Bei ihrer Papierschnitt-Siebdruck-Serie "Zwischen den Wassern" ließ sich Anett Münnich von märkischen Seen inspirieren – speziell bei Niedrigwasser, wenn Strukturen sichtbar werden, die sonst im Verborgenen bleiben: bizarre Wurzelgeflechte, angeschwemmte Pflanzenteile oder schaumiges Blasengewebe. Die Künstlerin interessiert sich für das Werden und Vergehen. "Wie die Natur sich verändert, ist ein wichtiger Aspekt", sagt sie. Der Wandel der Landschaft auf dem Darß beschäftigt sie – genauso wie der Zustand alter Eichen in der Schorfheide.
Inspiration beim Schwimmen
Viele ihrer Beobachtungen macht sie am Ufer des Tonsees im Landkreis Dahme-Spreewald, an dem sie früh morgens schwimmen geht. "Da kann ich die Natur beim Erwachen erleben", erzählt Münnich, die in der Nähe von Mittenwalde lebt und in einem Atelier in Berlin-Oberschöneweide arbeitet. Ihre Serie zu Brandenburger Seen wurde von der Vorjury des Brandenburgischen Kunstpreises ausgewählt und wird im Juli bei der Ausstellung im Schloss Neuhardenberg zu sehen sein.
Manchmal entdecken Betrachterinnen und Betrachter in Anett Münnichs Bildern konkrete, ihnen vertraute Orte. Doch was aus den gesammelten Emotionen und Erinnerungen entsteht, entwickelt ein von realen Landschaften abgekoppeltes Eigenleben, erklärt die Künstlerin. "Ich schaffe imaginierte Welten."
Die gerahmten Blätter für den Brandenburgischen Kunstpreis nun lehnen verpackt an einer Wand ihres großen Ateliers in einem gelben Backsteinkomplex. Weitere, ungerahmte Arbeiten liegen auf einem Tisch im Licht, das durch die großen Fenster fällt. Anett Münnich verschiebt die obere Lage eines Blattes, einen filigranen Papierschnitt, und erklärt, wie die Arbeiten entstehen. Die untere Ebene bilden mehrfarbige Siebdrucke, für die sie unterschiedliche Motive und Farbigkeiten kombiniert. Jedes Blatt wird dadurch zum Unikat.
Im Gegensatz zu diesen grafischen Arbeiten wirken die großformatigen Acryl-Bildern, die an den Wänden des Ateliers hängen, fantasievoller und verspielter. "Ich bin auch ein bisschen eine Romantikerin", sagt Anett Münnich. Die Künstlerin, die 1961 in Thüringen geboren wurde, ist in einem Forsthaus bei Luckau aufgewachsen. Sie hat Technik studiert und in der Forschung gearbeitet, bevor sie sich 2005 als Künstlerin selbstständig machte und später an der Akademie für Malerei in Berlin studierte. Das Technische stecke immer noch in ihr, erzählt Münnich. "Für mich spielt Grafik so eine große Rolle, weil mich Flächen und Linien interessieren."
An den sachlicheren Papierarbeiten könne sie immer arbeiten. Malerei hingegen funktioniere nur in einem bestimmten emotionalen Zustand. "Manchmal male ich mehrere Monate gar nicht", erzählt die Künstlerin. Auch beim Malen hat sie eine spezielle Technik entwickelt. Um bestimmte Farbverläufe zu erreichen, gibt sie Acrylfarbe auf Folie und collagiert diese anschließend in die Bilder hinein.
Nachdem sie sich eine Weile für Stadtmotive interessierte, fand die Brandenburgerin zu ihrem eigentlichen Sujet, das eng mit Erinnerungen aus ihrer Kindheit verbunden ist. "Wir haben im Wald, in und mit der Natur gelebt. Das ist tief in mir verwurzelt", erzählt sie.
Die Natur, die Anett Münnich beschäftigt, ist jedoch keine unberührte Fantasiewelt. Auf behutsame Art und Weise thematisiert sie auch das Eingreifen des Menschen. "Ich möchte darauf hinweisen, wie wertvoll das ist, was uns umgibt", erklärt sie.
Ihr Berliner Atelier ist für Anett Münnich ein Gegenstück zum ruhigen Leben mit Katze und Garten in Brandenburg. "Mir ist es wichtig, an einem Ort zu sein, an dem viel Kunst passiert", sagt sie. Die Künstlerin genießt den Kontakt, den Austausch und gemeinsame Projekte mit anderen Künstlerinnen und Künstlern. Ein kleiner Wohnbereich in ihrem Atelier erlaubt ihr, sich von Schaffensphasen ganz absorbieren zu lassen. "Ich arbeite sehr oft nachts. Wenn ich müde bin, falle ich einfach ins Bett." Nach dem Aufwachen kann sie sich sofort wieder in den künstlerischen Prozess stürzen. Ein Leben ohne Arbeit wäre für sie undenkbar, sagt Anett Münnich.
Brandenburgischer Kunstpreis
Die Vorauswahl zum Brandenburgischen Kunstpreis 2020 ist abgeschlossen. Alle ausgewählten Werke werden ab Anfang Juli in einer Ausstellung in Neuhardenberg gezeigt. Der Kunstpreis selbst sowie der Ehrenpreis des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg für ein Lebenswerk und der Nachwuchspreis des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur werden am 2. August in Neuhardenberg verliehen. Wir stellen bis dahin in loser Folge Teilnehmende der Ausstellung vor. red