Da ist etwa Gitti, die bei der Treuhandanstalt arbeitet und es noch nicht gewagt hat, das ihrem Verlobten Dirk zu beichten. Ihre Freundin Sylvia arbeitet im Oranienburger Kaltwalzwerk, fürchtet um ihren Job und empfindet Gittis Tätigkeit als Verrat. Werden die Beziehungen das überstehen? Können Enttäuschungen überwunden, Entscheidungen zurückgenommen werden?
Die Autorin des Stückes, Nikola Schmidt, hat lange recherchiert und viele Gespräche mit Zeitzeugen geführt. Das zeichnet "In treuen Händen" aus. In nur einer Stunde gelingt das Kunststück, dass sich ältere Zuschauer an ihre eigenen Erfahrungen erinnern und sich mit den Protagonisten identifizieren können. Den Jüngeren, die die Zeit nicht erlebt haben, fällt der Zugang zur Thematik durch die den Rollen innewohnenden Emotionen wie Humor, Kampfeswille und Verzweiflung sowie die anschauliche Darstellung der damaligen Lebenswelt leicht. Wie lebte es sich Anfang der 1990er-Jahre, in der Unternehmen der ehemaligen DDR oft stillgelegt wurden? Mit den verschwundenen Arbeitsplätze kamen Existenzen ins Wanken.
Maj-Britt Klenke, Sophie Ammann und Jakob Plutte schlüpfen scheinbar mühelos in 17 Rollen, die diverse Facetten dieser Phase abbilden. Vom Arbeiter, der gegen die Schließung des Werkes protestieren will, über die resolute Schuldirektorin, die auf den Paradigmenwechsel pocht, bis hin zu einem Düsseldorfer, der zwar die mangelnde Wirtschaftlichkeit der ehemaligen volkseigenen Betriebe sieht und eine Steigerung deren wirtschaftlicher Effizienz fordert, aber die drohende Arbeitslosigkeit der Angestellten scheinbar unberührt davon abkoppelt.
Die Szenenwechsel sind flott. Wird eben noch ein intimer Moment in Gittis und Dirks Zuhause gezeigt, hämmert es im nächsten schon im Stahlwerk. Klug eingesetzte akustische Einspieler ebnen die rasche Einordnung in die Szenerie und machen das Ping-Pong-Spiel zwischen Privat- und Berufsleben, verschiedenen Ansichten und der Kollision von Lebenswirklichkeiten ganz ohne Bühnenumbau zu einem fesselnden Erlebnis. "Vielen, vielen Dank. Das war ein toller Abend", findet eine Frau, die der Theatercrew nach der eigentlich kostenlosen Aufführung gern eine Spende gibt. Erst Ende Juni feierte der zweite Teil von "Treue Hände" in Himmelpfort Premiere. Seit Mai ist das Theaterschiff namens Genossin Rosi auf der Havel unterwegs und macht in dieser Woche auch in Oranienburg halt.
An der Landungsbrücke Oranienwerk, Kremmener Straße 43 gibt es mehrere Vorstellungen: Gestartet wird am 16. Juli um 18 Uhr mit einem Kinderstück: "Planet Acasio"; 17. Juli, 20 Uhr: "FreiSingen". Karten für diese beiden Stücke sind im Oranienwerk erhältlich. 18. Juli, 19 Uhr: "Treue Hände – Folge 1"; 19. Juli, 19 Uhr: "Hinter den Fenstern"; 20. Juli, 19 Uhr: "Treue Hände – Folge 2". Karten können im Oranienwerk reserviert werden.

Zwei Fragen an Autorin Sophia Sorge

Seit 2017 gibt es "Das Traumschüff". Hat sich alles so entwickelt, wie es bei der Gründung gedacht war?

Sophia Sorge: In diesem Jahr haben wir zum ersten Mal die Märkische Seenplatte in unsere Tour aufgenommen. Da haben wir Orte gesehen, an denen wir in Zukunft gern spielen würden. Seit 2017 haben wir mehr Stücke im Repertoire, dadurch sind auch mehr Schauspieler dabei. Vor allem viele Theaterpädagogen sind mit an Bord.

Es geht beim Theaterschiff auch darum, den Zuschauern Stücke zu bieten, die sie in ihrem Alltag beschäftigen. Hat das bisher funktioniert?Sorge: Teilweise hat das besser als erwartet funktioniert. Man kann am Anfang nie genau abschätzen, wie die Zuschauer reagieren. "Treue Hände" ist für viele ein bewegendes Thema. Es gab zur Wendezeit nicht nur Gewinner, das zeigen wir auf der Bühne. Viele im Publikum haben diese Zeit selbst erlebt. Wir versuchen, eine Atmosphäre zu schaffen, in der die Leute miteinander ins Gespräch kommen. Das hat definitiv funktioniert und war gerade bei "Treue Hände" sehr berührend, weil es teilweise zu sehr emotionalen Reaktionen kam. aho