wurde klar, ich bin nicht der beste Hundetrainer der Welt, ich brauche Hilfe, jetzt muss die Hundeflüsterin ran. Ich habe quasi kapituliert. Und wurde prompt belohnt.
Joanna Bauer – Hundetrainerin
Joanna Bauer ist eine der besten Hundetrainerinnen in Ostprignitz-Ruppin, ihre Hundeschule JoBaDog bietet Kurse in Berlin, Oberhavel, Großbeeren und Neuruppin an. Es gibt nichts, was sie nicht über Hunde und den Umgang mit ihnen weiß. Die gebürtige Danzigerin machte ihr Abitur in Oranienburg. Ihre Ausbildung zur Tierpflegerin Fachrichtung Tierheim Tierpension" schloss sie 2012 mit einem Notendurchschnitt von 1,0 ab und wurde dafür von der Industrie- und Handelskammer als beste Auszubildende Deutschlands in dieser Fachrichtung ausgezeichnet.
2015 schloss sie die Weiterbildung zur zertifizierten Hundeerzieherin und Verhaltensberaterin bei der IHK ab. Seit 2018 ist sie selbstständig und hat mittlerweile zwei Angestellte und mehrere Honorarkräfte. Zurzeit ist sie mitten drin im Studium zum IHK-Hundefachwirt, welches sie befähigen wird, Gutachterin des Veterinäramtes zu sein. Berühmt ist Joanna Bauers Hundeschule für die Besuchshunde und ihre Gruppentrainings. Bevor man zu einer Gruppe stoßen darf, kommt das kostenlose Einzeltraining zum Kennenlernen.
Bauklötzer staunen beim ersten Gespräch
Ich habe ja auch Abitur und Studium und bin selbst schon mein halbes Leben lang Coach. Also habe ich Enna mit ein paar Ratgeberartikeln und Youtube-Videos selbst zum Vorzeigehund erzogen. Aussetzer und übertriebenes Verhalten habe ich auf ihr Wesen und die Rasse Australian Shepherd zurückgeführt. Auslauf und Arbeit hatte sie auch genug, der Wald ist unser Zuhause.
Nur leider trafen wir dort meistens niemanden, weder Mensch noch Hund. Und so werden die zivilen Aktivitäten des Alltags entweder gemieden oder finden nur unter größtem Stress statt. Das gegenseitige Hochspielen zwischen ihr und unserem zweiten Hund bringt mich an den Rand des Hundeabgrunds.
„Wie willst du es haben? Soll sie einfach aufhören, oder soll sie gar nicht erst anfangen?“, fragt mich Joanna Bauer. Was hat sie gefragt? Und habe ich jetzt einen Wunsch frei? Ist sie die gute Fee, die Hunde-Fee, die uns Hundebesitzern Wünsche erfüllt? Ich hatte es vermutet, bei all ihrer Erfahrung und dem Andrang in ihrer Hundeschule, aber ich glaube es noch nicht.
Erstgespräch wie bei einem Psychologen
So geht es immer bei JoBaDog los: Ein kostenloser Ersttermin, bei dem besprochen wird, was mit dem Hund ist und was das Ziel sein soll.„Bei deiner Hündin, die sich über alles freut, bin ich mir noch nicht sicher, ob das beschwichtigende Gesten sind oder ob das eher ein Spiel und sie frech ist“, beginnt Joanna das Gespräch.
Es gibt Hunde, das erkennt man an der Körperhaltung, die nähern sich mit heruntergebeugtem Oberkörper, schwänzeln fast am Boden liegend auf einen zu. Die sind beschwichtigend. Das passt nicht zu Enna: Sie stürmt los, macht viele Bewegungen, springt bis zum Gesicht hoch und will Küsschen geben. „Also frech. Okay. Weil beruhigen und frech ist ein Unterschied, das muss ich mir direkt vor Ort anschauen“, hat die Hundetrainerin leichte Zweifel an meinen Schilderungen.
Ich füge hinzu, was mich am meisten ärgert, ist, dass sie wildfremde Menschen begrüßt, als wären es gute Bekannte. „Sie hat etwas im Kopf, dass sie einmal etwas Tolles bekommen hat. Und offensichtlich bekam oder bekommt sie Feedback, Aufmerksamkeit, wenn sie sich so verhält“, sagt sie. Ich werde schon wieder ein bisschen kleiner, weil das alles auf meine Kappe geht. Aber dafür bin ich jetzt endlich bei ihr, der professionellen Hundetrainerin.
