„Steinpilze, Maronen, Pfifferlinge habe ich in diesem Jahr in Ostprignitz-Ruppin schon gesehen“, sagt Anett Engelmann, Leiterin der Oberförsterei Neuruppin. „Es ist gut, dass es nach der langen Trockenheit zu Beginn des Herbstes wieder viel Regen gab, sodass die Pilze jetzt wachsen können“.
„Aus dem Wald mitgenommen werden dürfen nur Pilzmengen für den Eigenbedarf – also so viel, wie man selbst oder die eigene Familie essen kann“, sagt sie. „Auf jeden Fall verboten ist es, ganze Körbe voller Pfifferlinge am Straßenrand zu verkaufen.“ Eine Ausnahme stelle die Ernte aus dem Privatwald dar. Doch auch dort müssten Pilze stehen gelassen werden, die unter Naturschutz stehen.
Faustregeln zur Pilzbestimmung stimmen nicht
Annette Meckel, Revierförsterin in Rheinsberg, erntet und isst mit ihrer Familie jede Menge Pilze. Sich auszukennen lohne sich langfristig, findet sie: „Ein leckerer Pilz, der sich paniert wie Schnitzel in der Pfanne zubereiten lässt, ist etwa der Schirmpilz.“
Keines der pauschalen Merkmale zur Pilzbestimmung, wie sie im Volksmund gern verbreitet werden, treffe zu: „Lamellen oder nicht, an Bäumen wachsend oder nicht – alle diese Regeln taugen nicht, um zu erkennen, ob Pilze genießbar oder giftig sind“, erklärt sie. Es bleibe nichts weiter übrig, als jede Art einzeln bestimmen zu lernen.
Einer der beliebtesten Speisepilze, die Krause Glucke, die wie ein großer Schwamm oder Blumenkohl aussieht, sei zum Beispiel ein Baumpilz und sitze gern an Kiefern. „Auch Austernpilze, die auch im Supermarkt verkauft werden, wachsen an Holz“, nennt Meckel gleich zwei Gegenbeispiele der Behauptung, an Stämmen wachsende Pilze seien meist giftig.
Manche Pilze sind roh giftig, abgekocht aber genießbar
„Allerdings sollte man genießbare Pilze, die an Eiben wachsen, trotzdem nicht essen, weil der Baum giftig ist, was sich auf den Pilz überträgt“, weiß sie. Zudem rät sie ab von Pilzen, die sich an Eichen gesetzt haben. „Sie sind gesundheitlich unbedenklich, schmecken aber herber“, sagt Meckel.
Es sei wichtig, dass man die Pilze wirklich gut kenne, erklärt sie. „So ist etwa der Hallimasch roh giftig, aber abgekocht schmackhaft – das Kochwasser muss weggeschüttet werden“, beschreibt sie die Komplexität des Themas. „Wer den extrem giftigen Knollenblätterpilz isst, wird erst ein paar Tage später krank. Das Gift zersetzt die Leber“, führt Meckel aus. Das widerlege eine weitere unsinnige Regel: „Manche sagen, Pilze, die von Schnecken angefressen seien, können bedenkenlos gegessen werden – das stimmt nicht, weil Schnecken keine Leber haben“.
Eine Regel lässt sie für Pilzneulinge allerdings durchgehen: „Finger weg von Pilzen mit Knolle und Socke“, sagt sie. „Denn unter denen gibt es einige richtig gefährliche.“
Pilze kühlen, schnell verzehren und gut durchgaren
Wichtig sei, keine alten Pilze zu erwischen, sagt Meckel: „Pilze bestehen aus Eiweiß, wie Fisch – sie sollen gut gekühlt und schnell verzehrt werden.“ Darüber hinaus sollte man sie immer gut durchgaren.
Wer Schritt für Schritt in die Pilzkunde einsteigen wolle, sei mit den Kursen an der Kreisvolkshochschule OPR gut beraten: „Da gibt es sehr gute Lehrgänge und fähige Dozenten“, findet Meckel. Die Angebote für Fortgeschrittene nehme sie selbst manchmal wahr.
