Hat die rasante Tesla-Ansiedlung zu Misstrauen in die Demokratie geführt? Eine neue Studie ist zu diesem Schluss gekommen. Das Forschungsprojekt des Leibniz-Instituts für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) mit Sitz in Erkner untersuchte dafür die Planungskonflikte rund um den Bau der Gigafactory in Grünheide. Sein Ergebnis: Der beschleunigte Bau der Gigafactory hatte hohe politische Kosten.
Die Studie ist insofern ein Signal, als dass der Begriff „Tesla-Tempo“ zum geflügelten Wort im Politikersprech geworden ist, um auch andere Investitionen und Bauverfahren zu beschleunigen. „Das Vorgehen im Fall Tesla – besonders die vorzeitigen Zulassungen – wird nicht zur Nachahmung empfohlen“, warnt Manfred Kühn, stellvertretender Leiter des Forschungsschwerpunkts „Politik und Planung“ sowie Autor eines am 19. Juni erschienen Fachartikels zur Studie.
Tesla in Grünheide – Erwartung an demokratische Debatte enttäuscht
Die Kritik geht schon bei der Standortwahl los. Es „wurde in einem kleinen Kreis über die Ansiedlung eines Großprojekts mit enormen räumlichen Wirkungen entschieden“, schreibt Kühn im Artikel. Der Standortwettbewerb sei streng vertraulich, „nach den Spielregeln des Investors“ abgelaufen, sodass die Öffentlichkeit überrascht wurde. Zwar gab es durch die geplatzte BMW-Ansiedlung schon einen Bebauungsplan, doch eine öffentliche Diskussion, auch über die Veränderungen für den Ort, sei von einem Vertreter eines Umweltverbandes vermisst worden.
Ein anderer Aspekt ist der Konflikt zwischen dem angestrebten Tempo und der Öffentlichkeitsbeteiligung. Erwartungen an eine demokratische Debatte seien enttäuscht worden. Tesla selbst sei bei der Anhörung ein passiver Teilnehmer gewesen, beteiligte Politiker hätten sich nicht aktiv zu Wort gemeldet, „deshalb muss die Behörde die Rolle als Blitzableiter für die Bürgerinnen und Bürger übernehmen.“
Zweifel am Sinn öffentlicher Beteiligung
Die Untersuchung interviewte dafür verschiedene Akteure aus Umweltverbänden, Genehmigungsbehörden und der Gemeinde Grünheide. „Fast alle Interviewten stimmen darin überein, dass die Praxis der Beteiligung in den Verfahren nicht dazu beigetragen hat, die vorhandenen Konflikte zu schlichten, sondern diese teilweise sogar verschärft haben“, schildert Kühn im Artikel. Es habe Unklarheiten über das Ausmaß einer möglichen Beteiligung gegeben, sodass die Erwartungshaltungen vieler enttäuscht wurden und Gegner dem Beteiligungsverfahren demokratische Defizite vorwarfen.
Derweil hätten Vertreter von überörtlicher Planungsbehörden sich für eine Beschränkung der Bürgerbeteiligung ausgesprochen, da der Erörterungstermin „so gut wie keinen Beitrag zur Entscheidungsfindung“ leiste.
Der Leiter der Anhörung in Erkner im September 2020 hätte jedoch versichert, dass der Ausgang des Genehmigungsverfahrens offen sei. Allerdings deuteten schon die Vorabgenehmigungen das Gegenteil an, da diese eine positive Prognose der Behörde voraussetzten, so Kühn. In seinem Resümee kommt der Forscher zu dem Schluss, dass die Beschleunigung von Projekten zwar möglich sei, „jedoch Beteiligungsdefizite zu Verfahrenskonflikten führen, welche das Misstrauen der Gegnerinnen und Gegner in die Demokratie verstärken“. Vielmehr sollte die Stufe der Partizipation bei Erörterungsterminen erhöht werden, anstatt eine Abschaffung zu fordern, schlussfolgert der Wissenschaftler.
Der Artikel von Manfred Kühn zur Studie steht frei zum Download zur Verfügung.