Tote Fische sind natürlich auch zu sehen, Karpfen, auf einem Gemälde von Theodor Rosenhauer von 1940. Das dramatische Fischsterben auf der Oder im August hat der Ausstellung des Museums für Moderne Kunst (BLMK) in der Frankfurter Rathaushalle noch einmal zusätzliche Dringlichkeit gegeben, als Fanal des gestörten Verhältnisses zwischen Mensch und Natur bzw. Tier.
Auch Austellungskurator Armin Hauer, der wie immer aus dem Vollen seiner Sammlung schöpfen kann bei der jährlichen Themenausstellung des BLMK, verliert seine gewohnte Zurückhaltung. Während er sonst gern die Bilder selbst sprechen lässt und sich hütet, sie mit kuratorischen Interpretationen zu überfrachten, blickt er nun nachdenklich auf Darstellungen von Stierkampf und Zirkus, auf Stilleben, Schlachtszenen und die vielen Hunde, Katzen, Vögel, Pferde.

Darf man heute noch Tiere essen?

Des Menschen liebster Gefährte stürzt den Betrachter heute in ziemliche moralische Dilemmata. Tierethik, Tierrechte, Seelenverwandtschaft verträgt sich schlecht mit unserer heutigen Lebensweise des Fast Foods und Konsums. Schon die klassischen Stilleben der Niederländer, an die zum Beispiel Günther Friedrichs berückend schöne Pastelle erinnern, kündete dem damaligen Betrachter nebenbei auch vom kommenden Festmahl, zu dem Fasane, Rebhühner, Enten etwas Besonderes waren.
Geradezu respektvoll erscheinen da noch die Szenen traditionellen bäuerlichen Lebens, wie sie die Fotografen Thomas Kläber und Werner Mahler zeigen. Sie künden von einem pragmatischen Verhältnis des Menschen zu seinem Nutztier, das gleichwohl von Respekt geprägt ist. Ein Junge, der ein Lamm mit der Flasche großzieht, während zwei Katzen ihn bewundern, ist als Momentaufnahme ebenso perfekt komponiert wie die Schlachtszene drei Bilder weiter. Und auch Joachim Richaus Bild eines Bauern mit seiner Kuh ist schon fast ein Freundschaftsbild.
Drastisch hingegen erscheint das Foto aus dem Schlachthaus von Gundula Schulze-Eldowy, das tiefrot leuchtende Blut, die abgeschnittenen Köpfe – ein Schockbild, eine Anklage, aber auch eine Hymne an die Erhabenheit des geschlachteten Tiers. Auch der Fasan auf dem großformatigen Gemälde von Jürgen Wenzel ist ein erschreckendes Memento Mori, halb gerupft, blutig, wahrscheinlich erdrosselt. Zynischer hingegen die Installation von Susanne Weirich, in der sie eine Garage aus den Vororten von Los Angeles rekonstruiert, die sie 1996 gekauft hat – um dann festzustellen, dass der Vorbesitzer, ein LKW-Fahrer, überfahrene Tiere, „roadkill“, an die Wand genagelt und mit Sprüchen versehen hatte: „Kröte winkt zum Abschied“ heißt es da, oder „Rennkuckuck verliert ein Rennen“.
Susanne Weirich baut eine Garage aus Los Angeles nach, in der überfahrene Tiere aufbewahrt wurden
Susanne Weirich baut eine Garage aus Los Angeles nach, in der überfahrene Tiere aufbewahrt wurden
© Foto: Christina Tilmann
Natürlich tauchen Tiere auch als Metapher auf, als Fabelwesen, als Spiegelbild des Menschen – in dem Zyklus „Tiere und Menschen“ von Hans Grundig, der die Erfahrungen der NS-Zeit spiegelt, oder in dem politischen Kommentar auf Kriegsrecht und Aufstand in der Grafik „1982“ des polnischen Künstlers Jacek Sroka.
Cornelia Schleime, Siesta, 2007, Acryl, Schellack, Asphaltlack auf Leinwand
Cornelia Schleime, Siesta, 2007, Acryl, Schellack, Asphaltlack auf Leinwand
© Foto: Cornelia Schleime/Archiv BLMK
Doch selbst dort, wo der Mensch das Tier liebt und und als Haustier hegt, stellen sich unbequeme Fragen. Die Feier der Eleganz, der Schönheit und Kraft, von der die Bilder im Kapitel „Schönes Tier – Wildes Tier“ höchst eindrucksvoll künden, zeigten gleichwohl Tiere in Gefangenschaft oder Domestizierung: „Wo findet man in Dresden schon eine Hyäne“, fragt Hauer, und erkennt die Traurigkeit des gefangenen Raubtiers. Und wer weiß, ob Cornelia Schleimes Großformat der hechelnden Hunde bei der „Siesta“ nicht lieber weitergejagt hätten. Der Cottbuser Günther Rechn immerhin bringt seinen Hund zum Fliegen, während die Landschaft unter ihm verschwimmt. Ironisch gewendet ist Jan Brokofs Collage einer Straße aus dem Blickwinkel eines Hundes: kein schöner Anblick, was da alles rumliegt.

„Wa(h)re Tier“ in der Rathaushalle

Die Ausstellung eröffnet am Sonntag (4.9.) um 11.30 Uhr und ist dann bis 6. November in der Rathaushalle in Frankfurt (Oder) zu sehen. Insgesamt werden 110 Werke von 81 Künstlern und Künstlerinnen gezeigt.