Die Entwicklungsbank des Europarats sieht davon ab, den Ausbau der Oder weiter zu finanzieren. Grund dafür ist die rechtskräftige Entscheidung des Obersten Verwaltungsgerichts Polens vom 7. März, in der ein vorläufiger Baustopp angeordnet worden war, um irreversible Schäden an der Umwelt zu vermeiden. Dies schreibt die Direktorin der Bank, Katherine Delikoura, in einem Brief vom 16. Juni an den Bundestagsabgeordneten Michael Kellner (Grüne), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, der MOZ.de vorliegt. Zuerst hatte der „Spiegel“ berichtet.
Kellner und weitere Grünen-Politiker hatten sich bereits im Juni 2022, vor der Umweltkatastrophe in der Oder, an die Entwicklungsbank des Europarats gewandt und auf die mögliche Zweckentfremdung von Mitteln durch die im Frühjahr 2022 begonnenen Baumaßnahmen am polnischen Oderufer hinzuweisen, die trotz Gerichtsurteils seither nicht unterbrochenen wurden. Ein Teilkredit für neue und größere Buhnen und Uferbefestigungen auf 162 Kilometer Flusslänge entlang der Grenzoder wird nun nicht ausgezahlt. Durch die Maßnahme soll sich der Fluss ganzjährig auf mindestens 1,80 Meter eintiefen.
Falscher Betrag: Nicht 114 Millionen, sondern nur 15 Millionen fließen nicht
Um welche Summe geht es, die nun nicht ausgezahlt wird?
Hierüber gab es Verwirrung. Das Büro von Michael Kellner und der „Spiegel“ behaupteten, es gehe um 114 Millionen Euro. Das ist die Summe, die die Entwicklungsbank des Europarats Polen für die „Modernisierung und Instandsetzung von Flussregulierungssystemen an der mittleren Oder sowie der Grenzoder“ zur Verfügung stellt. Diese Maßnahmen, die nicht nur den Grenzabschnitt des Flusses betreffen, stellen für Polen das Teilprojekt 1B. eines größeren, insgesamt 1,2 Milliarden Euro schweren Pakets an Vorhaben namens „Oder-Weichsel-Hochwasser-Management-Projekt“ dar.
Hierüber gab es Verwirrung. Das Büro von Michael Kellner und der „Spiegel“ behaupteten, es gehe um 114 Millionen Euro. Das ist die Summe, die die Entwicklungsbank des Europarats Polen für die „Modernisierung und Instandsetzung von Flussregulierungssystemen an der mittleren Oder sowie der Grenzoder“ zur Verfügung stellt. Diese Maßnahmen, die nicht nur den Grenzabschnitt des Flusses betreffen, stellen für Polen das Teilprojekt 1B. eines größeren, insgesamt 1,2 Milliarden Euro schweren Pakets an Vorhaben namens „Oder-Weichsel-Hochwasser-Management-Projekt“ dar.
Den Kreditanteil, den die Entwicklungsbank nun zurückzieht, beläuft sich tatsächlich nicht auf 114, sondern nur auf 15 Millionen Euro. Diese waren unmittelbar für den Bau der Buhnen an der Grenzoder vorgesehen – jene Bauarbeiten, auf die sich die Regierungen Deutschlands und Polens 2015 in einem Abkommen verständigt hatten. Über den Betrag informierte die Entwicklungsbank auf Nachfrage des polnischen Portals Oko.press. Die Mail liegt auch MOZ.de vor. „Nach den Einwänden, die die Zivilgesellschaft und einige Parlamentsmitglieder vorbrachten, hat sich die Überprüfung der CEB auf die Subkomponente 1B.2 konzentriert (Modernisierung von Flussufern der Oder, um Eis brechen zu ermöglichen). Während das gesamte Darlehen der CEB für das größere Projekt zum Oder-Weichsel Hochwassermanagement 300 Millionen Euro beträgt, wurde der Betrag für Subkomponente 1B.2 ursprünglich auf 15 Millionen Euro budgetiert“, heißt es in der E-Mail der Bank vom Freitagabend (23. Juni). Dieses Geld sei noch nicht geflossen, so die CEB. Der polnische Bauherr sei bereits informiert, dass es nicht fließen werde. Wieviel die Subkomponente insgesamt kostet, ist in den öffentlich zugänglichen Projektunterlagen nicht zu entnehmen, daher ist auch nicht der Finanzierungsanteil der CEB aufgeschlüsselt.
