Corona-Pandemie, Inflation, Energiekrise und Probleme bei Lieferketten und Rohstoffen: Langsam kommen die Jahre der Krise auf dem Arbeitsmarkt an. Zwar ist die Arbeitslosenquote traditionell mit Beginn des Frühlings zum Vormonat um 0,1 Prozent gesunken, am 31. März 2023 sind durchschnittlich 6,0 Prozent der Menschen landesweit arbeitslos. Doch die Quote liegt sowohl im Norden, Osten und im Süden Brandenburgs höher als noch vor einem Jahr. Im März 2022 betrug die Arbeitslosenquote im Norden Brandenburgs (Oberhavel, Prignitz, Ostprignitz-Ruppin und Havelland) im Schnitt 5,3 Prozent. In diesem Jahr sind es 6,0 Prozent. Ähnliche Trends verzeichnen die Arbeitsagenturen im Süden und Osten Brandenburgs.
Jochem Freyer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit in Frankfurt (Oder) beschreibt den Arbeitsmarkt als robust, aber aktuell ohne Dynamik. „Die Unternehmen halten an ihren Mitarbeitern fest, agieren bei Einstellungen jedoch vorsichtig.“ So seien die offenen Stellen Vergleich zum Vorjahr um 260 gesunken.

Gestiegene Arbeitslosenquote liege auch an Zuwachs durch Geflüchtete

Das steht im Kontrast zu den Nachrichten der vergangenen Woche. Das Statistikamt meldete kürzlich, Brandenburgs Wirtschaft sei mit 3,3 Prozent fast um das Doppelte des Bundesdurchschnitts (1,8 Prozent) gewachsen. Zudem verzeichnete die Wirtschaftsförderung Brandenburg Rekordinvestitionen. Laut Jochem Freyer bestehe darin jedoch kein Widerspruch. Eine Ansiedlung wie beispielsweise Rock Tech in Guben sei erst einmal ein positives Signal. Doch vom ersten Spatenstich bis zur Einstellung von Mitarbeiterin vergehe Zeit.
Ein weiterer Grund für den leichten Anstieg der Arbeitslosenquote sei die Aufnahme geflüchteter Menschen, insbesondere seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. Im Agenturbezirk Cottbus erhöhte sich beispielsweise die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Ausländer um 76,5 Prozent.

Tesla sorgt für sattes Plus bei den Beschäftigtenzahlen

Für den weiteren Verlauf des Jahres geht Jochem Freyer von einem „kleinen, aber moderatem Anstieg“ der Arbeitslosenzahlen vor der Kulisse der Vorjahreszahlen aus. „Aber es scheint so, als verbesserten sich die Rahmenbedingungen wieder.“ Etwa lösten sich zunehmend Probleme bei den Lieferketten. Sollten keine neuen negativen Ereignisse auftreten, rechnet der vorsitzende Geschäftsführer mit einer sich langsam entfaltenden, positiven Entwicklung. „Aber die Einschnitte in der Vergangenheit sind noch nicht weg.“
Bei der Zahl der sozialpflichtig Beschäftigten zeigt die Bilanz einen erfreulichen Trend. Zum letzten Quartalsstichtag Ende September 2022 waren es 7404 mehr Beschäftigte als noch im Vorjahr. „Das ist ein sattes Plus“, so Freyer. Im Wesentlichen liege dies an der Tesla-Ansiedlung in Grünheide. Das Werk beschäftigt mittlerweile über 10.000 Mitarbeiter.

Unternehmen sollten mehr Praktika anbieten

Derweil beginne bei den Unternehmen langsam die heiße Phase der Entscheidung, wer ab September eine Ausbildung bei ihnen anfangen wird. Den Arbeitsagenturen in Ostbrandenburg (Frankfurt, Märkisch-Oderland und Oder-Spree) wurden knapp 1800 offene Stellen bei der Berufsausbildung gemeldet. Wiederum wurde die Berufsberatung bislang nur von 1550 jungen Menschen aufgesucht. „Das ist ein Indiz dafür, dass viele Betriebe, die ausbilden wollen, längst nicht alle einen jungen Menschen bekommen werden“, so Freyer. Der Arbeitsagentur in Cottbus wurden 3415 Stellen für Azubis gemeldet, während es im Norden Brandenburgs 2523 sind.
Die Agenturen für Arbeit in Ostbrandenburg wollen daher eine Praktikumsoffensive in den nächsten Jahren starten, damit Jugendliche sich neue Berufsbilder erschließen. „Das bedingt auch, dass Betriebe Praktikumsstellen anbieten“, mahnt Freyer, der damit nicht zwingend die Schülerpraktika meint. Der Königsweg sei es, Praktika in Form von Schnuppertagen anzubieten, die durchaus auch kürzer sein könnten. „Man bekommt gegenseitig einen Eindruck voneinander. Doch die Betriebe müssen es anbieten.“