Eigentlich müsste man sagen: Sie hängt. Denn Meininger hat die Streben, durch die das Wachs beim Bronzeguss abfließt, stehen lassen. Sie dienen als stabiles Gerüst, an dem die zarte Figur befestigt ist, die von vorn betrachtet zu schweben scheint.
"Ich entscheide mich für das ungewohnt Störende", erzählt Meininger. Er zeigt nicht nur die schöne menschliche Figur, sondern etwas Unfertiges, das den Entstehungsprozess einbezieht. Wahrscheinlich, so vermutet Meininger, werden einige Betrachter über die Skulptur sagen: "Ohne dieses Dings da, das an Christus erinnert, wäre die doch so schön gewesen."
Das Raue gehört dazu
Doch "dieses Dings da" gehört für den Maler, Bildhauer und Grafiker dazu. Seine Bronze-Figuren weisen häufig raue Oberflächen oder Stellen auf, die wie weggebrochen scheinen. "Man könnte auch sagen: weg damit", sagt Meininger. Doch das Menschliche und Verletzliche mache den Reiz aus. "Man würde ja auch nicht einfach Menschen wegschmeißen, weil sie eine Behinderung haben oder irgendwie anders sind."
Am 23. Juni wird die Preisträger-Skulptur auf Schloss Neuhardenberg an die Gewinner des Brandenburgischen Kunstpreises übergeben. Mikos Meininger beteiligt sich regelmäßig an den Ausschreibungen und den Ausstellungen in Neuhardenberg. Letztes Jahr zeigte er seine Bronze-Skulptur Golgatha, benannt nach dem Hügel, auf dem Jesus gekreuzigt worden sein soll. Ein Haufen von Menschen scheint sich darin an einem architektonischen Aufbau aus dünnen Streben emporarbeiten zu wollen. An den Spitzen der Streben werden es weniger. "Man hat das Gefühl, dass es dort oben einsam wird", sagt Meininger lakonisch.
Freiheit wie Zwang
Auch für den Anfang 2019 von der Universität Potsdam verliehenen "Voltaire-Preis für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz" hat Meininger eine Bronze-Skulptur geschaffen. Für den Brandenburgischen Kunstpreis beschäftigte er sich mit der Figur des Künstlers. Die Freiheit, aber auch die Zwänge des Künstlerdaseins spiegeln sich in der Bronze-Figur, die er leicht poliert hat. "Ein Preis darf auch ein bisschen glänzen", sagt Meininger lächelnd. Gegossen wurden die Skulpturen in der Kunstgießerei Gebrüder Ihle Bildguss in Dresden, entworfen wurden sie in Meiningers Atelier im Kunsthaus sans titre in Potsdam.
Das Haus, das inzwischen von einem gemeinnützigen Verein betrieben wird, hat Meininger 2009 zusammen mit dem Künstler Chris Hinze gegründet. Neben Ausstellungen von regional wie international bekannten Künstlern finden dort Lesungen, Workshops, Konzerte und Tanzveranstaltungen statt.
Erfolg mit freier Kunst
Ursprünglich hat Meininger, 1963 in Jena geboren, eine Ausbildung zum Plakatmaler gemacht und später ein Grafikdesign-Studium begonnen. Schnell aber hatte er als freier Künstler Erfolg und kehrte der Gebrauchsgrafik den Rücken. Drucktechniken wie Siebdrucke, Lithografie und Holzschnitte sowie Malerei und Skulpturen umfassen sein Werk, dem 2016 in der Kunstsammlung Jena eine große Einzelausstellung gewidmet wurde. Dieses Jahr werden Werke des Künstlers unter anderem vom Mitte September bis Anfang November im EWE Kunstparkhaus in Strausberg zu sehen sein.
Über eine Auster zur Skulptur
Zur Skulptur ist Meininger erst vor zehn Jahren gekommen – eigentlich durch einen Zufall. Für einen Schokoladen-Hersteller sollte er eine Figur formen. Sein Entwurf einer Auster, die an eine Vulva erinnert, wurde letztlich nicht produziert. Aber Mikos Meiningers Faszination für die dreidimensionalen Form war geweckt. Seine Bronze-Skulpturen entwirft er meist nicht aus Ton, sondern aus Pappmaché. Wenn das Papiergemisch trocknet, entstehen die kruden Oberflächen, die für Meiningers Arbeiten charakteristisch sind. Das Papier wird beim Gießprozess verbrannt, die Asche bleibt in der Form und verursacht ausgefranste Stellen. Einige seiner Figuren tragen Löcher in der Körpermitte. Das wirft Fragen auf. "Wenn etwas Unverständliches in der Figur ist, ist sie gut", sagt Meininger. Wie in einer Beziehung seien auch hier die ungelösten Rätsel das Interessante.