Er hat an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert und starb dabei, als er seinen Abschlussfilm drehte. Nicht in der Ukraine, sondern in einem Wald zwischen Köln und Aachen, dem Hambacher Forst. Nun ist Steffen Meyn ein Dokumentarfilm gewidmet, der auf der Berlinale in der „Perspektive Deutsches Kino“ läuft.
„Vergiss Meyn nicht“ kombiniert die 360-Grad Aufnahmen von Steffen Meyns Helmkamera mit Interviews, die erst nach seinem Tod gedreht wurden. Dazu hat das Regietrio aus Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff mit jungen Menschen gesprochen, die als Aktivist:innen das Abholzen des Hambacher Forsts durch den Energiekonzern RWE verhindern konnten. Und auch wenn der Film ein paar Längen hat und ein, zwei Interviewpartner weniger ihm gutgetan hätten, geht das Konzept am Ende auf: Denn die Dokumentation konfrontiert das Publikum mit den ganz unterschiedlichen Motiven der Bauhausbewohnenden und gewährt dabei einen Blick in die Umweltszene.
„Für mich war das so ein Moment, wo alles angehalten hat“, sagt eine der Aktivistinnen gleich zu Beginn des Films. Der Moment, von dem sie spricht, ist der Tod des 27-jährigen Steffen Meyn. Er stürzte von einer Hängebrücke in 20 Metern Höhe, als er filmen wollte, wie mehr als 3000 bewaffnete Polizisten und Einheiten des SEK die etwa einhundert Baumhaus-Bewohnenden zum Verlassen des Waldes zwingen wollten. „Er ist bei Bewusstsein“, ruft ein Polizist, der sich dem Verletzten rennend nähert. „Alles wegen euch, ihr seid Mörder!“, schrillt es aus den Baumhäusern.
Diskussionen auch innerhalb der Aktivisten-Szene
Wie weit Aktivismus gehen darf und muss, diese Fragen seziert der Film – eine eindeutige Antwort darauf gibt er nicht. Stattdessen lädt er dazu ein, verschiedene Menschen mit ihren Motiven kennenzulernen. „Eigentlich habe ich nach etwas gesucht, das eine Antwort gibt darauf, worauf Kleinfamilie und geregelter Job keine Antwort gegeben haben“, sagt eine der Umweltschützerinnen. Sie war Teil einer großen Gemeinschaft, in der vieles geteilt wurde und die Aktiven sich gegenseitig unterstützt haben. Doch auch Menschen aus der anarchistischen Szene oder mit psychischen Erkrankungen kehrten der Gesellschaft den Rücken und zogen für Monate bis Jahre in Baumhäuser. Das sorgte auch innerhalb der Gemeinschaft für Sprengstoff.
Besonders deutlich wird dies, nachdem die Umweltschützenden Barrikaden gebaut und Krähenfüße ausgelegt haben: Während die einen friedlich mit einem Beamten sprechen, um einen Kompromiss auszuhandeln, flippen andere beim Wort Polizist sofort aus und beginnen, den Mann aggressiv zu beschimpfen.
Zu Beginn der Dokumentation sagt eine Stimme aus dem Off: „Wir haben mit unserem Leben gespielt. Denn es ist ein Privileg in Deutschland, dass ein menschliches Leben über allem drübersteht.“ War es richtig, die eigene Gesundheit für einen gesellschaftlichen Wandel zu riskieren? Diese Frage können am Ende nur die Lebenden beantworten.
„Vergiss Meyn Nicht“ läuft am 19.2., 16.30 Uhr, um Zoo Palast, am 20.2., 10 Uhr im Cubix 6 und 21.30 Uhr im Filmtheater am Friedrichshain und am 24.2., 15 Uhr im Kino im Zeiss-Großplanetarium.
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