Vitaminpräparate zur Stärkung des Organismus, die berühmten Pillen fürs Abnehmen oder einfach irgendwelche Präparate gegen Hautveränderungen wie Akne: Nahrungsergänzungsmittel sind im Nachbarland Polen schon seit langen Jahren der große Renner. Kaufen kann man die rezeptfreien Mittelchen eigentlich überall:
An den Tankstellen, im Supermarkt, aber auch in den Apotheken, wo sie sogar einen spürbaren Teil der Gesamtumsätze ausmachen.
In Polen blüht ein Milliarden-Markt
Wie die Tageszeitung Rzeczpospolita berichtet, haben die Polinnen und Polen dafür im vergangenen Jahr 7,7 Milliarden Złoty (rund 1,7 Milliarden Euro) ausgegeben. Das Blatt schreibt, dass sich die Nahrungsergänzungsmittel einer immer größeren Popularität erfreuen. In Deutschland bringen die Konsumentinnen und Konsumenten dafür zwar pro Jahr ähnliche Summen auf. Doch ist hierzulande der Markt auch mehr als doppelt so groß, und die Polinnen und Polen verdienen pro Monat wesentlich weniger, sodass sie verhältnismäßig mehr aus ihrem eigenen Haushaltsportemonnaie dafür aufwenden.
Bemerkenswert ist insbesondere das Tempo, in dem das Geschäft in Polen wächst: So haben die Behörden zwischen 2013 und 2015 bis zu 12.000 neue Präparate genehmigt. Zwischen 2017 und 2020 waren es sogar mehr als 62.000, wie aus Statistiken der Obersten Kontrollkammer (Najwyższa Izba Kontroli (NIK) hervorgeht, die in Polen staatliche Einrichtungen überprüft.
Verbraucher in Deutschland achten mehr auf gesunde Lebensweise
Ein Großteil der Polen will damit seine Energielosigkeit bekämpfen, seinen Organismus stärken oder Infektionen vorbeugen. Der Griff zur Pille oder einem anderen Mittelchen ist da eben ganz einfach. Ein besserer Lebenswandel, ausgewogene Ernährung und viel Bewegung, um Krankheiten vorzubeugen, sind beim östlichen Nachbarn nach wie vor nicht so populär wie hierzulande.
„Zwei von drei Polen (67,2 Prozent) nehmen verschiedene Sorten von Nahrungsergänzungsmitteln ein“, berichtet das polnische Fachportal StronaZDROWIA. „Am beliebtesten sind Vitamin- und Mineralstoffpräparate (81,8 Prozent der Befragten) und Produkte zur Verbesserung des Aussehens von Haut, Haaren und Nägeln (33,2 Prozent), und am wenigsten beliebt sind Bakterien- und Hefestämme (9,4 Prozent)“, schreibt das Portal. Aus den Statistiken geht hervor, dass die Polen am häufigsten Nahrungsergänzungsmittel in Apotheken kaufen, und jeder Dritte entscheidet sich für den Kauf von Präparaten über das Internet.
Nahrungsergänzungsmittel gelten als Lebensmittel
„Die Nahrungsergänzungsmittel erfreuen sich in allen Altersgruppen großer Beliebtheit“, sagt ein polnischer Apotheker aus Słubice auf Anfrage dieses Nachrichtenportals. „Bei allen Patienten“, fügt er hinzu. Interessant: Er benutzt das Wort „Patienten“, obwohl diese Präparate nicht als Medikamente gelten und wie Lebensmittel behandelt werden.
Und genau darauf weisen auch noch einmal die Krankenkassen Techniker und AOK im Gespräch mit diesem Nachrichtenportal hin. „Nahrungsergänzungsmittel sind keine Arzneimittel und somit auch keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung“, betont Henrik Bortels, der Vertreter der AOK Nordost, die für Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zuständig ist.
„Die Einnahme solcher Präparate sind für die meisten von uns nicht unbedingt notwendig“, schreibt die Techniker auf ihrer Webseite. „Schlimmstenfalls kann eine Überdosierung der Kapseln oder Brausetabletten sogar schaden“, warnt das Portal.