Nicht nur Buhnen, auch Anhebung von Brücken
Das gesamte Maßnahmenpaket des Oder-Weichsel-Projekts beinhaltet für Polen viele weitere Investitionen an Flüssen: neue Deiche wie zum Beispiel in Słubice gegenüber von Frankfurt (Oder) errichtet, Baggerarbeiten am Flusslauf, die Sanierung von Schleusen und sogar die Anhebung von fünf, teils sehr alten, Brücken über die Oder, wie es derzeit etwa in Szczecin (Stettin) oder in Krosno Odrzańskie (Crossen an der Oder) geschieht – bis auf die Deiche sind auch dies Maßnahmen, die absolut erforderlich für Güterschifffahrt auf der Oder, aber laut Kritikern nicht zwingend für den Eisaufbruch sind.
Dass der Hochwasserschutz ein vorgeschobener Grund war, um Kredite für die Flussregulierung zu bekommen, hat einer der Autoren des Projekts, Andrzej Kreft (inzwischen verstorben), sogar 2020 gegenüber der „Gazeta Wyborcza“ öffentlich eingeräumt. Für die Güterschifffahrt seien nämlich Kredite nicht zu bekommen gewesen.
Auf EU-Mittel verzichtete Polen von sich aus
Insgesamt wendet Polen 1,2 Milliarden Euro für die gesamten Investitionen an Oder, Weichsel und einigen Nebenflüssen auf. Die Entwicklungsbank des Europarats steuerte davon ursprünglich mit 300 Millionen Euro den zweitgrößten Anteil bei. Durch die nun zurückgezogenen Mittel sind es noch 285 Millionen Euro.
Auf weitere 200 Millionen Euro, die aus dem EU-Kohäsionsfonds zugesagt waren, hat Polen letztendlich von sich aus verzichtet, womöglich um eventuelle Konflikte zu umgehen. Rund 240 Millionen Euro steuert das Nachbarland für das Oder-Weichsel-Projekt aus eigenen Mitteln bei.
Weltbank als größter Geldgeber bleibt im Boot
Nicht gestrichen für keine dieser Maßnahmen hat seine Kredite die Weltbank. Mit 460 Millionen Euro ist sie der größte Finanzier des Oder-Weichsel-Projekts. Für das Teilprojekt Buhnen an der Grenzoder, an denen Polen derzeit rechtswidrig baut, stellt die Weltbank 134 Millionen Euro zur Verfügung.
Auf MOZ-Anfrage, ob das Baustopp-Urteil Einfluss auf die Kreditvergabe hat, antwortete das Finanzinstitut Ende Mai: „Die Weltbank ist sich der rechtlichen Probleme bewusst, die sich möglicherweise mit einer Komponente des Oder-Weichsel-Projekts überschneiden. Wir beobachten die Situation aktiv, stehen in regelmäßigem Kontakt mit den polnischen Behörden, insbesondere mit dem staatlichen Wasserwirtschaftsbetrieb, und arbeiten weiterhin mit einer Vielzahl von Interessengruppen zusammen. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass es dringend notwendig ist, Überschwemmungen in Polen zu verhindern und zu managen.“
Ähnlich wie eine Delegation der Entwicklungsbank des Europarats hat sich auch eine Abordnung der Weltbank Ende 2022 ein Bild vor Ort an der Oder gemacht, um zu sehen, ob die Projektziele und Umweltstandards eingehalten werden. Ausschlaggebend für erstere, einen Teil des Geldes zu streichen, war jedoch nicht die Inspektion vor Ort, sondern die Aufhebung des vorliegenden Umweltbescheids durch polnische Gerichte.
Hinweis: Im ursprünglichen Text hatten wir ebenfalls von einem zurückgezogenen Teilkredit in Höhe von 114 Millionen Euro berichtet. Der Text wurde um 12.34 Uhr korrigiert.