Montagabend in Prenzlauer Berg. Halloween in Ostberlin. Junge Menschen schleichen in geschminkt und kostümiert durch die Straßen. Tausend meist ältere Menschen treffen sich derweil in der Max-Schmeling-Halle, um eine andere Party zu feiern: eine Nostalgieparty. Es geht um ihre Jugend, eigentlich um die Musik ihrer Jugend, aber das ist ja im Prinzip dasselbe.
Kurz nach zehn ist es so weit in Berlin. Die Jugendhymne vieler Anwesenden erklingt, „Smoke on the Water“, laut und live von Deep Purple. Den Urhebern des berühmtesten Riffs der Rockgeschichte. Es ist 1972, vor fast genau einem halben Jahrhundert entstanden, und hat seitdem wenig von seiner Durchschlagskraft eingebüßt. Okay, Gitarrenladenbesitzer in aller Welt haben Nerven gelassen, weil Heerscharen von Anfängern mit diesem Riff ans Ausprobieren ihrer ersten eigenen Gitarre gegangen sind.
Purple – das war Anfang der 1970er die Einwortformel für Stromgitarre plus Schweineorgel gleich Hardrock. Damals bildete Deep Purple zusammen mit Led Zeppelin, Uriah Heep und Black Sabbath ein vierblättriges Kleeblatt in der Rockmusik. Es verhieß das ganze Glück für unzählige Hardrockfans. Inzwischen ist es längst verwelkt, weil die Blütezeit dieser Bands lange vorbei ist. Auf Platte lebt ihre Musik zwar unvermindert fort, aber live gibt’s – von vereinzelten Reunion-Auftritten abgesehen – relativ wenig.
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Längst nicht mehr in Originalbesetzung
Allein Purple ziehen munter ihre Kreise weiter im Wechselspiel von Albumproduktion und Tour. Regelmäßig tourt die Band und gibt Konzerte in großen Hallen, aber längst auch nicht mehr in der Besetzung, die sie berühmt machte. Die beiden prägenden Musiker - Gitarrist Ritchie Blackmore und Organist Jon Lord – fehlen. Der eine hat sich künstlerisch abgesetzt, der andere ist in die Ewigkeit entschwunden. Für Jon Lord sitzt seit Jahren Don Airey am Keyboard. Den Gitarrenpart hatte lange Jahre Steve Morse übernommen. Weil dessen Frau an Krebs erkrankt ist und er deshalb ausstieg, hat nun der relativ junge Simon McBride den Job an der Gitarre inne. Er hat ihn gut gemacht und so dazu beigetragen, dass die rund 8000 Besucher in der ausverkauften Halle einen äußert zufriedenen Abend erleben. Einen, der ihnen einen Doppel-Wumms in punkto Legendenrock beschert.
Im Vorprogramm: Jefferson Starship
Denn im Vorprogramm der Hardrockikonen spielt eine Legende des psychedelischen Hippierock: Jefferson Starship. Die waren 1974 aus Jefferson Airplane hervorgegangen, jener San Franzisco-Band, die für Aufstieg und Fall des Love & Peace-Rock der Sixties steht. Sie waren in Woodstock dabei, dem Höhepunkt der Hippiebewegung, und sie spielten 1969 als Vorband der Rolling Stones in Altamont, das in seiner Gewalttätigkeit die große Träumerei beendete. Obwohl von den alten Jeffersons nur Gitarrist David Freiberg auf der Berliner Bühne anwesend war, da die Airplane-Gründer tot sind, konnte das verjüngte Starship doch einen Hauch Nostalgie verbreiten. Insbesondere durch die Welthits „White Rabbit“ und „Somebody to Love“.
Dass sich Deep Purple gerade diese Band, zu der sie praktisch kein stilistisches Verwandtschaftverhältnis pflegte, als Support holte, mag verwundern. Andererseits hatten die Briten ja auch mal psychedelisch begonnen, wie sie mit „Hush“ im Zugabenteil bewiesen. Ansonsten wird natürlich ein Best of ihrer Hardrock-Hits geboten: von „Highway Star“ über „Space Truckin'“ bis „Black Night“. Neben mehreren Songs des 1972er Albums „Machine Head“ präsentiert sie auch einige Stücke ihres sehr erfolgreichen Albums „Whoosh!“ von 2019, darunter „No Need to Shout“ und „Nothing at All“. Sie sind Beleg, dass die gealterten Rockmeister noch nicht in ein Kreativitätsloch gefallen sind, was wiederum zweifeln lässt, ob das angekündigte Ende der Bandgeschichte so schnell kommen wird. Unübersehbar ist jedoch, dass Frontmann Ian Gillan mit seinen 77 Jahren in den Altersbereich kommt, wo ihm die Anstrengung bei der Liveperformance anzumerken ist. Zusammen mit seinen gleichaltrigen Kumpels Ian Paice und Roger Glover hat er es trotzdem geschafft, das Publikum in Begeisterung zu versetzen.