Das Forschungslabor ist weiß, kalt und umzingelt von Schneekanonen. Dort, wo der ewige Winter im Lausitzer Seenland zu Hause ist, treffen sich nicht nur Pistenfeger, Schön-Wetter-Fahrer und Ski-Anfänger zum Wedelspaß auf der Indoor-Piste. Die Skihalle Senftenberg hat noch weit mehr zu bieten.
Auf dem Gipfel des Übungshangs, versteckt unter Schnee und Eis, liegt ein ganz besonderes Versuchsfeld. Die Daten, die von der kleinen Plattform im 15-Minuten-Takt aus der Skihalle an Computer eines internationalen Forschungsteams gesendet werden, sollen am Ende dazu beitragen, kasachischen Bauern zu helfen, die karge Kulunda-Steppe landwirtschaftlich zu nutzen.
Der Mann hinter diesem Projekt kennt sich auf den Pisten aus. Als Thüringer Kind hat er das Skifahren quasi in die Wiege gelegt bekommen. Auch heute noch ist er mit seinen 71 Jahren ein begeisterter Ski-Langläufer. Dr. Manfred Seyfarths Liebe zu Bergen und Schnee hat vielleicht auch etwas damit zu tun, dass er als Umweltpionier weltweit aktiv ist.
Mit der von ihm gegründeten Firma Umwelt-Geräte-Technik (UGT) und den Mitarbeitern aus dem ostbrandenburgischen Müncheberg setzt er sich für nachhaltige Landwirtschaft ein. Mit innovativer Diagnosetechnik hilft Seyfarth, Umweltprobleme zu lindern. Und so gibt es kaum ein Fleckchen Erde, das er noch nicht bereist hat, um Gutes zu tun: Mexiko, China, Südkorea, Russland, Marokko, Neuseeland, Iran.
Und jetzt Senftenberg. Den Weg in die Lausitz hat er direkt über Kasachstan eingeschlagen. Denn dort versucht Seyfarth, den Bauern mit seinem Team zu zeigen, wie sie Böden der extrem niederschlagsarmen Kulunda-Steppe nachhaltig bewirtschaften können. Rund um die Hauptstadt Nursultan (ehemals Astana) soll ein Baumgürtel angelegt werden. Der soll den Ort vor Sandstürmen aus der Kulunda-Steppe schützen und zugleich das Mikroklima verbessern.
Um das vorzubereiten, muss geprüft werden, wie es um den Wasserhaushalt im Boden steht und welche Baumarten sich dort eignen. Damit Messgeräte auch bei minus 48 Grad im kasachischen Winter zuverlässig funktionieren, werden im Senftenberger Mini-Labor unter Schnee und Eis verschiedene Versuche durchgespielt. Das Herz davon ist ein 20 Zentimeter im Boden versenkter Flachlysimeter, der alle Parameter des Wassergehalts misst.
Die Skihalle für die Wissenschaft geöffnet hat Mitarbeiterin Anja Stoll. Ihr Reich mit Temperaturen um den Gefrierpunkt und Neuschnee auf Bestellung bietet ideale Bedingungen für das Mini-Versuchsfeld unter dem "ewigen Eis". Der Skihallen-Lysimeter misst die Temperaturen im Schneesubstrat und in der Luft.
Die Daten aus der Skihalle Senftenberg sollen helfen, die Messreihen der Lysimeterstation in Kasachstan richtig zu interpretieren. Denn die verharschte Schneedecke führt dort zu falschen Wäge-Ergebnissen. "Diese Fehler, die wir bisher nur vermuteten, haben wir in der Skihalle unter Laborbedingungen nachweisen können", freut sich Seyfarth über erste Ergebnisse.
Resultate auch für Marokko
Wenn Seyfarth mit seinem Forscherteam im Mai wieder nach Kasachstan reist, hat er das Senftenberger Know-how mit im Gepäck. Die Erkenntnisse sollen ganzjährige Messungen mit hoher Präzision auch unter Extrembedingungen im kasachischen Winter ermöglichen.
Den kasachischen Bauern zu helfen, bleibt aber auch für den erfahrenen Ingenieur eine Herausforderung. Die Böden seien ausgelaugt und einer enormen Winderosion ausgesetzt, erklärt er. "Es gibt zu wenig Niederschlag und nur 120 Vegetationstage im Jahr." Trotzdem ist er überzeugt davon, dass er den Landwirten helfen kann.
Die Senftenberger Versuchsreihe ist dafür ein wichtiges Puzzleteil. Nach der Sommerpause sollen weitere Experimente in der Skihalle folgen. Die Ergebnisse kommen dann vielleicht sogar Marokko zugute – dem nächsten Ziel von Seyfarth. Dort breitet sich die Sahara aus, das Wasser wird knapp. Und was in der Kulunda-Steppe wirkt, könnte auch in der Sahara helfen.