Tesla wagt sich in die Höhle des Löwen – nach Deutschland, in die Heimat des Automobils. Allerdings geht der Elektroauto-Visionär Elon Musk, hierzulande lange verlacht, nicht in die klassischen Auto-Länder Baden-Württemberg, Bayern oder Niedersachsen. Und auch nicht an den nach der Wiedervereinigung aufgeblühten Produktionsstandort Sachsen. Berlin-Fan Musk hat sich für ein 300-Hektar-Gelände vor den Toren Berlins in Grünheide entschieden, das im Jahr 2001 noch im Finale des Wettkampfs um ein neues BMW-Werk Leipzig unterlegen war.
Dass all die Regionen aus Frankreich, Spanien oder Schweden, die um Tesla warben, nicht zum Zuge kommen würden, war schon länger klar. Dass aber Brandenburg Niedersachsen oder NRW aussticht, kann man als echte Überraschung bezeichnen. Die aus Sicht von Tesla allerdings Sinn macht. Plant Musk doch eine Kombination aus Produktion, wofür in Grünheide viel Platz zur Verfügung steht, und Entwicklung. Ein Design- und Entwicklungszentrum soll dazu in Berlin entstehen. Und Fachkräfte aus aller Welt kann man noch immer mit dem Namen Berlin locken. Englisch ist in der Stadt und in vielen Firmen gegenwärtig. Musk will für seine deutschen Produkte, zunächst für das SUV Model Y, nicht nur "Made in Germany", sondern auch "Made in Berlin".
Während ja in Deutschland über all das geklagt und gespottet wird, was in der Bundeshauptstadt nicht funktioniert, hat Berlin rund um die Welt ein Super-Image. Das soll sich auf Tesla übertragen. Und mehr deutsches Know-how hat Tesla, das weiß Musk sehr genau, nötig. Sein Unternehmen hat es zwar geschafft, Elektromobilität sexy und begehrenswert zu machen. Doch als man vom Nobelanbieter zum Massenhersteller wurde, nämlich mit dem Mittelklassewagen Model 3, geriet das zu einem monatelangen Desaster, zu einer "Produktionshölle", wie Elon Musk zugab. Auch mit Hilfe der aufgekauften Firma Grohmann aus Prüm (Rheinland-Pfalz), einem Spezialisten für Fertigungsstraßen, Zulieferungen von Bosch, ZF und Continental sowie von Audi abgeworbenen Managern bekam man die Probleme Stück für Stück in den Griff. Und entschied sich nun, mit zweijähriger Verspätung, für den nach Nevada, New York und Shanghai vierten Standort einer sogenannten Gigafactory.
Nicht umsonst lobt Musk die außergewöhnliche Qualität deutscher Ingenieurskunst. Der Hölle ist Tesla jedenfalls entronnen. Model 3 wurde zum wichtigsten Modell. Und entgegen aller Erwartungen konnte Musk für Tesla, wo jahrelang viel Geld verbrannt wurde, sogar einen 143-Millionen-Dollar-Gewinn im dritten Quartal präsentieren.
Für die deutschen Hersteller ist der Angriff von Tesla auf dem Heimatmarkt eine echte Herausforderung. Wobei sich aber Volkswagen bestätigt sehen kann. In Wolfsburg hat man alles auf eine Karte gesetzt – den batterieelektrischen Antrieb. Kommt Elektrovorreiter Tesla jetzt nach Deutschland, heißt das: Musk erwartet hier einen stark wachsenden Markt. Und auf den setzt auch VW. Konzernchef Herbert Diess lobt denn auch, Tesla sei wichtig, um der E-Mobilität zum Durchbruch zu verhelfen: "Elon zeigt, dass es funktioniert." Und: "Ich bin froh, dass Elon uns antreibt." Das darf man durchaus als Selbstkritik verstehen. Zu lange hat sich die erfolgsverwöhnte deutsche Branche auf die überragende Kompetenz bei Verbrennungsmotoren verlassen und sich angesichts der Defizite der E-Autos in Sachen Reichweite und Preis nur halbherzig auf die Elektromobilität eingelassen. Das hat sich geändert. Wenn auch Daimler und BMW nicht ganz so vehement wie VW umsteuern.
Tesla kann zudem der Zulieferindustrie, die in Krisenstimmung ist, Hoffnung geben. Denn solch ein Werk zieht immer Aufträge und Ansiedlungen im Zulieferbereich nach sich. Weshalb Alexander Schiersch vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung "die gesamte Zulieferindustrie hierzulande gestärkt" sieht.
Musk macht Nägel mit Köpfen
Ganz nebenbei macht Tesla auch noch in einem anderen Bereich Druck. Während in Deutschland angesichts der Abhängigkeit von asiatischen Zulieferungen immer nur davon gesprochen wird, eine Batterieproduktion in großem Maßstab aufzuziehen, will Musk in Grünheide Nägel mit Köpfen machen. Weshalb Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen bezweifelt, dass es jetzt noch Sinn macht, eine Milliarde Euro an Steuergeldern in eine deutsche Batteriefabrikation zu stecken. Dagegen erklärt das Bundeswirtschaftsministerium, beide Projekte stünden "nebeneinander und ergänzen sich".
Fakt ist: Klappt alles mit dem Werk, nimmt "die Elektromobilität mehr Fahrt auf als bei 100 Kanzlergipfeln in Berlin", wie Dudenhöffer betont. Und für Stefan Bratzel, Professor am Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, steht die erste ausländische Auto-Ansiedlung seit Jahrzehnten "symbolisch für die neue Automobilwelt und die Neuordnung der Branche".
Lesen Sie auch im Kommentar: Ina Matthes zu den Herausforderungen, die die Tesla-Ansiedlung bringt.

Der voraussichtliche Standort