In Brandenburg an der Havel ist es kurz vor Weihnachten zu einem tragischen Vorfall gekommen. Ein dreijähriger Junge starb, obwohl ein Notruf abgesetzt wurde.
Handelt es sich in diesem Fall um eine Fehleinschätzung oder einen dramatischen Fehler? Können sich die Disponenten der Leitstellen allein auf die Angaben der Anrufenden verlassen oder entscheiden sie unabhängig davon, anhand von Schlagworten?
Dreijähriger stirbt trotz Notruf
Nach Berichten der Märkischen Allgemeinen wurde die Leitstelle in Brandenburg/Havel in der Nacht vom 21. Dezember kontaktiert und dennoch entschied sich der Disponent gegen das Entsenden eines Rettungswagens, da sich im Verlauf des Gesprächs ein Familienmitglied des Kindes einmischte, dass es dem Jungen schon besser gehe.
Am folgenden Tag wurde der Notruf erneut gewählt, es wurde ein Rettungswagen geschickt, doch die Retter fanden das Kind nur noch leblos vor. Der Junge wurde anschließend in ein Klinikum gebracht und dort für tot erklärt. Laut dem Medienbericht soll das Kind an einem Herzfehler gelitten haben.
Muss bei Notfällen mit Kindern immer ein Rettungswagen kommen?
Die Disponenten der Leitstellen in Brandenburg sind dazu ausgebildet, dass sie selbstständig entscheiden können, welche Mittel zu den jeweiligen Situationen der Notrufe passen. Daher ist es nicht zwingend erforderlich gewesen, dass der Leiter der Dienststelle über die Situation informiert werden müsse.
Dabei entscheiden sie unter anderem anhand von Schlagworten, Schlüsselbegriffen und Angaben der Anrufenden. Ein Notarzteinsatz ist dann erforderlich, wenn sich „... Hinweise auf eingetretene oder unmittelbar drohende akut lebensgefährliche Störungen der Vitalfunktionen ergeben und eine unmittelbare notfallmedizinische Behandlung geboten ist, um Lebensgefahr oder schwere bleibende Gesundheitsschäden abzuwenden“, so der Sprecher des Gesundheitsministeriums, Gabriel Hesse, auf Anfrage der MOZ.
Notrufabfragesystem in den Leitstellen
Die Leitstellen in Brandenburg greifen alle auf dasselbe Abfragesystem (NOAS) zurück, um die Hintergründe eines eingehenden Notrufs einordnen zu können. Dabei hängt die Entscheidung eines möglichen Einsatzes von den Ergebnissen dieses Systems ab. Liegt eine lebensbedrohliche Situation vor, wird neben dem Rettungswagen auch ein Notarzt involviert. Hierfür gilt laut Gabriel Hesse der „Erlass des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg zur Darstellung der Indikatoren für einen Notarzteinsatz“ Dieser Notarztindikationskatalog ist die primäre Dispositionsgrundlage.
Erfahrungsbericht Notruf mit Kindern
Laut Aussagen eines Mitarbeitenden einer Brandenburger Regionalleitstelle sei bei Notfällen mit Kindern und Minderjährigen immer besondere Vorsicht geboten. Es werde in fast allen Fällen Rettungswagen geschickt. Die Disponenten seien in der Regel besonders vorsichtig und schickten eher direkt einen Notarzt mit. Wer einen Notruf entgegennimmt, müsse darauf vertrauen, was die Personen mitteilen. Die Disponenten sehen die Patienten nicht mit eigenen Augen und sind auf die Aussagen am Telefon angewiesen.
Ähnliche, tragische Vorfälle aus den vergangenen Jahren, wie der Tod des dreijährigen Jungen aus Brandenburg an der Havel, seien dem Mitarbeitenden der Regionalleitstelle kaum bekannt. Die Kolleginnen und Kollegen seien eher vorsichtig und hielten sich zusätzlich an das allgemeine Abfragesystem. Besonders kompliziert wird es, wenn in Fällen wie in Brandenburg (Havel) unterschiedliche Informationen an die Disponenten durch die Anrufer weitergegeben werden.
Erfahrener Disponent in Brandenburg/Havel
Bei dem Mitarbeiter der Leitstelle in Brandenburg an der Havel soll es sich laut dem Medienbericht um einen erfahrenen Disponenten handeln. Trotz seines guten Rufs habe er sich gegen das Entsenden eines Rettungswagens entschieden. Nachdem er von den Anrufenden die Information erhalten habe, dass es dem Kind bereits besser gehe, habe er die Personen aufgeklärt, dass sie jederzeit die bundesweite Rufnummer 116 117 kontaktieren könnten, sobald sich die Situation verschlechtert.
Aufklärung des Vorfalls in Brandenburg/Havel
Laut Berichten der MAZ versucht die Leitstelle der Stadt Brandenburg an der Havel den Vorfall kurz vor Weihnachten genau aufzuklären. Zudem sei, laut unterschiedlicher Quellen, ein Ermittlungsverfahren gegen den entsprechenden Disponenten aufgenommen worden. Allgemein werden die Gespräche mit den Leitstellen aufgezeichnet.
Der betroffene Disponent der Leitstelle wurde von seinem Dienst freigestellt. Wie Gabriel Hesse der MOZ bestätigt, hat das Ministerium auch erst durch die Medienberichte von dem Vorfall erfahren und umgehend Kontakt mit der Leitstelle aufgenommen. Das Einsatzprotokoll wurde übermittelt, die Überprüfungen laufen. Das Gesundheitsministerium Brandenburg hat die Fachaufsicht über die Leitstellen.
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