Herr Bäcker, der Oktober war viel zu warm, am 1. November stieg das Thermometer in Brandenburg auf 19 Grad Celsius – geht der Sommer im Herbst weiter?
Nein, zum Glück nicht. Es kann nur kälter werden. Allerdings war es nicht das erste Mal, dass es Anfang November so warm war. Im Jahr 1968 hatten wir sogar 21 Grad.
Was war die Ursache für dieses sommerliche Wetter im Herbst?
Das lag an der Vielzahl von Tiefdruckgebieten, die über dem Ostatlantik und den Britischen Inseln gekreist sind. Normalerweise ist es so, dass Tiefdruckgebiete vom Atlantik über Deutschland hinweg ziehen in Richtung Russland. Auf der Vorderseite saugen sie die warme Luft vom Mittelmeer an und auf der Rückseite kommt von der Nordsee die kalte Luft. Das wäre der Normalfall – dann gäbe es den Wechsel zwischen warm und kalt. Wir hatten jetzt eine sogenannte Blockierungswetterlage – das heißt Hochdruckgebiet über Mitteleuropa. Die Tiefs lagen draußen auf dem Atlantik vor Spanien und Portugal – dort war es sogar zu kalt und zu nass für die Jahreszeit. Auf der Vorderseite dieser Tiefs strömte die subtropische Warmluft unablässig aus Marokko und Algerien über das westliche Mittelmeer zu uns. Kaltfronten aus Norden, die die Warmluft zurückgedrängt hätten, blieben chancenlos.
Wenn man nach zu kalten Jahren sucht, muss man weit zurückschauen
War es schon mal im Herbst so lange so warm?
Die wärmsten Oktobermonate seit 1881 gab es alle nach dem Jahr 2000. Daran erkennt man den Klimawandel. 2001 betrug die Monatsmitteltemperatur 12,6 Grad, 2022 hatten wir 12,5 Grad. Ähnlich warm waren die Jahre 2006 und 2014 mit 12,1 Grad Monatsmitteltemperatur. Wenn man nach zu kalten Jahren sucht, muss man weit zurückschauen. 1881 lag die mittlere Temperatur im Oktober bei 5,5 Grad Celsius. Das entspräche eigentlich einem November. Im Jahr 1922 waren es sogar nur 4,9 Grad. Den letzten kalten Oktober gab es bei uns im Jahr 2015 mit 8,2 Grad. In den vergangenen 23 Jahren waren 14 Oktobermonate zu warm.
Dazu kam die starke Trockenheit.
Es fiel nur 60 Prozent des normalen Regens – es war also viel zu trocken. Die Sonne schien dementsprechend zu viel: 139 Prozent der normalen Sonnenscheindauer wurden verzeichnet.
Die extreme Wärme ist vorbei
Was haben wir im November zu erwarten?
Das weiß niemand. Im Prinzip können wir davon ausgehen, dass wir die 20 Grad nicht noch einmal schaffen. Es wird nasser, windiger – die Wetterlage stellt sich um. Bis Mitte November strömt aus Westen immer noch milde Meeresluft zu uns – die extreme Wärme ist aber vorbei. Wie es danach wird, müssen wir abwarten.
Wegen der Energiekrise hoffen die Menschen auf einen warmen Winter. Gibt es da schon eine Tendenz?
Nach warmen Herbstmonaten gab es schon alles. Niemand weiß, wie der Winter wird – solch eine Vorhersage ist einfach unmöglich. Jeder kann mitraten, wobei die Trefferquote bei „zu warm“ im Zuge des Klimawandels deutlich höher liegt. Kalte Winter werden seltener. Das heißt aber nicht, dass sie komplett ausfallen. 2010 gab es einen sehr kalten Januar und Dezember und auch der März 2013 ließ uns die Ostereier im Schnee suchen. Es gibt immer wieder Rückfälle, und die sind auch dieses Jahr nicht auszuschließen. Rein statistisch müsste ein zu kalter Winter kommen. Aber das ist reine Spekulation.
Was bedeutet das für den Wasserhaushalt?
Wichtig wäre, dass wir unsere Grundwasserspeicher auffüllen können. Aus dieser Sicht wäre ein milder, verregneter, stürmischer Winter sowie ein nasses und kühles Frühjahr 2023 wünschenswert.
Zur Person
In Neuruppin im Jahr 1968 geboren, hat sich Donald Bäcker als Kind im Rekord-Winter 1978/79 erstmals intensiv mit dem Wetter beschäftigt. Die Region versank damals in meterhohen Schneeverwehungen.
Später absolvierte er die Ausbildung zum Technischen Assistenten für Meteorologie an der Wetterstation Neuruppin und in Potsdam.
Ab 1999 arbeitete er für die Wetteragentur von Jörg Kachelmann und präsentierte erstmals das Wetter für verschiedene Medien. Seit 2005 ist er der Wettermann des ARD-Morgenmagazins. Regelmäßig erscheint er auch auf dem Bildschirm für die Tagesthemen, ARD-Regional und das ARD-Vorabendwetter.