„Ich muss mir die Enna anschauen, da gibt es eine mögliche Lösung, die ganz simpel ist, weil ich verstanden habe, dass sie relativ gut im Gehorsam steht. Dass sie Signale kennt“, antwortet Joanna Bauer. Das machen wir uns zunutze, indem wir das nehmen was Enna kennt, womit sie sich wohl fühlt.
Kein Körperkontakt
Das Gute wird verknüpft, dass ihr bei solchen Bedingungen das Signal gegeben wird, das sie kennt und das dann belohnt. „Dass für sie klar ist, egal wer da ist, ich lass es, weil es für das Hinsetzen oder Turn oder was auch immer etwas viel Tolleres gibt, nämlich dich, weil du ja der Sozialpartner bist“, führt sie weiter aus.
Ein wichtiger allgemeiner Tipp kommt gleich im Anschluss, denn ich habe mich schon immer gefragt, wie ich mit meinen Besuchern und den netten Leuten im Hundeauslauf umgehen soll? Joanna Bauer sagt, man müsse den Leuten klar machen, dass man im Training ist und kurz erklären, dass, wenn der Hund auf einen zu rennt, ihn nicht anfassen und nicht ansehen soll.
„Lass uns mal drei Wochen niemanden anspringen, denn ich helfe meinem Hund auf Signal etwas zu tun. Und dann, wenn er doch springt, kann ich immer noch ins Halsband greifen und dem Hund helfen. Ohne ihm weh zu tun. Nur in die Position bringen“. Der Nachdruck ist wichtig, denn ich habe es gesagt und meine es so, also setz dich hin.
„So haben wir ihn schon ein bisschen unter Kontrolle, aber wir wissen noch nicht, ob er auf Kekse hört oder ob er wirklich hört“, sagt Joanna Bauer. Oft verstärkt sich das Fehlverhalten, wenn es den Hunden doch noch gelingt, Körperkontakt zu bekommen. Dann werden Glückshormone freigesetzt.
Und Aussies lieben es, geliebt zu werden, aber welcher Hund tut das nicht? Es wäre zum Beispiel völlig kontraproduktiv, seinem Hund „Nein, nein!“ zu sagen und ihn von sich wegzuschieben. Für den Hund ist nein nicht negativ besetzt, er spürt nur, schön, er berührt mich.
„Vielleicht ist das der Auslöser bei Enna. Mir ist egal, was die sagen, ich habe meinen Tunnel, weil ich bisher immer Erfolg hatte", vermutet meine Hundefee. Und hilft mir beim Stichwort Hundeauslaufgebiet und alle lieben Enna und ihre stürmischen Küsschenarien.
Notlügen ausdenken für den Erfolg
„Dann musst du dir wirklich Notlügen ausdenken. Vorsicht, der hat eine ansteckende Krankheit, der hat Husten oder so. In der Zeit, in der Enna bei ihnen ist, nehmen die Leute bestimmt die Hände weg. Dann musst du eine Alternative anbieten und weg“, sagt sie.
Für Joanna Bauer wäre es wichtig zu sehen, ob das jetzt wirklich keine Beschwichtigung sondern eher Frechheit ist, damit sie keine falsche Empfehlung gebe. Aber sie verspricht mir auf jeden Fall eine Lösung. Und das finde ich stark. Wie gesagt, ich habe kapituliert.
Sie malt mir das Ziel mit wunderbar klingenden Worten in die Luft und ich glaube fast schon daran: „Wenn der Hund deine Mutter sieht und sich, statt loszustürmen einmal hinsetzt, müsst ihr so eine Party draus machen und ihn dafür so belohnen, dass er das nächste Mal, wenn er sie sieht, schon vor ihr auf dem Hintern robbt und nicht auf die Idee kommt zu springen“. Das ist vom Fachbegriff her eine Gegenkonditionierung.
Der Hund bekommt etwas beigebracht, was nicht mit der Situation vereinbar ist. Er kann nicht mehr springen, weil er sitzen muss. Für mich Laie ist die Frage wichtig, wie lange, wie oft sie die Belohnung kriegen. „Am Anfang hoch frequentiert, wenn wir gegen etwas arbeiten, gegen diesen Impuls: Ich muss jetzt unbedingt dahin und mein gegenüber berühren, muss das Lob viel hochwertiger sein, da muss richtig was Geiles, sowas wie eine Bulette durch die Gegend fliegen“.
