Kosovo statt Liechtenstein und Ralph Hammerthaler anstelle von Benjamin Quaderer. Beim Reiseliteraturfestival „Neben der Spur“ im Rahmen der Fontane-Festspiele hatten die Veranstalter für den Freitagabend im Museum kurzfristig umdisponieren müssen.

Benjamin Quaderer in Quarantäne

Der Liechtensteiner Quaderer, der eigentlich aus seinem viel diskutierten Bestseller „Für immer die Alpen“ hatte lesen wollen, konnte nicht kommen. Am Mittwochabend hatte er in der vorarlbergischen Landeshauptstadt Bregenz einen Auftritt. Nachdem dieser Teil Österreichs zum Corona-Risikogebiet erklärt wurde, musste sich Quaderer, der in Berlin lebt, in Quarantäne begeben. Ein Testergebnis lag am Freitag noch nicht vor. Über Nacht gelang es Dr. Peter Böthig vom Festival-Organisationsteam, einen Ersatz-Autor zu gewinnen. Wobei das Wort Ersatz es nicht ganz trifft. Böthig holte den namhaften Schriftsteller, Soziologen und Journalisten Ralph Hammerthaler nach Neuruppin, mit dem ihn seit zwei Jahrzehnten eine Freundschaft verbindet und der auch schon Stadtschreiber in Rheinsberg war.

Lesung von „Kosovos Töchter“ vor Verkaufsstart

So kam es, dass die 20 Zuhörer Teilnehmer einer ganz außergewöhnlichen Veranstaltung wurden. Gelangt doch Hammerthalers neuer Roman „Kosovos Töchter“ aus dem Quintus-Verlag eigentlich erst in einigen Tagen auf den Markt. Die offizielle Lesungspremiere soll am 1. Oktober in Berlin stattfinden. Dem Neuruppiner Publikum wurde also eine Generalprobe geboten, moderiert von der Journalistin Anja Kretschmer.

Frauen verschiedener Länder

In „Kosovos Töchter“ geht es um Frauen verschiedener Länder Südosteuropas, welche eine im Kosovo des Romans vorhandene Partei namens „V.!“ unterwandern, um ihre anarchisch-feministischen Ideale auf dem gesamten Balkan zu verbreiten. Ein Deutscher, der 1999 als Soldat im Kosovo war, reist nach fast 20 Jahren wieder in dieses Land. Er versucht eine damals 14-Jährige zu finden, die ihn, den Wächter, oft besucht und sich mit ihm angefreundet hatte. Seitdem geht ihm das Gesicht des Mädchens nicht mehr aus dem Kopf.

Roman ist teilweise Fiktion

Ein Teil seines Romans sei natürlich Fiktion, erzählte Hammerthaler. Dazu dürfte wohl auch gehören, dass die Frauen der immer stärker werdenden Untergrundbewegung innerhalb der Partei sämtlich einen schmuckreichen, aber durchaus auch als Waffe einsetzbaren Dolch bei sich tragen. Und sie können zaubern. Michail Bulgakows zaubernde Romanfiguren hätten ihn schon immer begeistert, sagte Hammerthaler. Warum also nicht auch die Frauen in seinem Roman? Nein, die Männer zauberten nicht. Natürlich nicht.
Hammerthaler hat für sein Buch viel im Kosovo recherchiert, einmal drei Monate am Stück. Er sah sich an, wo die deutschen Soldaten in Prizren untergebracht sind und erfuhr, dass sie scherzhaft von Bad Prizren reden, weil es inzwischen sogar einladende Bars  für sie gibt. Ganz anders als die Feldlager von einst, über die er sich von ranghohen Militärs im Ruhestand, dank ein paar Schnäpsen in bester Laune, berichten ließ.

Feministische Frauen

Bei seinen Recherchen habe er auch viele Frauen kennengelernt, sagte der Schriftsteller ein wenig lächelnd. Diese „feministischen Frauen in einer extrem patriarchischen Gesellschaft“ hätten ich erst dazu bewegt, nicht mehr hauptsächlich über einen deutschen Soldaten zu schreiben, der in den Kosovo zurückkehrt.

Fragerunde mit dem Autor Ralph Hammerthaler

Als im Rahmen der Fragerunde zum Ende der Lesung eine Zuhörerin fragte, ob es diese Dolche als Zeichen einer feministischen Bewegung auf dem Balkan tatsächlich gebe, antwortete Hammerthaler nicht, denn seine Realität liegt woanders. Die Dolche seien natürlich Teil der literarischen Wahrheit: „Ich wünsche mir, dass Sie die Geschichte als solche mögen und nicht nach Wahrheit und Fiktion unterscheiden.“

Bücher für Lesehungrige

Einige Lesehungrige konnten gleich am Freitag eines der mitgebrachten Belegexemplare des Autors erwerben. Alle anderen müssen noch ein paar Tage warten, bis sie Hammerthalers Feministinnen kennenlernen.