Allerdings ist in Polen der Bedarf nach diesen Präparaten so riesig, dass ein großer Markt entstanden ist. Manche Hersteller versprechen, dass sie das Aussehen oder die Stimmung verbessern. Einige behaupten auch, dass sie dabei helfen, Akne zu bekämpfen.
Grundsätzlich könnten die Präparate auch interessant für Verbraucherinnen und Verbraucher in Brandenburg sein, wenn man auf die Preise schaut. Denn die Unterschiede können hier erheblich sein:
Vitamin und Mineralstoffe können wesentlich günstiger als in Deutschland sein
Wesentlich günstiger sind Vitamin- und Mineralstoffpräparate, die man auf der anderen Seite der Oder oft für rund sieben Złoty (etwa 1,50 Euro) für 200 Milligramm bekommt und als Tabletten einnimmt. In Deutschland kosten sie ein Vielfaches dieses Preises. Grundsätzlich sind sie natürlich nicht teuer. Doch gehören sie hierzulande zu den beliebtesten Nahrungsergänzungsmitteln, wie der Lebensmittelverband Deutschland berichtet.
Ein Nahrungsergänzungsmittel, das in Deutschland traditionell einen sehr starken Platz am Markt einnimmt, ist „Doppel-Herz“, das die Herz-Kreislauf-Funktion unterstützen soll. In Polen kostet eine Packung mit 20 Portionen in Beuteln, die jeweils 400 Milligramm Magnesium enthalten, so zwölf Złoty (etwa 2,60 Euro), in Deutschland hingegen bezahlt man ein Vielfaches dieses Preises. Sehr viel günstiger sind auch manche Drinks, die Ausdauersportler benutzen, um ihre Leistungsfähigkeit wiederherzustellen. Dazu gehört der Drink „Collibre Collagen“, der in Polen bis zu 30 Prozent günstiger sein kann.
Doch nicht alle Produkte, die aus Polen stammen, sind auch deswegen billiger. Orthomol, das Mikronährstoffe zur Stärkung der Knochen enthält, kostet ähnlich viel wie in Deutschland. Hier muss der Kunde rund 200 Złoty (rund 44 Euro) bezahlen. Für einen ähnlichen Preis kann man die Ware auch über die Internetapotheke DocMorris bestellen. Orthomol wird oft dann angewendet, wenn jemand unter Osteoporose leidet.
Ramona Reimann, Apothekerin und Sprecherin der Landesapothekerkammer Brandenburg´, kommentiert dies im Gespräch mit diesem Nachrichtenportal folgendermaßen:
„Ob Nahrungsergänzungsmittel die Stimmung oder das Aussehen verbessern, den Stoffwechsel beschleunigen oder gar gegen Haarausfall wirken, ist im Einzelfall sicher differenziert zu betrachten“, sagt die Fachfrau. „Letztlich ist die Frage entscheidend, ob der Patient tatsächlich einen nachgewiesenen Mangel beziehungsweise erhöhten Bedarf an bestimmten Vitaminen, Mineralstoffen oder Spurenelementen hat und ob genau dieser dann zu Symptomen oder gar Erkrankungen führt“, erklärt sie.
Landesapothekerkammer Brandenburg: „Bei bestimmten Erkrankungen sicherlich sinnvoll“
„Auch stellt sich die Frage, ob denn das gewählte Nahrungsergänzungsmittel diesen Mangel beziehungsweise erhöhten Bedarf ausgleichen kann“, meint Ramona Reimann. Es komme also auch auf das Präparat beziehungsweise auf die genaue Zusammensetzung der Inhaltsstoffe an. „In manchen Fällen – beispielsweise bei bestimmten Erkrankungen oder in der Schwangerschaft – ist eine Nahrungsergänzung mit ausgewählten Präparaten sicherlich sinnvoll“, so die Sprecherin der Kammer. Aber das könne man auf keinen Fall pauschalisieren. In jedem Fall sollten die Ursache der Symptome und Probleme abgeklärt werden.