Zum dritten Mal hatten der Seelower Ortschronist Michael Schimmel sowie der Regionalhistoriker Reinhard Schmook aus Bad Freienwalde zum Ortschronistentag ins Kulturhaus der Kreisstadt eingeladen. Mehr als 50 Frauen und Männer aus dem gesamten Landkreis kamen. „Es werden jedes Mal mehr. Das zeigt uns, wie groß der Bedarf für Austausch ist“, resümierte Michael Schimmel.
Mehrmals gab es Lob für die Organisatoren sowie Dank an die Stadt Seelow, die das Treffen unterstützte. Einig waren sich aber auch alle, dass es vor allem Frauen und Männer älteren Semesters sind, die sich für die Regionalgeschichte interessieren. Es brauche deshalb neuer Ideen, um Jüngere zu interessieren, Netzwerke zu schaffen und Unterstützer zu werben.

Anlaufstelle für Geschichtsinteressierte angeregt

„Was wird aus all dem Material, den Dokumenten, Bildern, Zeitzeugeninterviews und anderen Belegen der Historie unserer Orte, wenn wir selbst das nicht mehr bewahren können?“ Hermann Kaiser vom Wuhdener Heimatverein sprach ein Thema an, das alle in der großen Runde bewegte. Seelows Bürgermeister Jörg Schröder nahm die Fragen und Anregungen von Hermann Kaiser auf. Der hatte sich gewünscht, dass die Treffen in ein Konzept münden mögen.
Dessen Ziel müsste es sein, einen Ansprechpartner zu etablieren, eine Anlaufstelle, an die sich Menschen, die sich für die Geschichte interessieren, wenden können. Den Vorschlag von Hermann Kaiser, vielleicht den künftigen Geschichts-Bahnhof in Seelow dafür zu nutzen, werde man prüfen, versicherte er. Das Museum im Erdgeschoss des Bahnhofgebäudes sollte eigentlich noch in diesem Jahr eröffnet werden. Jetzt ist ein Termin Anfang des Jahres avisiert.
Fachsimpelei: Hermann Kaiser (r.) vom Wuhdener Heimatverein und Gerd Ulrich Hermann aus Strausberg. Er leitete viele Jahre die Seelower Gedenkstätte.
Fachsimpelei: Hermann Kaiser (r.) vom Wuhdener Heimatverein und Gerd Ulrich Hermann aus Strausberg. Er leitete viele Jahre die Seelower Gedenkstätte.
© Foto: Doris Steinkraus

Rechercheaufwand hinter historischen Publikationen hoch

Die Bedeutung von Publikationen, die Heimatgeschichte vermitteln, versuchte Reinhard Schmook deutlich zu machen. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die 30. Auflage des Kreisjahrbuches Märkisch-Oderland, das in einigen Tagen herausgegeben wird. Die Reihe stellt jetzt schon für sich eine wertvolle Quelle für die Vermittlung von Erkenntnissen älterer und jüngerer Geschichte dar. Im Jahrbuch finden sich neben Porträts, Kulturbeiträgen, Berichten über Sport, Landwirtschaft und Wirtschaft aus dem Landkreis immer auch Geschichtsbeiträge.
Welch hoher Rechercheaufwand hinter jeder historischen Publikation steht, machte Manfred Nitschke aus Falkenhagen deutlich. Er berichtete, wie die vor kurzem vorgestellten zwei Bände der Ortschronik entstanden sind. 16 Jahre wurde daran gearbeitet. Auf insgesamt mehr als 1000 Seiten wird über das Geschehen von der Besiedlung über die Zeit, als Falkenhagen Stadtrecht hatte, bis heute berichtet. „Wir haben in 24 Archiven geforscht, 41 Gespräche mit Bürgern geführt, Vorträge gehalten, Schriftreihen und Beiträge geschrieben“, erläuterte Nitschke. Alle Quellen sind in den Bänden aufgeführt, können als Anregung für andere ebenfalls „angezapft“ werden.

Küstriner verteilte Quellen-Liste an Hobby-Historiker

Andy Steinhoff vom Verein für die Geschichte Küstrins brachte weitere Quellen ins Spiel. Seit 2006 widmet er sich der Ahnenforschung. Was einst als Familienvorhaben begann, mündete bald in der Vereinsmitgliedschaft. Steinhoff nannte Kirchenbücher, Standesamtsregister, Sekundärquellen wie Todesanzeigen, Tageszeitungen, Grundbücher, Hypothekenbücher, den „Deutschen Reichsanzeiger“ und zunehmend Online-Portale, die sich als sehr nützlich erweisen. Da im Oderland nach 1945 viele Flüchtlinge aus dem Osten landeten, seien auch die Staatsarchive in Stettin und Gorzow wichtiger Anlaufpunkt, ebenso polnische Internetseiten. Er hatte eigens für den Tag eine Liste mit einigen der Quellen-Möglichkeiten zum Verteilen ins Kreiskulturhaus Seelow mitgebracht.
Kurt Gamerschlag, Vorsitzender der Rehfelder Heimatfreunde, nahm Bezug auf das 20-jährige Bestehen des Vereins. Und bekannte, dass trotz der ansprechenden Heimatstube und zahlreicher Publikationen noch viel Material zu ordnen, kennzeichnen und katalogisieren ist. Das sei vor allem Sitzfleischarbeit, die Geduld und Zeit erfordere.

Kritische Worte zur Arbeit in der Gedenkstätte Seelower Höhen

Gerd-Ulrich Herrmann aus Strausberg machte seinem Unmut über den Umgang mit der Gedenkstätte Seelower Höhen Luft. Am 28. Dezember 1978 war sie einst eingeweiht worden. Dass es keinerlei Veranstaltungen zu diesem Jubiläum gab, habe ihn sehr enttäuscht. Ebenso die nicht mehr stattfindende Forschungs- und Publikationsarbeit der Einrichtung, die er selbst viele Jahre leitete.
Natürlich gebe es immer auch neue Erkenntnisse, seit Februar herrsche zudem Krieg in der Ukraine und dennoch ändere sich Geschichte nicht. Auch der Auftrag der Einrichtung – aufzuklären, zu gedenken, zu mahnen und aktuelle Ereignisse einzuordnen – habe sich nicht geändert. Die in Deutschland einzigartige Gedenkstätte reduziere sich derzeit auf Event-Angebote. Auch die Zeit der DDR dürfe nicht verschwinden. Es gelte, die Dinge zu bewahren und zu erläutern, appellierte er an die politisch Verantwortlichen.