Wer ist Boris Becker – ein herausragender deutscher Sportler, der den Tennis in seinem Land populär gemacht hat oder ein Betrüger, der selber schuld an seinem Absturz ist? Angesichts der Häme, mit der Becker in deutschen sozialen Medien seit seiner frühzeitigen Entlassung aus englischer Haft überzogen wurde, wirkt er wie der Prophet, der im eigenen Land nichts gilt.
Alex Gibneys hochunterhaltsamer, aber inkonsequenter Dokumentarfilm „Boom Boom – The World vs. Boris Becker“ konzentriert sich vor allem auf den Sport und mutmaßt, ob seine Einstellung zum (Tennis-)Spiel nicht auch für seinen Fall verantwortlich gewesen sei.
Die Zeit im Gefängnis kommt im Film nicht vor
Der Regisseur und Oscar-Preisträger hat für seinen Film viel Aufwand betrieben, dennoch hinkt er der Aktualität hinterher, denn er hat Becker zu Beginn seines Gerichtsprozesses vor drei Jahren und zwei Tage vor seinem Gang ins Gefängnis interviewt, nicht den Mann auf freiem Fuß.
Auch Beckers Entdecker und Ex-Manager Ion Tiriac kommt im Film ausführlich zu Wort, bezeichnet den Spieler als unermüdlichen Arbeiter auf dem Platz, aber auch als großes Kind. Schon als kleiner Steppke schwang „Bobbele“ auf baden-württembergischen Tennisplätzen gekonnt den Schläger. Archivbilder zeigen dies, ebenso wie den 11-Jährigen Boris, der für das schwedische Tennis-As Björn Borg schwärmt.
Ex-Kollegen und -Konkurrenten werden befragt
Borg, der seine Tenniskarriere beendete, bevor Becker Profi wurde, äußert sich genauso wohlwollend über den deutschen Spieler wie sein Ex-Konkurrent und jetziger Kumpel John McEnroe sowie Ex-Tennisstar Mats Wilander oder Beckers Ex-Frau Barbara. So alterniert der Film nach anfänglichen Bildern vom Rummel um Beckers englischen Prozess schließlich nur noch zwischen Interviewten, darunter Becker selbst, und sehr umfassenden Archivbildern.
Sie zeigen die Entwicklung Beckers vom hochehrgeizigen Teenager bis hin zum Champion. Mit nur 17 Jahren gewann er sein erstes Grand-Slam-Turnier, Wimbledon. Den dortigen Centre Court bezeichnet er bis heute als sein „Zuhause“. Es folgte eine regelrechte Boris-Manie. „Ja, es gibt jetzt mehr Mädchen“, bestätigt Becker lachend in der US-Talkshow von Johnny Carson. Alle wollen sein Autogramm, sogar einige Flitzerinnen stürmen für ihn die Tenniscourts.
Von Erfolg zu Erfolg - bis zu den Australian Open 1991
Es folgen sportliche und private Hochs und Tiefs. Der Film versieht sie mit Jahreszahlen und inszeniert den sportlichen Werdegang Beckers äußerst packend. Während Johnny Lee Hookers Song „Boom Boom“ in Anspielung auf Beckers Spitznamen als Leitmotiv fungiert, werden die Rivalen Beckers – darunter Ivan Lendl und John McEnroe – mit Ennio-Morricone-Musik eingeführt, Beckers Partien gegen sie mit Westernduellen verglichen. Der Film endet mit Beckers Triumph beim Australien Open 1991 und seinem Aufstieg zur Nummer eins der Weltrangliste. Doch Gibney ringt sich nur selten dazu durch, die ambivalentere Seite Beckers zu zeigen. Wie auch, wenn er offenbar ein freundschaftliches Verhältnis zu seinem Protagonisten pflegt?
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Sein Hang zum Risiko, im Match ganze Sätze zu verlieren, um dann später umso stärker zurückzukommen, macht Gibney auch verantwortlich für Beckers finanzielle Probleme. Dass Becker ein großartiger und mitreißender Sportler war, ist unbestritten, und Tennisfans werden viel Freude an dem Film haben.
Nicht zuletzt arbeitet er auch die Wechselwirkung von Psyche und Physis auf und wie die Hysterie um Beckers Person irgendwann sein Spiel beeinträchtigte, ihn abhängig von Schlaftabletten machte. „Ich habe privat kein normales Leben führen können“, sagte Becker auf der Berlinale denn auch auf der Pressekonferenz. Möge ihn die schmerzliche Erfahrung der Haft weiser und vorsichtiger gemacht haben.
„Boom! Boom! The World vs. Boris Becker“ läuft am 20.2. um 12.30 Uhr im Haus der Berliner Festspiele und am 23.2. um 13 Uhr im Cubix 7. Alles zur Berlinale finden Sie auf unserer Berlinale-Themenseite.