Burkhard Luniak ist 68 Jahre alt. Er hat sein Berufsleben 1966 mit einer Lehre im Kaltwalzwerk begonnen, 1980 ist er zur Müllabfuhr gewechselt. Rechtzeitig, würde ein Zyniker anmerken. Zu seinen Kollegen hatte er auch nach dem Jobwechsel einen guten Draht und kann sich deshalb noch bestens an die schlechte Stimmung erinnern, als bekannt wurde, dass nach der Übernahme durch den Krupp-Konzern im Kaltwalzwerk massiv Stellen gestrichen werden, so viele, dass die Produktion schließlich komplett eingestellt wurde.
Am Sonnabend sitzt er im Publikum des Hörtheaterstücks "Treue Hände", in dem dieser Konflikt in eine einstündige Vorstellung zusammengerafft wird. Ein Projekt, das der Crew vom "Traumschüff" in den Augen von Burkhard Luniak gelungen ist.
Die Handlung der Fortsetzung ist schnell zusammengefasst: Lehrer Dirk muss sich mit einer neuen Schulleiterin und ungewohnten pädagogischen Ideen arrangieren, während seine Verlobte Gitti ihm verschweigt, dass sie für eben jene Treuhandanstalt arbeitet, die auch das Oranienburger Kaltwalzwerk abwickeln soll, für dessen Überleben wiederum ihre gemeinsame Freundin Sylvia kämpft. Entwickelt haben Regisseur David Schellenberg und Autorin Nikola Schmidt die Geschichte aus Gesprächen mit Zeitzeugen. Die umfangreiche Vorbereitung und die empathische Herangehensweise an das Thema zahlen sich aus. Beispielsweise funktionieren zwei kurze Witze über den Handgranatenweitwurf im Schulunterricht in der DDR bestens und bringen nicht nur die älteren Zuschauer zum Lachen.
Vor allem aber wird deutlich, dass die Macher die Zeitzeugen, die sie interviewten, wirklich zugehört haben – mit all den Aspekten, die angesprochen werden, und der Perspektive, aus der die Geschichte erzählt wird – aus Sicht der Betroffenen, ohne Besserwisserei von außen. Das exzellente Schauspiel von Jakob Plutte, Sophie Ammann und Maj-Britt Klenke tut sein Übriges. Und trotzdem: Auch wenn sich am 29. Juni zur Premiere der zweiten Folge von "Treue Hände" in Himmelpfort 40 ehemalige Kaltwalzer angekündigt hatten, von seinen ehemaligen Kollegen hat Burkhard Luniak niemanden im Publikum entdeckt. Vermutlich schmerzen die Erinnerungen an diese schwere Zeit zu sehr und die meisten wollen mit diesem Kapitel ihres Lebens lieber einfach abschließen.
Deshalb, so mutmaßt Burkhard Luniak, wollen sie die Geschichten einfach nicht mehr hören – auch, wenn sie so einfühlsam und schauspielerisch brillant nachempfunden werden, wie es das Ensemble des "Traumschüffs" getan hat.