Schlager oder Jazz, Unterhaltung oder Hochkultur – Uschi Brüning wandelte immer zwischen den Welten. In ihrer Jugend wollte die 1947 in Leipzig geborene Sängerin ein Schlagerstar werden, doch auf verschlungenen Pfaden landete sie beim Jazz. Und ganz am Anfang, da ging sie schon einen weiten Umweg, ging auf Nummer sicher, und machte eine Ausbildung zur Gerichtssekretärin.
Es ist also ein bewegtes Bühnenleben geworden, auf das sie in jüngster Zeit erinnernd zurückblickt. 2015 hat sie das Album "So wie ich" mit neu eingesungenen Klassikern und neuen Songs eingespielt – eine autobiografische Auswahl. In diesem Frühjahr folgte dann das "Buch zur Platte" in Form einer Autobiografie.
Brüning war immer schon freimütig darin, sich vor ihren Vorbildern zu verneigen: "Nachahmung – das ist immer der erste Schritt", sagt sie dieser Zeitung. Ella Fitzgerald ist ein solches Vorbild, Aretha Franklin auch, und natürlich Ruth Hohmann, die den weiblichen Jazzgesang in der DDR quasi im Alleingang etabliert hat. "Sie ist die Nummer eins", sagt Brüning heute. Jazz war eben eine absolute Nischenmusik, von der Kulturpolitik der DDR allenfalls geduldet. Ihre Kenntnisse haben sich Brüning und andere ihrer Generation oft übers Radio verschafft, durch lautmalerisches Mitschreiben der unverständlichen englischen Texte: "Wir alle haben uns geschämt, dass wir kein Englisch verstehen können." 1965 hat sie Louis Armstrong auf dessen DDR-Tournee in der Leipziger Messehalle erlebt, "das hat mich geprägt".
In der Band von Günther Fischer ersang sie sich einen Ruf, den Durchbruch brachten ihre Jahre als Bühnenpartnerin von Manfred Krug. Noch kurz vor dessen Tod im Jahre 2016 waren die beiden gemeinsam mit einem Konzertprogramm unterwegs. Bis heute wird sie gefragt, ob sie nicht die alten Hits aus der Zeit mit Krug singen könne. Sie störe sich keineswegs daran, doch entschuldige sie sich dann manchmal schon mit fehlenden Noten und vertröste die Fans auf andere Programme, mit denen sie ebenfalls noch unterwegs ist: "Man hat heute nicht mehr eine Band wie früher, sondern man hangelt sich von Projekt zu Projekt."
Schlager also – und Jazz. Der zweite Pfad ihrer Karriere kam so richtig in Fahrt, als sie ihren Ehemann Ernst-Ludwig Petrowsky traf, den legendären Saxofonisten und Flötisten, der den DDR-Jazz auf den Weg gebracht hat wie nur wenige andere. Brüning, die bis heute ihre Leidenschaft für Schlager pflegt, sah sich mit einer ganz neuen musikalischen Welt konfrontiert. "Mein Mann hat mich in die Zange genommen und mir gezeigt, was man mit der Stimme alles machen kann." Free Jazz, Scat-Gesang, die freie Vokalise. "Versuch’s doch mal frei", so die Ermutigung von "Luten" Petrowsky. Einfach alle Emotionen reinpacken in die Stimme und rauslassen, was drin ist. "Aber ohne zunächst zu wissen, was drin ist." Ein Abenteuer, bis heute.
Und welche Musik hört sie derzeit gerne selbst? Unter anderem Platten von Shirley Horn (1934–2005) und Abbey Lincoln (1930–2010). Bei vielen jüngeren Jazzern sieht sie zwar Talent und hochklassige Spieltechnik. "Aber man vermisst oft eine Botschaft." Jazz, Soul und Emotion – für sie ist das auch "eine Frage der Jahre, die jemand auf dem Buckel hat". Musik begreift sie als einen "Prozess, der von Leben erfüllt ist".
Uschi Brüning und Krista Maria Schädlich: "So wie ich", Ullstein, 288 S., 20 Euro
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