Am Samstag (10.6.), 450 Kilogramm, am Sonntag 370 Kilogramm und am Montag nochmal 290 Kilogramm – insgesamt macht das mehr als eine Tonne Fischkadaver, die laut der staatlichen, polnischen Umweltinspektion GIOŚ aus den Oder-Zuflüssen Gleiwitzer Kanal und Kedzierzyn-Kanal geholt wurden.
Am Dienstag (13. Juni) sollen keine toten Tiere mehr gesichtet worden sein. Polens Umweltministerin Anna Moskwa sagte am Mittwoch (14. Juni) in einem Radio-Interview, sie habe einen Krisenstab zur Goldalge in ihrem Ministerium eingerichtet, da es sich bereits um das dritte lokale Fischsterben in diesem Jahr handelte.

Ein Viertel so viele Algenzellen wie im vergangenen Sommer

Nachdem die polnischen Behörden zunächst „rapide gesunkene Sauerstoffwerte“ als Grund für das Fischsterben publik machten, wurde dann am Montag in aktuellen behördlichen Laborauswertungen bestätigt, dass sich die Alge Prymnesium Parvum im Gleiwitzer Kanal befindet. An bestimmten Stellen wurden 51 Millionen Zellen pro Liter gemessen. Normalerweise wird dabei Sauerstoff freigesetzt.
Kędzierzyn-Koźle, Gleiwitzer Kanal im Juni 2023: Feuerwehrleute pumpen Sauerstoff in das Wasser.
Kędzierzyn-Koźle, Gleiwitzer Kanal im Juni 2023: Feuerwehrleute pumpen Sauerstoff in das Wasser.
© Foto: Krzysztof Swiderski/dpa
Zum Vergleich: Auf dem Zenit der Umweltkatastrophe im vergangenen Jahr waren es pro Liter 200 Millionen Zellen Prymnesium Parvum. Wie Angler und Anwohner berichteten, hatten die Fische auch diesmal die typischen Rötungen und Verletzungen an den Kiemen, die die Goldalge verursacht. Um etwas gegen den geringen Sauerstoffgehalt im Wasser zu unternehmen, belüftete die Feuerwehr das Kanalwasser vorübergehend mit mehreren Pumpen.

Kritik an den Behörden in Polen

Der Fischforscher Bogdan Wziątek vom wissenschaftlichen Beirat des Polnischen Anglerverbands PZW sieht das Agieren der Behörden kritisch. „Ich habe den Bericht über die Messungen der Umweltbehörde am Samstag bekommen. Die Sauerstoffwerte sind nicht so stark gesunken, dass sie Fischsterben verursachten“, sagt er gegenüber MOZ.de.
Thomas Meinelt, Fischtoxikologe vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin, glaubt, die unterschiedlichen Angaben der polnischen Behörden zur Ursache auf die Erklärungsnot zurück. „51 Millionen Zelle pro Liter können tödlich sein, müssen aber nicht. Es hängt davon ab, wie sich die Alge unter Stress verhält und wann sie ihr Gift ausstößt. Welches konkrete Verhältnis von Faktoren und Ionen-Konzentrationen im Wasser dazu führt, wissen wir noch nicht“, sagt Meinelt gegenüber MOZ.de.

Situation an der Oder ähnelt der im letzten Jahr

Die Oder ist bisher offenbar nicht betroffen. Der Abschnitt, in dem Kadaver schwammen, ist jedoch nur einige Kilometer von der Mündung in die Oder entfernt. Der Ichthyologe Bogdan Wziątek macht sich keine großen Hoffnungen, dass die Situation nicht früher oder später übergreift. „Die Situation ist ähnlich wie im letzten Jahr. Da hat das Fischsterben auch im Gleiwitzer Kanal angefangen und dann griff es auf die Oder über. Ende April/Anfang Mai gab es im Kanal die erste Algenblüte. Damals wurde das noch nicht ernst genommen. Die Algenart hatte ja in Europa niemand im Blick“, sagt Wziątek.
„Da braut sich was zusammen, man muss aufmerksam bleiben“, sagt Thomas Meinelt vom IGB. Die Möglichkeiten auf eine Algenblüte bzw. Giftwelle zu reagieren, die sich Brandenburg nähert, sieht er allerdings als gering an. Beim Brandenburger Umweltministerium hatte man am Dienstag noch keine Meldung nach dem Internationalen Alarmplan erhalten, hat das aber auch nicht erwartet. Der Gleiwitzer Kanal sei mehrere hundert Flusskilometer von der deutschen Grenze entfernt, so Sprecherin Frauke Zelt.

Krisenstab empfiehlt Einleitungen zu managen

Der Krisenstab des polnischen Umweltministeriums soll laut Ministerin Moskwa ausgehend von Wetterprognosen Maßnahmen zum Katastrophenschutz an das nationale Sicherheitszentrum (RCB) gegeben haben. Zu den Empfehlungen gehört die vorübergehende Abtrennung von Altarmen – damit gemeint waren bisher immer Barrieren, um die Migration der Fische eingrenzen sollen. Außerdem nannte Moskwa auch das „systematische Management der Einleitung von industriellen und kommunalen Abwassern“. Inwieweit die Maßnahmen umgesetzt werden können, dazu sagte die Ministerin nichts.