Am Karfreitag – dem Tag, an dem laut dem Neuen Testament Jesus ans Kreuz geschlagen wurde – ist Pfarrer Rafał Mocny aus dem polnischen Grenzort Słubice manchmal ein klein wenig neidisch auf die Deutschen: „Bei euch wird dieser Tag in aller Ruhe begangen. Alle Geschäfte sind geschlossen.“ In Polen dagegen herrscht zumindest rein äußerlich der normale Alltagslärm. Nicht nur die Geschäfte, sogar die Basare entlang der Grenze sind geöffnet. Eine Gelegenheit, die von besonders vielen Deutschen zum Einkaufen östlich von Oder und Neiße genutzt wird.
Doch dann sucht der polnische Geistliche, der auch als Seelsorger für die katholischen Studierenden an der Frankfurter Europa-Universität tätig ist, nach einem Gleichnis mit der Bibel. „Jesus musste sein Kreuz ja auch durch die geschäftigen Straßen und Gassen von Jerusalem tragen und für viele Augenzeugen war das damals zunächst nur ein Spektakel. Nicht umsonst waren ja seine letzten Worte am Kreuz: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Eine Kerze, die von Ostern bis Pfingsten brennt: Pfarrer Dr. Rafal Mocny aus Słubice ist als katholischer Studierendenseelsorger für die Europa-Universität Viadrina tätig. Für ihn ist Karfreitag wie für die meisten Polen ein ganz besonderer Tag, selbst wenn es kein offizieller Feiertag ist.
Eine Kerze, die von Ostern bis Pfingsten brennt: Pfarrer Dr. Rafal Mocny aus Słubice ist als katholischer Studierendenseelsorger für die Europa-Universität Viadrina tätig. Für ihn ist Karfreitag wie für die meisten Polen ein ganz besonderer Tag, selbst wenn es kein offizieller Feiertag ist.
© Foto: Dietrich Schröder

Vom letzten Abendmahl bis zur Auferstehung

Für die Gläubigen ist die Erinnerung an das dreitägige Geschehen vom letzten Abendmahl am Donnerstag der Karwoche bis zur Auferstehung am Ostersonntag dagegen der größte Beleg für ihren Glauben. Die Messe am Donnerstagabend steht im Zeichen des Brotes und des Weines, den Jesus zum letzten Mal mit seinen Jüngern teilte. Es werden auch die Füße von zwölf Gläubigen gewaschen, so wie es Jesus mit seinen Jüngern tat, um ihnen zu zeigen, dass sie auch ohne ihn eine Gemeinschaft bilden sollten.
Der kommende Tag, an dem Jesus laut der Überlieferung gegen 15 Uhr am Kreuz starb, galt im Christentum zwar schon früh als ein Tag der Abstinenz und der Reinigung, mit dem man sich auf die Auferstehung vorbereiten sollte. Er war aber bestenfalls nur ein halber Feiertag, der ganz im Zeichen des Gedenkens an die Leiden steht, die Jesus am Kreuz auf sich nahm, um die Sünden und Schuld aller Menschen zu tilgen. Auch in anderen Ländern, in denen der katholische Glaube stark verbreitet ist – etwa in Italien und Frankreich – ist der Karfreitag auch kein Feiertag.

Luthers „guter Freitag“

Weil insbesondere Martin Luther dem „Guten Freitag“ eine besondere Bedeutung zu maß (die Silbe „Kar“ stammt vom lateinischen „carus“ ab, das für „lieb“, „gut“ oder „teuer“ steht) wurde er in Regionen, in denen die Reformation stark war, ab dem 16. und 17. Jahrhundert allmählich zum Feiertag.
Eine Messe gibt es an diesem Tag nicht, stattdessen werden in vielen katholischen Kirchen Kreuze in das Zentrum gerückt und daneben ein Grab gestaltet. „Viele Polen kommen nach der Arbeit in die Kirche, um dieses Kreuz zu ehren, manche halten auch einige Stunden Nachtwache am Grab“, berichtet Pfarrer Mocny.
Am Ostersamstag lassen die Gläubigen dann Körbe mit den Speisen weihen, die sie zum Fest der Auferstehung verzehren wollen. Und bei der Mitternachtsmesse in der Nacht zum Sonntag wird das Wunder der Auferstehung gefeiert, nach der Jesus zum ersten Mal seine Wiederkehr verkündete.
Hinweis: Der Text stammt vom 14. April 2022. Weil er weiter auf großes Interesse stößt, wurde er geprüft, aktualisiert und noch einmal veröffentlicht.
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