Nicht weit von der Grenze zu Polen liegt die PCK Raffinerie in Schwedt. Die riesige Produktionsstätte für Benzin und andere Kraftstoffe ist für viele polnische Großhändler ein bevorzugter Lieferant. Gerade in den Grenzregionen der Woiwodschaften Lubuskie und Zachodniopomorskie dominiert insbesondere Diesel aus der PCK Raffinerie das Angebot.
Allerdings handelt es sich bei diesen strukturschwachen und bevölkerungsarmen Grenzregionen um Gebiete mit einem geringen Verbrauch an Kraftstoffen im Vergleich zu Zentral- und Südpolen. In Polen konzentriert sich der Kraftstoffverbrauch vor allem auf die südlichen und zentral gelegenen Woiwodschaften Mazowieckie, Śląskie, Dolnośląskie, Wielkopolskie und Małopolskie, die allein die Hälfte der Kraftstoffe in Polen konsumieren.

Import von Kraftstoff aus Brandenburg ist für Polen sehr wichtig

Auf der anderen Seite ist der Import von Kraftstoffen, darunter auch aus Deutschland, für Polen ausgesprochen wichtig. Im Jahr 2022 machte der Import 33 Prozent der in Polen verkauften Kraftstoffe aus. Der Präsident und Generaldirektor der polnischen Organisation für Erdölindustrie und -handel (POPIHN), Leszek Wiwała, teilte auf Anfrage dieses Nachrichtenportals mit, dass keine Statistiken über die Lieferungen von einzelnen deutschen Raffinerien aufgestellt werden.
Vielmehr sind die inländischen Raffinerien „nicht in der Lage, den gesamten Bedarf in Polen zu decken. Die PCK Raffinerie in Schwedt war deshalb in den vergangenen Jahren ein wichtiger Lieferant von Diesel. Aus der Sicht der gesamten Branche ist es aber schwierig, die Bedeutung einer einzelnen Anlage für den polnischen Kraftstoffmarkt zu beurteilen.“
Wiwała erklärte weiter, dass die PCK Raffinerie gerade wegen ihrer Nähe zur polnischen Staatsgrenze sehr gute Bedingungen für die Einfuhren aus Deutschland bietet: „Lieferungen per Schiff oder Bahn aus anderen deutschen Raffinerien sowie aus umliegenden EU- oder sogar Nicht-EU-Ländern sind aber ebenfalls möglich“, betonte Wiwała.

Polen will Beitrag zur Auslastung von PCK leisten

Aus polnischer Perspektive ist die volle Auslastung der PCK Raffinerie wichtig und Polen wiederholt auch bei jeder möglichen Gelegenheit die Bereitschaft, seinen Anteil an der Versorgungssicherheit des Werkes zu leisten. Eine klare Ansage in Richtung PCK machte auch der polnische Öllogistiker PERN: „Dank des Ölhafens in Gdańsk sind wir in der Lage, ohne russisches Rohöl auszukommen und – im Rahmen der verfügbaren Kapazität des Terminals – auch deutsche Raffinerien zu unterstützen. Das bedeutet eine weitere Nutzung des westlichen Abschnitts der Druschba-Pipeline nach Deutschland, die mit Rohöl aus Gdańsk gespeist werden soll“, erklärte das Unternehmen bereits Mitte Dezember 2022.

Polen stellt Bedingungen

Polen stellt nur eine klare Bedingung, die aktuell aber von den Partnern unterschiedlich kommuniziert wird. Die polnische Seite besteht auf der Enteignung der Geschäftsanteile an der Raffinerie, die aktuell dem russischen Konzern Rosneft gehören. Ohne diesen Schritt werde kein Erdöl, das für die PCK Raffinerie bestimmt ist, mit polnischer Unterstützung nach Deutschland gelangen.
Nach der Bekanntgabe der polnisch-deutschen Vereinbarungen in der zweiten Dezemberhälfte, bei der vereinbart wurde, dass über den Hafen von Danzig Erdöl nach Schwedt geliefert wird, betonte die deutsche Seite, dass die Enteignung aktuell kein Thema ist. Stattdessen sagte die polnische Umwelt- und Klimaministerin Anna Moskwa Anfang Januar in einem Radiointerview, „dass die Enteignung der Anteile, die Rosneft an der Raffinerie besitzt, eine Bedingung für weitere Gespräche mit Polen war und das ist auch passiert.“

Enteignung von Rosneft könnte zu späterem Zeitpunkt erfolgen

Der polnische Energieexperte und Chefredakteur des Fachportals Biznesalert Wojciech Jakóbik interpretierte die gegenteiligen Aussagen Polens und Deutschlands für die MOZ und kam zu dem Schluss, dass die Enteignung zwar nicht zum jetzigen Zeitpunkt stattfindet, aber zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen könnte.
In der Vergangenheit haben die Aussagen in Polen für Unverständnis gesorgt, die die Fortsetzung der Erdöllieferungen aus Russland trotz der Invasion Russlands in der Ukraine forderten. Argumentiert wurde dabei, dass die Raffinerie nur russisches Öl verarbeiten könnte. Der Rohstoffexperte Michał Paszkowski vom Institute of Central Europe ist anderer Meinung und betont dabei die technische Reife, die Effizienz und die vielfältigen Möglichkeiten der modernen Anlagen in Schwedt, die gut mit Beimischungen unterschiedlicher Erdöle umgehen könnten. „Es handelt sich um eine recht moderne Raffinerie und sie müssen nichts Spezielles ändern, um eine Erdölsorte, wie z.B. das kasachische Erdöl CPC Blend zu verarbeiten. Es stellt sich eher die Frage, womit es kombiniert wird, um mehr Output zu erhalten“, erklärte Paszkowski.
Der Experte hält das CPC Blend- Erdöl, das bald aus Kasachstan geliefert werden könnte, als Beimischung zu anderen Erdölen für praktikabel. „Die physikalisch-chemischen Eigenschaften, in Bezug auf Schwefel und Dichte, unterscheiden sich zwar von den anderen Erdölsorten, das kann aber über eine effiziente Beimischung durchaus ausgeglichen werden.“