Mit seiner Arbeit, für die er jetzt mit dem Brandenburgischen Kunstpreis in der Kategorie Malerei ausgezeichnet wird, ist der seit sechs Jahren in Woltersdorf (Oder-Spree) lebende Künstler mittendrin in seinem momentanen Thema. Das Bild ist Teil der Serie "Ich sehe nicht, was du nicht siehst"; 2018 hat Leonard es in Bremen bereits in einer gleichnamigen Ausstellung gezeigt.
Auf der Leinwand auch davon zu erzählen, was in diesem Augenblick nicht sichtbar ist, damit beschäftigt sich der gebürtige Berliner schon lange. Er glaube nicht daran, dass man Dinge als etwas Feststehendes wahrnehmen könne: "Man sieht einen Ort nie zweimal als denselben", sagt er. "Alles ist in Bewegung." Was Leonard interessiert, sind die Momente dazwischen, die Schwebezustände, das Werden und Vergehen, die Lücken und – mitunter auch unbewussten – Pausen.
Sie auf die Leinwand zu bringen, ist für ihn ein anhaltendes Experiment. Zurzeit bedient er sich dafür einer Art Durchdruckverfahren, bei dem er eine komplett eingefärbte Leinwand auf eine zweite, leere, legt und dann mit dem Pinselende bearbeitet. Dass das Ergebnis nicht ganz einfach zu kalkulieren ist, macht es für ihn nur spannender. "Das ist wie das Fliegen beim Skispringen", sagt er, "schön, aber auch beängstigend."
Große Formate, viele Zeichnungen – und die Aufgabe, "ein Spannungsfeld zwischen Linien und Flächen aufzubauen": In diesem künstlerischen Arbeitsfeld bewegt sich der 40-Jährige gerade. In ihm entstand und entsteht auch die Serie "Ich sehe nicht, was du nicht siehst". "Eine Werkgruppe, in der nun Linien anfangen zu sprechen."
Und auf fantastische Weise umso lauter, je weniger es werden. "Ich habe immer mehr weggenommen", sagt Leonard. "Die Fragen aber sind nicht weniger geworden." Und so bleibt weitere Reduktion sein Ziel. "Weniger Markierungen auf dem Papier sollen noch mehr Geschichten erzählen", wünscht sich der Künstler. Arbeiten wie jene, die jetzt mit dem Kunstpreis prämiert wird, sind ihm selbst "schon fast zu laut". Auch – oder gerade weil – er die unbehandelte Leinwand gern mitreden lässt. "Ich finde es schön, wenn man den Stoff, der ja schon eine Farbe hat, mitsieht."
Die Liebe zur Linie geht bis in Leonards Zeit an der Hochschule für Künste in Bremen zurück, wo er Freie Kunst studierte. Schon damals war Zeichnung sein Schwerpunkt. Auch sein Interesse an Videokunst sowie Neuer und elektronischer Musik stammt aus diesen Jahren. Eine Weile führte Leonard mit einem Freund ein Label für experimentelle Musik, auf dem er auch eigene Arbeiten veröffentlichte; daneben drehte er Videos für Bands wie die Berliner Gruppe Bodi Bill. "Es braucht viel Kraft, eine Sache gut zu machen", begründet er, warum er sich auf diesen Gebieten zugunsten des Malens mittlerweile zurückgenommen hat.
Ganz aktuell versucht der Woltersdorfer sich an Ton-in-Ton-Arbeiten – schwarz auf schwarzer Leinwand zum Beispiel. "Da muss man sich beim Anschauen noch mehr anstrengen." Ob ein Bild für ihn "stimmt", sehe er dabei recht schnell. "Manchmal muss ich etwas auch liegen lassen, mich ranpirschen", sagt Leonard. Nach Berlin, wo er in Rummelsburg ein Atelier hat, fährt er dafür nur noch selten. Dort, gesteht er, sei es ihm zu voll geworden. Früher habe er nach dem Overkill gesucht. "Das mache ich jetzt nicht mehr."
Die Ruhe am Stadtrand
Stattdessen genießt er die Ruhe des Stadtrandlebens: Gleich hinter seinem Wohnhaus in Woltersdorf hat er sich im Schatten einer alten Kastanie ein Gartenhäuschen ausgebaut, mit großen Fenstern und einem Ofen für die Wintermonate. Für Leonard der perfekte Ort zum Arbeiten – und um interessierten Sammlern seine Kunst zu zeigen.
Dass die jetzt ausgezeichnet wird, noch dazu im brandenburgischen Rahmen, freut ihn. "Ich hätte mir das nicht träumen lassen", sagt er. In diesem Jahr will der Vater einer Tochter in seinem neuen Zuhause nun durchstarten, nach dem Atelierumbau wieder mehr Zeit zum Malen finden. Was nicht heißt, dass er nicht mehr über seinen künstlerischen Tellerrand schaut. Ein Arbeitsstipendium zum Beispiel, das würde ihn reizen, "in der Villa Massimo in Rom oder so": "Das fände ich spannend."
Preisverleihung und Ausstellungseröffnung am 23.6., 12 Uhr, Schloss Neuhardenberg
Fernsehporträt über Stephane Leonard, "Brandenburg aktuell", rbb, Sonnabend, 19.30 Uhr
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