In einer ausgepolsterten Holzkiste treffen die Siegesgöttinnen in der Eberswalder Märchenvilla ein. Dort beziehen die Terrakottafiguren auf einer Säule Stellung, bereit, sich den Blicken der Kunstpreis-Jury auszusetzen. Oder nicht?
Bis auf eine, die aus dem Reigen ausbricht, scheinen sie nachdenklich ins Leere zu blicken. "Nike-Depot" hat der Bildhauer Jannulis Tembridis sein Werk genannt. Fünf Siegesgöttinnen, die wohl schon einige Kämpfe ausgefochten haben. "Vielleicht hat es nicht gereicht zum Sieg", sagt Tembridis lakonisch und richtet eine der Gänsefedern, die wie Flügel aus dem Rücken der Figuren wachsen.
Der Maler und Bildhauer aus Wulkow, der 2008 den Brandenburgischen Kunstpreis der Märkischen Oderzeitung und der Stiftung Schloss Neuhardenberg in der Kategorie Plastik gewonnen hat, war schon mehrmals in der Auswahl der Vorjury vertreten.
Einige Künstlerinnen und Künstler bleiben dem Preis über Jahre hinweg treu, berichtet Jurypräsident Frank Mangelsdorf. "Aber es gibt immer wieder neue Gesichter und neue Namen." Aus knapp 300 Bewerbungen in den Kategorien Plastik, Malerei, Grafik und Fotografie hat die Vorjury rund 70 Arbeiten ausgewählt, die die Künstlerinnen und Künstler in die EWE-Märchenvilla nach Eberswalde bringen. Dort werden sie am Freitag von der Jury begutachtet.
Eines der neuen Gesichter beim Wettbewerb ist der Maler Fritz Bornstück, der in Berlin-Neukölln wohnt und in einem Atelier in Altfriedland bei Neuhardenberg arbeitet. Er trägt am Dienstagvormittag ein 1,20 mal 1 Meter großes Bild die Treppe hinauf. "Das hat gerade so in den Fiesta gepasst", erzählt er beim Auspacken. Zum Vorschein kommt ein Stilleben, in dem die Natur die Technik langsam in ihren Besitz zu nehmen scheint. Übereinander gestapelte alte Fernseher stehen auf einem Tisch, auf dem Zigarettenstummel auf die Anwesenheit von Menschen hindeuten. Rundherum breitet sich das Grün aus. Auf einem Ast sitzt ein roter kleiner Vogel, den Schnabel aufgerissen. "Competition of Entertainers (Fernsehturm)" heißt das Werk – und es scheint außer Frage, dass der kleine Vogel über die längst überholte Technik triumphiert.
Wie bei Bornstück, der unter anderem an der Universität der Künste in Berlin studiert hat, die Nähe seines Ateliers zum Vogelschutzgebiet eine Rolle gespielt haben mag, hat sich auch Sophie Natuschke von Tieren in ihrer Umgebung inspirieren lassen. Sechs gerahmte Blätter hat sie mitgebracht, die an der Wand lehnen. Sie deutet nach links: Mit diesem habe alles angefangen. Ein Wisent mit abgeknicktem Kopf ist auf der Grafik zu sehen. Das Schicksal eines Wisents, der im Oderbruch abgeschossen wurde, hat die Künstlerin, die 2017 den Brandenburgischen Kunstpreis in der Kategorie Grafik gewonnen hat, bewegt. Im Gummidruck-Verfahren hat sie Tierherden festgehalten, die einander überlagern: Wölfe, Elche, aber auch Lämmer und Hühner. Die Serie thematisiert Migrationsbewegungen von Tieren, die sich leicht aufs Menschliche übertragen lassen.
Im oberen Saal der Villa befreit Frank Käubler gerade gerahmte Kranich-Zeichnungen von Violeta Vollmer-Dundulyte von Plastikfolien. Schon jetzt ist klar: Es wird eng in den zwei Räumen. Die Jurymitglieder aber seien erfahren genug, um zu wissen, dass keine perfekten Präsentationsbedingungen herrschen, sagt Christian Lübbert. Er ist zum ersten Mal als Kurator dabei und tritt somit in die Fußstapfen von Peter Liebers, der den Kunstpreis erfunden und ihn bis 2018 begleitet hat. Lübbert hat unter anderem Fotografie studiert und sich an der Goldsmiths Universität in London zum Kurator ausbilden lassen. Sein Eindruck am ersten Abgabetag? "Es ist sehr facettenreich, was eingereicht wurde", sagt er.
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