In dem Festsaal in Kreuzberg, in dem sonst türkische Hochzeiten gefeiert werden, stapeln sich am Mittwochnachmittag unzählige Kartons. Auf dem Marmorboden vor der edlen Bar haben Helfer Rollstühle und Krücken deponiert. Seit Montag werden hier wie an vielen Orten Berlins Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei gesammelt.
„Die Hilfsbereitschaft war so groß, dass wir gerade nichts mehr annehmen können“, sagt Senol (47) von der Firma Moon Events, der alles organisiert. Eine Lkw-Ladung haben er und seine Mitarbeiter schon in die türkischen Provinz Hatay geschickt, in der immer noch Menschen unter ihren Häusern begraben liegen.
Spenden-Pakete mit Windeln und Babynahrung
Der türkischstämmige Berliner, der selbst Verwandte in der Erdbebenregion hat, wartet nun ungeduldig auf einen zweiten Laster, den seine Firma angemietet hat. „Erst wenn die Kartons hier weg sind, können wir weitersammeln“, sagt Senol und zeigt auf Pakete mit Kleidung, Windeln und Babynahrung, die die Helfer sorgsam beschriftet haben.
Draußen im Gewerbehof in der Nähe des U-Bahnhofs Moritzplatz stapeln sich blaue Säcke neben den überfüllten Mülltonnen. „Es wäre toll, wenn uns ein Unternehmen unterstützen könnte, das da draußen zu entsorgen“, sagt Senol. Denn manche Spender hätten auch Dinge abgegeben, die man nicht gebrauchen kann. „Hackfleisch oder alte Koffer dürfen wir nicht verschicken“, erklärt Senol, der bei seiner Hilfsaktion mit dem türkischen Konsulat zusammenarbeitet.
Im „Hasir“, eine U-Bahnstation weiter am Kottbusser Tor, kann man trotz Spendenaufruf noch dem geregelten Restaurant-Betrieb nachgehen. „Zu unserer Firma gehört auch das Hotel Titanic in der Chausseestraße in Mitte, das haben wir einfach zum Sammellager umgebaut“, berichtet Chefkellnerin Sener Gülsen. Erste Hilfsgüter, die man vor allem über die türkische Intagram-Community „Berlin Etkinlikleri“ zusammengetragen habe, seien schon vom BER in die Türkei geflogen worden.
Zu den Tausenden Berlinern, die den Erdbeben-Überlebenden helfen wollen, gehören auch Menschen ohne türkische, kurdische oder syrische Wurzeln. Lilia (19), die gerade aus einem Café kommt, hat ein paar Euro über eine Online-Aktion gespendet. „Es war nicht viel, weil ich nicht viel habe, aber ich wollte wenigstens etwas für die Leute in Rojava in Nordsyrien tun, weil dort keine Hilfe ankommt“, erklärt die junge Frau.
Keine Nachricht von den Verwandten in der Türkei
Dass die Türkei unter anderem immer noch die meisten Grenzübergänge zum autonomen kurdisch besiedelten Gebiet trotz Ausnahmezustandes geschlossen hält und wenig Hilfslaster durchkommen, weiß Lilia aus den Medien, aber auch von ihren kurdischen Bekannten in Berlin.
Doch viele haben trotz Internet derzeit keinen Kontakt zu Angehörigen und Freunden in der Heimat. „Es ist so schlimm, ich habe keine Nachricht von meinen Verwandten, ich weiß gar nichts“, sagt der Besitzer eines kleinen Geschäfts in der Adalbertstraße, der süßes Gebäck verkauft. Seinen Laden hat er nach seiner Heimatstadt „Gaziantep“ benannt, die nun in Schutt und Asche liegt.
Die mit rund zwei Millionen Einwohnern sechstgrößte Stadt der Türkei an der Grenze zu Syrien ist derzeit auch von der Stromversorgung abgeschnitten. „Ich kann nicht mehr machen, als Geld zu überweisen“, sagt der Baklava-Verkäufer, während er immer wieder auf sein Handy in der Hoffnung auf Informationen schaut.
Auch an vielen Berliner Schulen wurden in den vergangenen Tagen Hilfsaktionen gestartet. So wurden zum Beispiel im Rückert-Gymnasium in Schöneberg Kartons aufgestellt, in denen die Schüler warme Winterkleidung für Kinder und Erwachsen ablegen können.
Geldspenden helfen schneller
Berlins Senatorin für Bildung, Jugend und Familie Astrid-Sabine Busse (SPD), die derzeit auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz ist, erinnerte am Mittwoch daran, dass auch viele Kinder und Jugendliche in deutschen Bildungseinrichtungen Verwandte in der Erdbebenregion haben und rief zu Solidarität mit den betroffenen Menschen und ihren Angehörigen auf.
Busse bat aber auch die Hinweise von Initiativen zu beachten, „wonach Geldspenden an bewährte Hilfsorganisationen oft schneller eine größere Wirksamkeit entfalten als Sachspenden.“
Wenn Sie auch helfen wollen:
Das DRK bittet um Geld-Spenden für die Betroffenen unter:
IBAN: DE63370205000005023307
BIC: BFSWDE33XXX
Stichwort: „Nothilfe Erdbeben Türkei und Syrien“
Oder im Internet unter drk.de/spende
Aktion Deutschland Hilft:
Stichwort „Erdbeben Türkei und Syrien“
Spendenkonto DE62 3702 0500 0000 1020 30
Oder online unter www.aktion-deutschland-hilft.de
Spendenkonto von „Ärzte der Welt“
Stichwort: „Not- und Krisenhilfe Türkei/Syrien“
IBAN: DE06 1203 0000 1004 3336 60
BIC: BYLADEM1001
Online-Spenden bitte unter www.aerztederwelt.org