Pilze vergrößern die Wurzeln der Bäume
„Der eigentliche Pilz ist unter der Erde – oben sieht man nur den Fruchtkörper, wie bei einem Apfel und Apfelbaum“, erklärt sie. Daher bittet Meckel als Försterin darum, mit Pilzen achtsam umzugehen und sie nicht umzustoßen. Außer, dass sie gut schmecken, hätten Pilze im Wald vielerlei Funktionen. „Mykorrhiza-Pilze, die eine Symbiose mit anderen Pflanzen eingehen, vergrößern die Wurzeln der Bäume, sodass diese besser Wasser aufnehmen können“, sagt Meckel. „Und Pilze zersetzen das Holz. Der Baumstamm bietet so Platz für Larven und bedrohte Käferarten.“
Pilzberater helfen bei der Bestimmung
Johanna Dalchow, Mitglied im Brandenburger Landesverband für Pilzsachverständige beschreibt die Lage in OPR: „Vor 14 Tagen war die Vielfalt in den Wäldern noch nicht so groß – es gab nur ein paar Steinpilze und Pfifferlinge“.
Neben dem Anliegen, Bürgerinnen und Bürger zu beraten, die sich bei der Pilzbestimmung nicht sicher seien, sei eine weitere Aufgabe der Pilzberater, mit Krankenhäusern und Giftzentralen zusammenzuarbeiten. „Wir werden kontaktiert, wenn jemand mit einer Pilzvergiftung ins Krankenhaus kommt“, erklärt sie. „Wenn es Pilzreste gibt, können wir einschätzen, ob Lebensgefahr besteht oder nur eine Magenverstimmung zu erwarten ist“.
Beliebte Sammelplätze bei Rheinsberg und Neuruppin
● In den Mischwäldern von Rheinsberg bis Kargar gibt es den essbaren Frauentäubling.
● In den Fichtenbeständen bei Warenthin steht der Graublätterige Schwefelkopf auf Fichtenstümpfen.
● Westlich von Wallitz findet man Pfifferlinge.
● Maronen und Krause Glucke sind von Neuruppin aus zu finden hinter Kuhburg-Berg, entlang der L16 auf der Höhe des Gut Gentzrode.
● Maronen und Steinpilze wachsen von Alt Ruppin aus Richtung Zippelsförde an der B122.
Dalchow empfiehlt, sich bei der Pilzbestimmung nicht auf Freunde und Bekannte zu verlassen, weil es dafür zu viele selbst ernannte Experten gibt. „Pilze sehen je nach Standort anders aus. Hat Laub darauf gelegen, können sie zum Beispiel heller sein“, warnt sie.
Mit dem Korb, nicht mit der Tüte losgehen
Der Anspruch der meisten Leute, die Pilzführungen besuchen, sei nicht, zu Experten zu werden, sondern jedes Jahr einen weiteren Pilz wirklich gut kennenzulernen. Die Sachverständige ist fasziniert von der Pilzvielfalt. „Es gibt Pilze in so vielen Farben und Wuchsformen.“
Genießern rät sie, mit dem Korb und nicht mit der Plastiktüte in den Wald zu gehen. „Gerade, wenn man die Tüte oben fest zusammen hält, schwitzen die Pilze und verderben schneller“, weiß sie. Dalchow selbst schwört auf eine gemischte Pilzpfanne, aus „weißen, schwarzen, roten, lilafarbenen und grünen Pilzen.“
Mit Experten in die Pilze
● Der Pilzsachverständige Gundar Kamm aus Kagar ist erreichbar unter 0151 63419662. Er bietet Pilzwanderungen am 1. und 29. Oktober, jeweils um 10 Uhr, an. Treffpunkt ist der Obelisk im Schlosspark von Rheinsberg. Eine vorherige Anmeldung ist nicht nötig.
● Die Pilzsachverständige Johanna Dalchow ist erreichbar unter 033082 50341. Die Wanderung „Gut be-Hutet oder wer kommt in den Korb?“ mit anschließender Pilzbestimmung findet am 8. Oktober von 9 bis 11.30 Uhr statt. Treffpunkt ist das Naturparkhaus Stechlin, Kirchstraße 4 in 16775 Stechlin/Menz. Die Veranstaltung ist kostenfrei. Weitere Informationen unter www.naturparkhaus.de.