Ney ist Oranienburger und interessiert sich sehr für die Geschichte seiner Geburtsstadt. Seit einen Jahr gehört der Lehrer auch der Stadtverordnetenversammlung für die Piratenpartei an. Dort hat sich der 34-Jährige der Fraktion der Freien Wähler Oberhavel (FWO) angeschlossen und arbeitet engagiert und fleißig mit.
Seine Recherchen, unter anderem zu einem sehr markanten Gebäude dieser Stadt, haben Interessantes zutage gefördert. Gemeint ist der alte Kornspeicher, den die Hamburger TAS-Gruppe eigentlich zu Wohnungen gehobenen Standards ausbauen wollte, den denkmalgeschützten Stahlbetonbau inzwischen aber am liebsten abreißen will, nachdem sie auf dem Grundstück an der Lehnitzstraße zwölf Häuser mit insgesamt 264 Wohnungen errichtet hat, von denen die ersten jetzt in der Vermietung sind.
Thomas Neys Interesse gilt aber dem früheren Speicherbesitzer Max Lazarus und seiner Familie. Und dazu hat Ney schon eine ganze Menge herausgefunden. Demnach wurde Lazarus 1881 in der Kleinstadt Hammerstein im heutigen Polen geboren. Später zog Lazarus nach Berlin und gründete dort 1922 einen Getreide-, Lebens- und Futtermittelbetrieb. Wohl noch im selben Jahr erwarb der wohlhabende Kaufmann ein Anwesen in der noblen Königsallee in Grunewald, nur wenige Häuser entfernt vom damaligen Außenminister Walter Rathenau, der dort im Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordet wurde.
Anfang der 1920er-Jahre kaufte Lazarus von der Kampffmeyer-Gruppe die Oranienburger Dampfmühlengesellschaft, die allerdings am 22. Mai 1930 einem Großbrand zum Opfer fiel. Lediglich der 1917 errichtete massive Stahlbetonbau des Speichers, der auch den heftigen Bombardements auf Oranienburg 1944 und 1945 Stand hielt, blieb davon verschont.
Für die jüdische Familien Lazarus hatte aber die Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 viele gravierenden Folgen. Noch im Februar 1933, so hat Thomas Ney ermitteln können, gründete Lazarus in Oranienburg mit einem Geschäftspartner eine Lager- und Getreidegesellschaft. Warum das passierte, ist laut Ney noch unklar. Wollte Lazarus nur das Geschäftsfeld seiner Gesellschaft ändern oder waren das schon "Arisierungsmaßnahmen" der neuen Machthaber, die ihn drängten sein Eigentum an Mühle und Speicher in eine Firma mit mehreren Gesellschaftern zu überführen? Die "Oranienburger Dampfmühlengesellschaft", Max Lazarus’ Firma, wurde 1938 mangels Vermögen gelöscht, er und seine Frau als Hausbesitzer wurden 1940 enteignet.
Eheleute ins Ghetto Litzmannstadt deportiert
Wie Thomas Ney weiter recherchiert hat, wurden Lotte und Max Lazarus am 29. Oktober 1941 vom Bahnhof Grunewald ins Ghetto Litzmannstadt (heute Lodz) deportiert, wo Lotte im Januar 1942 starb. Max Lazarus sei vermutlich im Mai 1942 ins Vernichtungslager Kulmhof gebracht und dort ermordet worden. Allerdings gebe es Spuren, die darauf hindeuteten, dass die Kinder Ernst und Eva Susanne überlebten und 1939/40 nach Großbritannien fliehen konnten, hat Thomas Ney festgestellt.
"Es gibt aber noch mehr aufzuklären über das Schicksal von Max Lazarus und seiner Familie", sagt Thomas Ney. Deshalb hat die FWO/Piraten-Fraktion einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht, dass die Stadtverwaltung weiter das Schicksal der Familie Lazarus erforschen soll, um auf Grundlage der Erkenntnisse eine Gedenktafel zu entwerfen, die am historischen Speicher angebracht werden soll. Fünf weitere Fraktionen haben diesen Antrag unterzeichnet, sodass er in der SVV eine Mehrheit bekommen dürfte.
"Das Schicksal des jüdischen Kaufmanns Max Lazarus steht beispielhaft für die schrittweise Entrechtung, Verfolgung und Ermordung jüdisches Mitbürger. An diesem Schicksal kann verdeutlicht werden, welche Folgen die NaziSchreckensherrschaft auch in Oranienburg hatte, findet Thomas Ney. "Mit einer Würdigung am historischen Ort hat Oranienburg die Chance, einen wichtigen Beitrag zur historisch-politischen Bildungsarbeit zu leisten", ist der Pädagoge Ney überzeugt.