Noch sind es wenige, aber die ersten Geflüchteten sind da. Seit Sonntagabend (27. Februar) hat Oksana Bilak mit ihren beiden Kindern erst einmal bei Familie Brauns in Buckow ein Unterkommen gefunden. Etwas geschafft sitzt die Ukrainerin dort am Montag (28. Februar) am Küchentisch. „Am Donnerstag sind wir los“, berichtet sie, zwei Tage haben sie und ihre Kinder an verschiedenen Orten auf dem Weg durch Polen in Hostels geschlafen. In der Märkischen Schweiz ist nun erst einmal die Chance, etwas durchzuatmen. Auf Oksanas Schoß sitzt Domenika, erst ein Jahr alt. Die zehnjährige Schwester Diana ist mit Malen beschäftigt.

Eine Unterkunft war schnell gefunden

„Für uns war klar, dass wir helfen“, sagt Fabian Brauns, der mit seiner Frau Charlotte und den Kindern recht unverhofft zum Gastgeber auf Zeit für die Zufluchtsuchenden geworden ist. „Unsere Bereitschaft, jemanden unterzubringen, hatten wir erklärt. Dann kam am Sonntag der Anruf, dass sie in zweieinhalb Stunden da sind.“ Der Anrufende war Torben Reelfs, der selbst gerade erst drei Tage zuvor in der Region Lwiw unterwegs war. Dort hat der Buckower einen Landwirtschaftsbetrieb.

Cousine in Charkiw sah schon russische Panzer vorbeifahren

Weil er gerade nicht kann, hat beim Gespräch mit Oksana Yuliia Broda das Übersetzen übernommen. Auch sie stammt aus der Ukraine, die Liebe hat sie nach Deutschland verschlagen. Seit rund zwei Jahren lebt sie hier. Während Oksana Bilak und ihre Kinder ganz frisch aus dem bisher noch ruhigen Westen des Landes entkommen sind, stammt Yuliia Broda aus der Hauptstadt Kiew. „Ich telefoniere täglich mit Verwandten und Freunden dort“, ständig sei sie bemüht, sich über die Geschehnissen auf dem Laufen zu halten. Ein kleiner Militärflughafen sei gleich am Donnerstagmorgen bombardiert worden. Und eine Cousine, die in der Großstadt Charkiw noch weiter östlich lebt, habe aus ihrem Fenster auch schon russische Panzer vorbeifahren sehen. Gemeinsam mit ihrer Tochter und deren Baby harre ihre Cousine dort aus, immer wieder müssten sie in den Keller flüchten: „Drei Tage sitzen sie schon fest, können nicht mal zum Einkaufen raus.“

Situation in der Westukraine – noch – ruhig

Insofern ist Oksana Bilak froh, es in Sicherheit geschafft zu haben. Ihr Mann, der zurückgeblieben ist, um sich für das Militär zu melden, hatte seine Frau und die Kinder gleich mit den ersten Nachrichten vom russischen Einmarsch losgeschickt. „Er war zuletzt zwar kein aktiver Soldat, aber vor acht Jahren schon in Donezk im Einsatz“, berichtet Oksana, die über Telefon Kontakt zu ihm hält. Aus den jüngsten Gesprächen weiß sie auch, dass es in der Westukraine weiterhin eher ruhig ist.
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Ruhig, aber angespannt – das kann auch Torben Reelfs unterstreichen. Er selbst ist erst wenige Tage zurück, war gerade noch mal bei seinem Betrieb. Insgesamt 14 Jahre hat er in der Ukraine gelebt, leidet mit den Menschen dort besonders mit, obwohl sein Lebensmittelpunkt inzwischen Buckow ist. Dort hatte sich die Familie niedergelassen, damit die Tochter in Deutschland zur Schule gehen kann. Die hiesige Gegend kannte der 41-Jährige, der aus Ostfriesland stammt, durch sein Landwirtschaftsstudium an der Berliner Humboldt-Uni. In diesem Rahmen hatte er 2002/2003 in der Märkischen Schweiz Bodenproben genommen.

