Am Ende des Rohrs steckt ein Ring, ein Induktionsring. Er wärmt den Stahl – auf120 Grad. "Das ist fürs Schweißen notwendig", sagt Steffen Kranz. Der 49-Jährige ist der Bauleiter. Er arbeitet für Gascade, Bauherr und Betreiber der Erdgaspipeline Eugal. Kranz ist verantwortlich für zwei insgesamt 63 Kilometer lange Abschnitte. Ab 2020 soll die Pipeline russisches Erdgas von der Ostsee durch Brandenburg nach Tschechien transportieren.
Der Acker zwischen Klosterdorf und Prötzel (Märkisch Oderland), über den sich die Baukolonne gerade schiebt, liegt fast in der Mitte der 480 Kilometer langen Leitung. Sie besteht aus zwei Strängen. Der erste ist in Brandenburg schon fast vollständig vergraben. Bei Prötzel entsteht bereits der zweite Strang. Dutzende der 18 Meter langen Rohre mit einem Durchmesser von 1,80 Meter liegen auf dem Sand. Sie werden auf dem Feld miteinander verschweißt.
Vier Krane rollen hintereinander durch den Sand. Jeder setzt ein weißes Zelt an die Stellen, an denen zwei Rohre aneinanderstoßen. Unter den Zeltplanen steckt Schweißgerät. Automaten fahren mit blauer Flamme um die Enden und fügen sie zusammen. Vier Mal muss eine Naht geschweißt werden. Vier Mal wird ein neues Zelt über die Nahtstelle gestülpt. So schiebt sich die Krankolonne vorwärts, begleitet von einem Mann mit blau-gelber Arbeitsweste. "Das ist der Tüv", sagen die Bauleute.
Uwe Lindner ist auch ein Tüv, der Umwelt-Tüv. Der Berliner Biologe nennt sich ökologischer Baubegleiter. Er arbeitet für ein Ingenieur-und Planungsbüro aus Moers. Lindner ist dafür zuständig, dass Zauneidechsen nicht von den Raupenketten der Krane zermalmt werden, Greifvögel ungestört brüten können, keine gefährlichen Stoffe in Gewässer geraten. "Wir schauen, dass die Vorgaben des Natur- und Artenschutzes eingehalten werden",sagt er. Welche das sind, schreibt der Planfeststellungsbeschluss – quasi die Baugenehmigung – vor. Lindner kontrolliert zum Beispiel, ob die Schutzzäune in Ordnung sind, die die Eidechsen davon abhalten, auf die Baustelle zu laufen. Bei den letzten Starkregen sind einige beschädigt worden. "Wir müssen viel vorausschauend arbeiten", sagt er. So sind im Vorfeld Hunderte Ameisenhaufen umgesetzt worden. Weil Greifvögel während der Brut nicht gestört werden dürfen, seien Horste in der Nähe der Baustelle abgedeckt worden, damit sich die Vögel dort nicht niederlassen. Dafür wurden etwas weiter entfernte Ersatzhorste angelegt, beschreibt er. Auch auf die Bauarbeiten am Stöbberbach in der Nähe hat er ein Auge. Dort wird ein Mini-Tunnel aus Betonrohren tief unter der Sohle des Gewässers gebohrt, durch den später die Gasrohre geschoben werden. Das soll für das Feuchtgebiet schonender sein, als wenn ein offener Graben hindurchgezogen würde.
Institut nimmt Wasserproben
Zu Lindners Job gehört auch zu kontrollieren, wo Grundwasser von der Baustelle in Gewässer eingeleitet wird. Das ist für Gascade gerade ein heikles Thema. Das Unternehmen steht im Verdacht, für ein Fischsterben in der Schwarzen Elster verantwortlich zu sein, weil zu saures Grundwasser in den Fluss floß. Allerdings ist die Schuldfrage derzeit unklar – die Schwarze Elster ist durch Bergbau-Abwässer belastet, führte in letzter Zeit zu wenig und zu warmes Wasser. Gascade sieht sich zu Unrecht in ein schlechtes Licht gerückt, wie Unternehmenssprecher George Wüstner deutlich macht. Grundwasser werde nur mit Genehmigung in Gewässer eingeleitet. Ein Institut aus Kassel nehme Proben, heißt es. Die Untere Wasserbehörde gebe die Einleitung dann jeweils frei. Auch die Menge werde dokumentiert. Lindner schaut vor Ort, wie das Einleiten abläuft, erzählt er. Der ökologische Baubegleiter findet, dass der Trassenbau der Umwelt an mancher Stelle sogar Vorteile bringt. Nämlich dort, wo reiner Kiefernwald verschwindet. Über den vergrabenen Rohren entsteht ein 40 Meter breiter Schutzstreifen, der von Bäumen freigehalten werden muss. Eine Chance für Trockenrasen und Hecken. "Da finden sich dann später viele Arten wieder, die diese offenen Landschaften brauchen", argumentiert Lindner.
Auf den Feldern hingegen können die Bauern über Eugal später wieder ackern. Den abgetragenen Mutterboden packen die Bauleute dafür zur Seite. Er zieht sich als Wall neben der schwarzen Schlange aus Rohren durch die Landschaft.
Bauleute als Dauercamper
Ein paar Wochen werden die Rohre hier so liegen, erzählt Bauleiter Steffen Kranz. Dann rücken die Bagger an. Sie heben Gräben aus, etwa 2,60 Meter tief, zwei Meter breit an der Sohle und 4,50 Meter am oberen Rand. Da hinein werden die Rohrschlangen von Baggern versenkt. 700 Meter ist ein verschweißter Trassenabschnitt lang. Im Graben müssen die Abschnitte noch einmal verschweißt werden – zur einem gewaltigen Ganzen. Zum Schluß begräbt märkischer Sand die Gas-Schlange. "Die größte Herausforderung ist die Logistik", sagt Kranz. Der gebürtige Geraer kam 2015 zu Gascade. Auf seiner Baustelle arbeiten drei große Unternehmen. Denys aus Belgien, Anton Meyer und Vorwerk aus Norddeutschland. Die Bauleute kommen aus Italien, Frankreich, Dänemark, der Türkei.
Von sieben bis 18 Uhr dauert ein Tag auf der Baustelle. Nach der Arbeit fahren die Männer in ihre Quartiere – Hotels, Ferienwohnungen. Manche richten sich für ein Jahr auf Campingplätzen ein. "Die Landschaft hier ist schön", sagt der Belgier Wouter. In der Freizeit fahren sie nach Berlin, erzählt er. Oder an einen der Seen. Manche ziehen von Großbaustelle zu Großbaustelle, so wie Stéphane. Der Franzose hat schon in Griechenland und in Saudi Arabien gearbeitet. "Da war es heißer."