Jede einzelne hat eine Geschichte und einen Namen, mit dem sie sie anspricht. „Ja, ich rede mit den Figuren“, sagt Schwarzbach. Eine ganz besondere Geschichte hat die „Wetterfahne“, eine zierliche, etwa 20 Zentimeter große Skulptur aus Eisen, die in diesem Jahr an die sechs Preisträgerinnen und Preisträger des Brandenburgischen Kunstpreises der Märkischen Oderzeitung und der Stiftung Schloss Neuhardenberg verliehen wird. „Die Wetterfahne ist eine Collage aus Schrott, aus Zufall, aus Erinnerungen, eine Referenz an den Eisenkunstguss“, sagt Schwarzbach.

Eiserne Fahne, Königshocker, Schinkelteller und Katze

Um die Wende herum wollte sie ihrer Eisengießerei in Lauchhammer, im Süden Brandenburgs, beweisen, dass Eisen „ganz dünn fließen“ kann. „Damals konnte man so zerrissene Güsse noch nicht gut herstellen, weil die Technik veraltet war“, sagt sie. Trotzdem gelang es ihr, ein hauchdünnes, eisernes Fähnchen zu fabrizieren, das sie auf einem winzigen „Königshocker“ drapierte, einem kunstvollen, afrikanischen Figurenhocker.

Davon hatte Schwarzbach 1990 eine Reihe produziert und verkauft, nachdem sie mit dem Bildhauer Lutz Dölle das erste Berliner Eisenguss-Symposium ins Leben gerufen hatte, um den Katalog zu finanzieren. Der Miniatur-Königsstuhl steht auf dem Bruchstück eines Schinkeltellers. Der stammt im Original aus einer Schrottkiste der Lauchhammer Gießerei. Neben dem Hocker räkelt sich eine Katze. „Die Katz‘ steht für ein großes Fragezeichen. Sie blickt rätselhaft fragend in die Welt. Ich kann mich mit der Figur gut unterhalten“, erklärt Schwarzbach. Ihre Figuren, sagt sie, „entstehen durch das Zwiegspräch. Sie führen mich und sagen mir, wie sie richtig sind.“
Mit der „Wetterfahne“ gibt die Künstlerin, die im Erzgebirge als Tochter eines Bildhauers und Enkelin einer Schmiedin groß geworden ist, nicht nur dem „Schrott“ eine Bedeutung, sondern auch dem Eisen, das gegenüber der Bronze oft als minderwertig wahrgenommen werde, weil es rostet. „Eisen geht eine Verbindung mit der Umwelt ein, eigentlich ist es schon Teil der Natur, ein Grundelement des Lebens und es bringt sowohl Freude als auch Leid zum Ausdruck.“ Es sei das Material von Kriegswaffen wie auch von Gebrauchsgegenständen in der Landwirtschaft und nicht zuletzt der Kunst.

Von Rinderzucht über Architektur zur Kunst

Die Werkzeuge der autodidaktischen Künstlerin, die im ihrem Leben und Schaffen unbeirrt und zielstrebig zupackte, reichen von der Motorsäge bis zum Schweißgerät. Bronze- und Eisengießen brachte sie sich im selbst gebauten Guss-Ofen bei. Eigentlich hatte Schwarzbach in der DDR keine Genehmigung zum Gießen, doch die Bürokratie wusste sie zu umgehen, als sie sich in ihrer ersten Gießerei in Berlin-Weißensee ausprobierte. Bis sie dabei erwischt wurde, wie sie ohne Genehmigung zwei Teile eines fehlgeratenen Gusses kurzerhand selbst zusammenschweißte. „Dann habe ich von der Schweißerei Hausverbot bekommen“, gibt sie zu.
Eigentlich war Schwarzbach Architektin – und Rinderzüchterin. Die Arbeit im Kuhstall war Teil ihres Schulunterrichts im Erzgebirge und habe ihr gefallen. „Aber ich wusste schon früh, dass ich Architektur studieren will.“ Dafür ging sie nach der Schule an die Kunsthochschule in Weißensee; von 1973 bis 1975 arbeitete Schwarzbach als Architektin am Berliner „Palast der Republik“. Auch das gefiel ihr. Doch als sie den Auftrag bekam, eine Lagerhalle zu bauen, „hab‘ ich die Architektur hingeschmissen.“
Eigentlich sei die DDR „kein schlechter Auftraggeber“ gewesen, doch letztlich habe sie als Künstlerin nur „sich selbst rechenschaftspflichtig“ sein wollen. Als Schwarzbach und ihr Mann 1975 ihren ersten Sohn bekamen, begann sie mit Zeichnungen, Radierungen und der Bildhauerei, mit der sie 1977 Kandidatin, zwei Jahre später Mitglied des Verbands bildender Künstler wurde.
Ihr Verhältnis zur DDR war zwiespältig: Eine Zeit lang dachte sie über Ausreise nach, der entsprechende Antrag wurde genehmigt, doch letztlich entschied sie sich dagegen. „In den 80er-Jahren herrschte im Prenzlauer Berg eine große kreative Kraft. Es gab viele Lesungen und Ateliers – ich bin froh, diese Zeit in Berlin erlebt zu haben“, sagt sie.

Gießerei in Lauchhammer - ein Tribut an den Eisenguss

Zur Zeit der Wende, nach ihrem Rauswurf aus der Weißenseer Gießerei, fand Schwarzbach die Gießerei in Lauchhammer, mit der sie inzwischen fast dreißig Jahre ihres künstlerischen Schaffens verbindet und die sie als ihr „zweites Zuhause“ bezeichnet. Im 18. und 19. Jahrhundert sei Lauchhammer eine der bedeutendsten Eisengießereien Europas gewesen. „Niemand kann die kunstvollen Güsse von damals heute noch nachmachen. Das, was ich mache, ist nur eine ‚Referenz an das Eisen‘“, sagt die Bildhauerin.
Als Tribut an den Eisenguss baute Schwarzbach in den 90er-Jahren in Lauchhammer ein Kunstgussmuseum mit auf und reiste für Ausstellungen durch ganz Deutschland. Ihre Skulpturen stehen heute in Berlin und vielen anderen deutschen Städten; auch Medaillen, Zeichnungen und Radierungen gehören zum Repertoire der Künstlerin. Zu Schwarzbachs bedeutendsten Arbeiten gehören Altar, Taufbecken und Kanzel in der Neuen evangelischen Kirche in Berlin-Wartenberg.
„Die Geschichte der Wetterfahne ist mit dem Brandenburgischen Kunstpreis nun zu Ende“, sagt Schwarzbach. „Ich will sie nicht mehr ausstellen.“ Das Original will sie dem Lauchhammer Kunstgussmuseum geben. „Dann sollen andere sich mal Gedanken über sie machen.“ Vielleicht haben Fahne, Königshocker und Katze auch den zukünftigen Museumsbesuchern und den Kunstpreisträgerinnen ja noch das ein oder andere zu sagen.