Sie sollen an Aktionen der sogenannten "Roten Armee Fraktion", insbesondere im Terror-Jahr 1977, beteiligt gewesen sein und seit 1980 in der DDR leben. Später wird sich Sigrid Sternebeck in einem "Spiegel"-Artikel so daran erinnern: "Eigentlich hätten wir damals die Aktionen der RAF kritisch aufarbeiten müssen. Aber im Herbst 1977 hatte niemand den Mut, eine ehrliche Analyse zu machen – die Niederlage war zu frisch."
Neue Identität dank gefälschter Pässe
Sternebeck befasst sich indes in Paris mit der "Absicherung ihrer Existenz", will aussteigen, nach Afrika ausreisen.
1980: "Wir erhielten … neue bundesdeutsche Ausweise, 4000 D-Mark für Reisekosten und Starthilfe und fuhren per Bahn von Paris nach Prag." Erst dort erfuhren sie das Ziel ihrer Reise: die DDR. "Für mich war das eine freudige Überraschung, die Sprache würde vieles erleichtern", schrieb Sternebeck im "Spiegel". Ralf Friedrich und sie kamen als Erste "im Osten" an, die gefälschten Pässe (vermutlich aus dem Depot der RAF) wiesen sie fortan als das Ehepaar Ulrike Martina und Jürgen Hans Eildberg aus. In einem ehemaligen Forsthaus bei Briesen, einem Stasi-Domizil, werden die Ex-Terroristen "zu DDR-Bürgern gemacht", denn ihnen war in der neuen Heimat ja alles fremd. "Genosse Gerd" brachte beide schließlich nach Schwedt.
Sternebeck war zunächst in einer DLK-Annahmestelle beschäftigt, vom Job beim VEB Industrieprojektierung ist im MOZ-Beitrag vom Juni 1990 nach ihrer Verhaftung zu lesen. Jürgen Eildberg arbeitete sich in der Papierfabrik vom Staplerfahrer zum Abteilungsleiter Material-wirtschaft hoch. "Er war im Einkauf tätig, wenn ich mich recht erinnere. Direkt hatte ich dienstlich nichts mit ihm zu tun, aber Herr Eildberg wurde stets als sehr höflich, freundlich, auch als hochintelligent wahrgenommen", erzählt die damalige Verkaufsleiterin Ingeborg Förster jetzt in einem Gespräch mit der MOZ.
Am Abend des 15. Juni soll Sigrid Sternebeck auf dem Angermünder Bahnhof festgenommen worden sein, ihren Mann holte die Kripo bereits am Nachmittag direkt aus dem Büro. "Nach Susanne Albrechts Festnahme am 6. Juni wussten wir, dass die Polizei alle Informationen hatte. Die Tage zwischen ihrer und meiner Verhaftung waren furchtbar", wird Sigrid Sternebeck später erzählen.
Ralf Friedrich war Anfang des Monats Juni 1990 auf Dienstreise nach Augsburg geschickt worden, als er in einem Kaufhaus im Fernseher den Bericht über die Festnahme der seit einem Jahrzehnt verschwundenen RAF-Terroristin Susanne Albrecht in Berlin sah.
Hobbyaktion von Mielke und Honecker?
Unter der Überschrift "Nicht im Traum für Terroristin gehalten" berichtet die MOZ wenige Tage später über Reaktionen aus dem Umfeld des Ehepaares, das zuletzt in der Ehm Welk-Straße 55 zu Hause war. "Nette Leute wohnen da, also ganz normale…", sagen Nachbarn. Als "nette, ruhige Kollegin" wird Gudrun Eildberg bei Ipro beschrieben.
Auf einer Pressekonferenz spricht der damalige DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel vom "international beachtlichen Fahndungserfolg". Alle zehn Festgenommenen waren über Kontakte zur Stasi Anfang der 1980er-Jahre in die DDR übergesiedelt. Spätere Einschätzungen gehen teils weit auseinander: Während einerseits davon gesprochen wird, dass es "trotz wechselseitiger Sympathien … zu keinem Schulterschluss zwischen den eingebürgerten RAF-Terroristen und der SED-Führung" gekommen sei, spekulieren andere, dass es sich bei der Einbürgerung um "ein individuelles Hobby Mielkes und Honeckers gehandelt" habe, "die möglicherweise von ihrer eigenen Jugend inspiriert worden waren".
Nur wenig später widmet sich die ostbrandenburgische Zeitung wieder den "wichtigen Themen" dieser Tage: Fußball-WM und Freude aufs "West-Geld". Ex-RAF-Terroristen in Schwedt – in der 755-jährigen Stadtgeschichte sicher nur eine Episode, ein Mosaikstein. Vor drei Jahrzehnten war es ein Paukenschlag, der fast in Vergessenheit geraten ist.