Aber auch an normalen Tagen kann man in den Späth‘schen Baumschulen durch den Gräser- oder Hortensiengarten wandeln und sich die selbst gezogenen Pflanzen auf wasserdurchlässigen Folien anschauen beziehungsweise mitnehmen. "Wir wollen, dass die Leute sehen, dass der Garten auch im Herbst blühen kann", sagt Holger Zahn, Chef von Berlins ältestem Gewerbebetrieb.
Die Baumschulen in Treptow feiern im kommenden Jahr 300-jähriges Jubiläum. Die kleine Obst- und Gemüsegärtnerei, die Christoph Späth 1720 in Berlin gründete, entwickelte sich bis zum Zweiten Weltkrieg zur bedeutendsten Baumschule der Welt.
Selbst zu den DDR-Zeiten wurde weiter erfolgreich für den internationalen Markt gezüchtet. Um in der Mangelwirtschaft das Volk mit Vitaminen zu versorgen, sei viel Geld in die Entwicklung von Wildobstsorten investiert worden, berichtet Zahn, der seit 1987 im Betrieb ist. "Wenn heute Sanddorn-Plantagen in China oder Kanada angelegt werden, dann sind das Späth‘sche Sorten."
Auch die strammen Linden, die wie eine preußische Garde die Staatsoberhäupter vor dem Gästehaus der Bundesrepublik in Merseburg begrüßen, stammen aus Berlin-Treptow. Die letzte Züchtung, die Späth‘sche Winterlinde Merkur, wird dagegen eher für die Verschönerung der vielen neuen Plätze und Nobelresidenzen genutzt, die in Berlin wie Pilze aus dem Boden schießen.
Der Run auf Berliner Flächen macht auch vor dem Traditionsbetrieb nicht Halt. Teile des weitläufigen Baumschulen-Areals könnten künftig in Bauland umgewandelt werden. Doch weil Baumschulen in Jahrzehnten und Jahrhunderten planen müssen, hat der Betrieb schon 16 Hektar seiner Produktionsfläche nach Königs Wusterhausen ausgelagert. "Unseren historischen Standort hier sehen wir inzwischen eher als Vermarktungsfläche", erklärt Zahn.
Auf Laufkundschaft und Durchreisende wie bei Pflanzen-Kölle an der B5 kann der Diplom-Gartenbauingenieur an der menschenarmen Spätstraße allerdings nicht zählen. Um die Kunden trotzdem nicht den großen Ketten zu überlassen, hat der 59-Jährige das Baumschulen-Gelände in den vergangenen Jahren immer mehr zum Erlebnisgarten ausgebaut. Von Mai bis Oktober gibt es regelmäßig Tanzveranstaltungen, Live-Musik und Wein-Ausschank von wechselnden Winzern. Der monatliche "Gärtner-Treff für alle mit Grünem Daumen" kann bei schlechtem Wetter genauso wie Hochzeitsgesellschaften ins Folienzelt umziehen. Im Winter verwandelt sich das Gelände, vier Bus-Stationen vom S-Bahnhof Baumschulenweg entfernt, in einen glitzernden Weihnachtsmarkt.
An diesem Fest-Wochenende soll es neben mehreren Ausstellungen unter anderem Expertenvorträge und eine Apfelausstellung geben. Im Zelt, das Zahn vom Monbijou-Theater geholt hat, werden Märchen erzählt. Kinder können auch im Baumhaus basteln oder im Teich angeln, während ihre Eltern über den Markt mit 200 Ausstellern stöbern und Ideen und Pflanzen für Garten, Terrasse und Balkon mitnehmen. "Viele Gartenbesitzer werden erst aktiv, wenn sie im Mai Frühlingsgefühle bekommen. Doch der Profi pflanzt im Herbst", erklärt Zahn. Denn im Frühjahr seien auch die ersten Tage mit 30 Grad nicht mehr weit. "Dann wachsen sich die Pflanzen nicht mehr weiter aus."
Der Klimawandel mache die Auswahl inzwischen schwieriger, erklärt der Experte. So könne man in der Region nicht mehr so einfach Schattengewächse mit Sonnenpflanzen kombinieren. Je nach Standort müssten die Sorten noch häufig besonders trockenresistent sein. "Allerdings machen viele den Fehler, dass sie an Hitzetagen mehrmals am Tag wässern", warnt Zahn. "Ein bis zweimal in der Woche reicht aus. Sonst gehen die Pflanzen an der Überwässerung kaputt."
Info: Traditionsfest in den Späth’schen Baumschulen, Späthstraße 80/81, 21. und 22. September, 9 bis 18 Uhr, 8 Euro, erm. 5 Euro; Kinder bis 16 Jahre sind frei
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