Auf die Frage, wie viele Wiederholungen ein durchschnittlich intelligenter Hund brauche, damit er ein Signal in jeder Situation durchführen kann, sagt sie „15.000 Wiederholungen. Wiederholung ist das Maß. Und es muss nicht mit jedem Signal ein Keks kommen, aber die Wiederholung ist wichtig“.
Wenn sie das verstanden hat, kann man sie auch mit etwas Minderwertigem belohnen. Um diese Reaktion auszulöschen, variiert man dann, mal gibt es nichts, mal eine Streicheleinheit. Und immer ist der Hund wach, weil er hofft, heute ist mein Tag, heute fliegt wieder eine Bulette, bildlich gesprochen, und wird immer öfter freiwillig das falsche Benehmen unterlassen und sich hinsetzen.
Zum ersten Mal in der Hundeschule
Enna ist in Hochform: Sie gibt Laute von sich, die ich noch nie gehört habe. Sie will Joanna begrüßen, so wie ich es kenne. Zieht an der Leine, es ist perfekt.
Neben Joanna Bauer sind noch mindestens 14 weitere Hunde mit ihren Besitzern vor Ort. Jeder Hund bekommt jetzt auch noch einen Ball. Wir sollen ihn von uns wegtreiben und die Hunde sollen ihn ignorieren. Enna liebt Bälle und hat in ihrem ganzen Leben noch nie ein Ballspielverbot bekommen.
Was mir hilft: Sie war auch noch nie im Gelände an der Leine. Das gibt mir ein bisschen Kontrolle. In den ersten Minuten verzweifle ich, weil Enna immer vorne ist, sie kommt zwar auf Kommando zurück, aber dann ist sie sofort wieder vorne. Das kann ich hundertmal, tausendmal und auch 15.000-mal machen, sie macht es immer wieder. „Ja klar, weil du sie damit durchkommen lässt. Zeig ihr, dass es so nicht geht“, sagt Joanna Bauer.
Tolle Idee, würde ich gerne machen, aber wie? „Wenn sie vorwärts geht, bleib stehen, hol sie zurück, lass sie sich hinsetzen und gib ihr eine Belohnung“. Ich folge einfach den weiteren Anweisungen der verschiedenen Übungen mit dem Ball und ich weiß nicht, ob es an der Situation liegt, an der Abfolge der Übungen oder an meiner Einstellung: Es wird besser.
Enna sucht meine Nähe, sie wartet auf die nächsten Kommandos. Sie lernt, dass sie nicht dem Ball folgen soll, sondern neben mir laufen soll, als ob nichts los wäre. Überhaupt ist viel los: viele Hunde, Bälle, Bellen und laute Ansagen der Mitarbeiter. Aber bei meinem Probetermin habe ich das große Los gezogen und bekomme die volle Aufmerksamkeit der Hundflüsterin, wobei mir immer klarer wird, dass sie eine Hundebesitzerflüsterin ist.
Wir vollbringen Wunder
In dieser Stunde vollbringen wir Wunder: Enna lernt, sitzen zu bleiben, wenn ein Ball vor ihren Augen geworfen wird, wenn ich mit dem Ball vor ihren Füßen zwei Runden um sie herum gehe und auch, wenn ich einen Ball in die Mitte zwischen uns rolle. Sie wartet auf das Kommando, dann steht sie auf und kommt direkt auf mich zu, ohne den Ball zu beachten.
Wir laufen auch mit Ball und Hund „bei Fuß“ zwischen den in Spalier aufgereihten Hunden hindurch und lassen uns von fremden Hunden und vor allem fremden Menschen im Slalom umkreisen. Enna ist in innerer Panik, aber fröhlich, singt Lieder, die ich noch nicht kenne, aber ich weiß, sie ist soooooooo glücklich.
Es gibt so viel Neues und so viel zu lernen von der besten Hundetrainerin der Welt - das möchte ich Enna schenken - das Glück mit mir und auch mit ihrem Rüden zu Hause und werde eine 10er Karte für 200 Euro kaufen, die sich Enna und Henry dann teilen können. Übrigens: Enna ist beschwichtigend und nicht frech, hat Joanna gesagt.