„Eine radioaktive Wolke zieht auf Europa zu“, behauptete Nikolaj Patruschew, der Chef des russischen Sicherheitsrats am vergangenen Freitag (19.05.). Die Wolke sei entstanden, nachdem eine russische Rakete in der Westukraine ein Waffenlager mit abgereicherter Uran-Munition aus dem Westen getroffen habe.
In Polen sei bereits ein Anstieg radioaktiver Strahlung festgestellt worden – die gezielten Falschaussagen Patruschews verbreitete die russische Agentur RIA Novosti auf der Website von „Radio Sputnik“. Obwohl ukrainische und polnische Behörden sogleich dementierten und Entwarnung gaben, dass ungewöhnliche hohe Strahlung gemessen wurde, beunruhigte das Thema noch am Dienstag (23.5.), etwa in Eisenhüttenstadt die Gemüter. In Telegram-Chatkanälen hat es die Runde gemacht.

Pilzförmige Rauchwolke auf Bildern zu sehen

Patruschews Behauptung wurde in Sozialen Medien weitergereicht und oft kombiniert mit Bildern einer Explosion dargestellt, die eine riesige pilzförmige Rauchwolke zeigen, die Assoziationen an Hiroshima wachwerden lässt. Zur Klärung vorab: Abgereichertes Uran ist zwar radioaktiv und wird in Munition verwendet, aber die Strahlung ist so gering, dass keine Gefahr für Gesundheit oder Umwelt besteht. Zu diesem Fazit kam ein Expertengutachten 2010, das das Europaparlament in Auftrag gegeben hatte. Diese in die Ukraine gelieferte Munition wird – anders als angereichertes Uran – nicht für den Einsatz von Atomwaffen verwendet, wie es Russland schon in der Vergangenheit suggeriert hat.
Wie die Deutsche Presseagentur nachprüfte (Stand 22.5.), schlugen am 13. Mai mehrere russische Drohnen in der westukrainischen Stadt Chmelnyzkyi ein. Die Explosionen verursachten große Rauchwolken. Dass dort ein Waffenlager getroffen wurde, hat die ukrainische Armee wie üblich nicht bestätigt. Nur ein älterer ukrainischer Zeitungsartikel weist darauf hin, dass es dort zumindest vor Jahren ein Waffenlager gegeben hat.

Polnische Atomenergiebehörde: Konzentration erhöht sich minimal nach Regenfällen

In den Tagen kursierten in Sozialen Netzwerken Informationen über Strahlenmesswerte in Chmelnyzkyi und in Lublin in Ostpolen, 360 Kilometer westlich vom Einschlagsort. Es wurde behauptet, dass dort hohe Werte des radioaktiven Elements Wismut (auch: Bismut) und der von ihnen ausgehenden Strahlung gemessen worden seien.
Die polnische Atomenergiebehörde PAA teilte mit, dass dieses Element natürlich vorkomme und dass die Konzentration tatsächlich geringfügig höher sei, was die Behörde auf den Regen am 15. Mai zurückführt, die das Element vom Boden aufwirbele. „Die Werte sind niedrig und keine Gefahr für Leben und Gesundheit“, so die polnische Behörde. Auch die Universität Lublin sprach von einem Zusammenhang zwischen Regenfällen und den Messwerten.
In der Westukraine dementierte die Militärverwaltung – es gibt im Krieg keine andere öffentliche Verwaltung als die Militärverwaltung – ebenfalls, dass Strahlenwerte von der Norm abwichen und warnte vor gezielter Desinformation. In russischen Telegram-Kanälen zirkulierte ein angebliches Dokument des ukrainischen Gesundheitsministeriums, in dem vor erhöhter atomarer Strahlung gewarnt wird – laut ukrainischen Behörden ist es gefälscht.

Gefaktes Dokument des ukrainischen Gesundheitsministeriums

Dpa schließt: „Belege für die Echtheit des Dokuments gibt es nicht. Ebenso fehlen Belege für die Behauptung, dass in Chmelnyzkyj Uran-Munition gelagert und zerstört worden sei.“
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Die polnische Atomenergiebehörde meldet seit Freitag täglich aktuell, dass es keine Normüberschreitungen in Bezug auf Strahlenwerte gibt. Der Staatssekretär des polnischen Ministerpräsidenten Morawiecki und Beauftragter für die Informationssicherheit, Stanisław Żaryń, warnt auf Twitter seit Tagen vor Desinformation und „notorischer Verbreitung von Propaganda“ aus Russland.