In Letschin ist der offene, geteilte Arbeitsbereich ein Baustein eines größeren Projekts. Die zentral gelegene, in Weiß und Ocker gehaltene Alte Schule beherbergt ein Gründerzentrum, Büros und Räume, in denen sich unter anderem Keramik-Kurse, Chöre und der Dart-Club treffen. Ein Tagesticket für den Ende 2017 eröffneten Coworking-Bereich kostet zehn Euro inklusive Kaffee. Eine 20er-Karte ist für 100 Euro zu haben.
Großstadtmüde Berliner als Zielgruppe
"Es gibt Leute, die fast jeden Tag hier sind, andere einmal die Woche", erzählt Projektleiter Torsten Kohn. Angestellt ist er bei der Stic Wirtschaftsfördergesellschaft Märkisch-Oderland mbH. Denn der Coworking-Space ist kein kommerzielles Projekt, sondern Teil der Wirtschaftsförderung des Landkreises. Ein Ziel ist, Pendlerinnen und Pendlern eine Möglichkeit zu bieten, vor Ort zu arbeiten. "Das wird genutzt – aber nicht in dem Umfang, wie wir dachten", sagt Kohn und vermutet, dass viele Arbeitgeber nicht besonders angetan von der Homeoffice-Idee sind. Genutzt wird der Raum auch von Menschen, die am Wochenende im Oderbruch leben und freitags im Coworking-Space arbeiten. "Es gibt auch viele Anfragen von Berlinern, die sich mal eine Woche hier niederlassen wollen", erzählt Kohn. Das scheitere jedoch an fehlenden Übernachtungsmöglichkeiten.
Andernorts in Brandenburg wird so etwas angeboten – beispielsweise im Coconat in Klein Glien bei Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark), wo man "Workation Retreats" buchen kann, eine Mischung aus Arbeit und Urlaub auf dem Land.
Konzentrierte Arbeitsatmosphäre mit netten Gesprächen und nützlichen Kontakten – so lautet das Versprechen von Coworking-Spaces. In einer Arbeitswelt, in der viele Solo-Selbstständige und Kreative alleine mit sich und ihrem Computer sind, herrscht Flexibilität, aber auch die Gefahr der Vereinsamung.
Für Katrin Zabel geht die Idee auf. Die Statikerin arbeitet regelmäßig in der Alten Schule in Letschin. Es sei für sie besser, Arbeitsort und Zuhause zu trennen, sagt sie. Im Coworking-Space könne man einander kennenlernen, aber genauso gut für sich bleiben. "Meistens kommt man ins Gespräch", erzählt sie.
Zwei Etagen weiter oben hat Wilma Rippich ihr Atelier. Die Designerin und Schneiderin ist nach 20 Jahren in Berlin ins Oderbruch zurückgekehrt. "Ich habe gemerkt: Die Hektik der Stadt frisst mich auf." In ihrem großen, hellen Raum prangt ein großes Brett mit bunten Garnrollen, Zeichnungen hängen an den Wänden. Sie schätze das Miteinander und die familiäre Atmosphäre der Alten Schule. "Das hat mir geholfen, anzukommen und zu bestehen." Inzwischen kennen viele Menschen in der Umgebung ihr Atelier. "Ich wusste vorher nicht, ob es funktioniert, sich als Schneiderin und Designerin selbstständig zu machen", erzählt sie. Bei ihr hat die Rückkehr aufs Land geklappt. Weil das auch an die beruflichen Möglichkeiten geknüpft ist, bemüht sich der Landkreis, Existenzgründer wie Wilma Rippich zu unterstützen. Wenn das Leben auf dem Land attraktiv sein soll, braucht es Jobs. Selbst die flexibelsten Arbeitsformen benötigen ein Mindestmaß an Infrastruktur – meist eine gute Internetverbindung, wie sie in der Alten Schule in Letschin geboten wird.
Auch in Strausberg (Märkisch-Oderland) hat die Stic Wirtschaftsförderung im September einen Coworking-Raum mit sechs Arbeitsplätzen eröffnet. Hintergrund ist auch hier die Idee, Pendlern eine Möglichkeit zu bieten, vom Wohnort aus zu arbeiten. In einer ländlichen Umgebung wie Letschin könne sich so ein Konzept nicht selbst tragen, sagt Torsten Kohn. Kein Wunder also, dass Coworking-Spaces auch in Ostbrandenburg eher in Städten zu finden sind. In Eberswalde wurde im Mai 2018 die Thinkfarm eröffnet, eine Bürogemeinschaft, die mit zwei gleichnamigen Projekten in Berlin und Kiel zusammenarbeitet. Nutzer können dort einen eigenen Schreibtisch mieten, einen Arbeitsplatz teilen oder flexibel im Gemeinschaftsbereich arbeiten. Vor allem Solo-Selbstständige, aber auch Gewerbetreibende nutzten das, erzählt Sven Gumbrecht, Mitgründer der Thinkfarm. Bewusst werden Möglichkeiten des Austausches – vor allem zu sozialen und ökologischen Themen wie Nachhaltigkeit und Klimaschutz – geschaffen. Regelmäßig treffe man sich zum Mittagessen, wo sich auch neue Mieter vorstellen können. "Wir interessieren uns füreinander", sagt Sven Gumbrecht.
Vor allem an Hochschulstandorten scheint das Konzept zu funktionieren. In Frankfurt (Oder) gibt es bereits mehrere Coworking-Spaces. Das Blok-O wird im Auftrag der genossenschaftlich organisierten Sparda-Bank vom St. Oberholz geführt, das mit seiner Verbindung von Café und Arbeitsraum in Berlin erfolgreich ist.
Auch die frühere zweite Uni-Mensa am Audimax, die seit 2011 geschlossen ist, wird als Coworking-Space genutzt. Die Viadrina will die 3000 Quadratmeter große Fläche mit Hilfe von Landesmitteln umfassend umgestalten. Beim Architekturwettbewerb hat sich der Entwurf der Scheidt Kasprusch Gesellschaft von Architekten mbH durchgesetzt, der mit viel Grün, Glas und Licht arbeitet. Entstehen soll ein Ort für unterschiedliche Nutzergruppen, erklärt Janine Nuyken, Vizepräsidentin der Viadrina. Studierende bräuchten mehr Raum zum gemeinsamen Lernen, Gründerinnen und Gründer einen Ort, an dem sie an ihren Ideen feilen können.
Der offene Coworking-Bereich ist auch offen für Menschen, die nichts mit der Universität zu haben. "Wir wollen Orte schaffen, an denen man sich auch außerhalb von Veranstaltungen begegnen kann", betont Janine Nuyken. Trotz der derzeit suboptimalen Bedingungen werde die Zwischennutzung überraschend gut angenommen. Der Umbau soll frühestens im zweiten Halbjahr 2020 starten. Auch in Frankfurt (Oder) ist die Schaffung moderner Arbeits- und Lernorte an Überlegungen zur Stadtentwicklung geknüpft. Pendlerinnen und Pendler sollen damit angesprochen werden, sagt Janine Nuyken. "Je attraktiver der Ort ist, desto eher bleiben sie auch hier."