Regelmäßig pendelt er zwischen Buckow und Lwiw

Jetzt pendelt er regelmäßig zwischen dem Wohnort und seinem Betrieb bei Lwiw, dem früheren Lemberg. 25 Angestellte hat er dort. „Alle stammen aus der Umgebung, wohnen nicht mehr als 30 Kilometern entfernt“, sagt Reelfs auf Nachfrage. Doch auch seine Mitarbeitenden hätten fast alle Freunde und Verwandte in anderen Landesteilen weiter östlich, wo sich Luftangriffe und Kampfhandlungen bisher konzentrieren.
Derzeit habe er ihnen freigestellt, ob und wie lange sie täglich zur Arbeit kommen. Für die einen sei es Ablenkung, andere klinkten sich für einige Stunden aus, um beim Errichten von Barrikaden zu helfen, berichtet er. Seit Präsident Wolodymyr Selenskyj die Mobilmachung ausgerufen habe, könnten sie zudem jederzeit einberufen werden. „Auch unser Geschäftsführer, mit dem ich heute noch mal telefoniert habe, richtet sich auf diesen Augenblick ein. Sie haben einfach keine Wahl, als zu kämpfen“, so Reelfs.

„Männer gehen freiwillig zum Militär“

Es ist die gleiche Entschlossenheit oder Fügung in die Situation, die so viele teilen – auch Oksana Bilaks Mann, bei dem die Gedanken seiner Frau und der älteren Tochter sind. „Ja, die Männer gehen freiwillig zum Militär“, ergänzt Yulia Broda. Ihre Stimme stockt und ihr treten die Tränen in die Augen, als sie darauf verweist, dass auch die einfachen russischen Soldaten fehlgeleitet seien: „Da sitzen 18- oder 20-jährige Jungs als Panzerfahrer und denken noch, das sei eine Übung.“ Aus den heimatlichen Nachrichten kenne sie aber Bilder, dass Russen ihre Militärfahrzeuge vereinzelt tatsächlich stoppen, wenn ihnen in einem Dorf eine Gruppe Zivilisten als Menschenkette entgegentritt. Während Oksana still an der anderen Tischseite sitzt und die gerade schreiende Domenika beruhigt, ringt Yuliia sichtbar um Fassung.
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Um zu illustrieren, wie nah das Geschehen ist, verweist Torben Reelfs darauf, dass er normalerweise nur zehn Stunden Fahrt von Buckow zu seinem Betrieb bei Lwiw braucht. Diesmal hat er auf dem Rückweg am vorigen Donnerstag lange an der Grenze warten müssen. Männer dürfen nicht ausreisen, hat er dort beobachtet, bisher begehre aber niemand gegen diesen Erlass auf. Und auch die Grenzabfertigung selbst laufe weiter sehr geordnet ab.

Vor allem weitere Unterkünfte werden gesucht

Reelfs ist dabei, ein lokales Unterstützungsnetzwerk zu knüpfen, will noch diese Woche erneut an die polnisch-ukrainische Grenze. Gesucht würden derzeit vor allem Unterbringungsmöglichkeiten für Geflüchtete, wie bei Oksana und ihren Töchtern handelt es sich um Frauen und Kinder. Wenn sie erst einmal da seien, lasse sich noch besser feststellen, welche Sachspenden im konkreten Fall benötigt würden.
Für Familie Brauns ist die Verständigung mit ihren Gästen noch eine kleine Herausforderung, sofern nicht gerade Yuliia Broda oder Torben Reelfs zum Dolmetschen zur Hand sind. „Doch da war ich stolz auf unsere ältere Tochter“, sagt Fabian Brauns – die Neunjährige hat sich flugs eine Übersetzungs-App auf das Handy installiert. Oksana wiederum gibt sich zuversichtlich, dass alles nur eine Übergangslösung und der ganze Spuk möglichst bald beendet ist.
Wer helfen möchte: Unter der Mailadresse helfen@kultus-verein.de besteht die Möglichkeit, mit Torben Reelfs in Kontakt zu treten.
Mehr Infos zu Hilfsmöglichkeiten für die Ukraine gibt es auf einer Themenseite.