Superlative sind ihr Ding. Größte oder älteste Rockband der Welt und die beste sowieso - das nehmen die Rolling Stones und ihre Fans gern in Anspruch. Auch, dass sie die besten Konzerte geben, obwohl die Setlist seit Jahrzehnten gefühlt die gleiche ist. Doch im Februar 2006 haben sich Mick Jagger und seine Mitstreiter selbst übertroffen. Vor sagenhaften 1,5 Millionen Zuschauern spielten sie am Strand der Copacabana in Rio einen Gig ihrer Bigger-Bang-Tour. Dass das Konzert umsonst und draußen stattfand und damit den Massen überhaupt die Anwesenheit ermöglichte, soll die gigantischen Ausmaße nicht schmälern.

Soundtrack zum Mega-Konzert

Nun, 15 Jahre später, gibt es eine Neuauflage des Ereignisses in verschiedenen Formaten, vor allem visueller Natur. Denn im Fokus steht dabei vor allem eine neue Version des Konzertfilms. Als dessen Soundtrack, wenn man so will, ist aber auch ein Dreifach-Vinyl-Album erschienen, das es den Fans ermöglicht, im Nachhinein Teil des ekstatischen Publikums zu werden. Und dazu geben die drei schwarzen Scheiben reichlich Gelegenheit. Denn auch in Rio folgten die Stones ihrem Prinzip, aktuelles Material nur spärlich bei den Live-Gigs einzustreuen und vor allem auf Klassiker zu setzten, die es dann zumindest in neuen oder anderen Versionen zu hören gab.

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Nur vier Titel aus dem Album „Bigger Bang“ drangen so in die brasilianische Nacht. Doch am Ende war die Tour trotzdem die jemals erfolgreichste der Stones. Wie gehabt startete man mit „Jumpin’ Jack Flash“ und hörte natürlich mit „Satisfaction“ auf. Dazwischen große Steine-Momente mit „Wild Horses“, Disco a la „Miss You“ und Blues im Stile von „Honky Tonk Woman“. Bei der ersten und zeitnahen Auswertung auf Tonträger vor mehr als einer Dekade wollte man dem Publikum nicht alles zumuten. So kam es wie auch sonst: Stones-Konzert-Alben waren schon immer irgendwie eine Form von ein Best-Of.

Stones-Klassiker und neue Titel

So fielen auch hier zwei der neuen Tracks und zwei weitere der Schere zum Opfer. Das wird nun korrigiert. „This Place Is Empty“ und „Oh No, Not You Again“ kommen nun endlich zu Ehren. Und auch „Sympathy For The Devil“, einer der wohl besten Live-Tracks der Steine ever, der aber immer künstlich verknappt zu werden scheint. Nicht zuletzt „Tumbling Dice“ - eigentlich gesetzt für Live-Auftritte. Damit wird nun das Gesamtkonzert ins Wohnzimmer übertragen. Dies, nicht ohne die Aufnahmen einer Renovierung zu unterziehen, was den Effekt hat, dass ausgerechnet das, was Rio ausgemacht hat, draußen bleibt: die Massen.

So viel live wie nötig

Denn das schwere Vinyl befördert vor allem die Musik und all jenes, was auf der Bühne geschah, an die Schallwandler. In beeindruckender Qualität dazu. Wer entsprechend technisch ausgestattet ist, kann die Position der Musiker, des Backgrounds gut orten, gar teils verfolgen, wie Jagger über die Planken huscht. Dazu ist der Sound klar und bestens aufgelöst. Ja, ein wenig geht Atmosphäre verloren. Ob da zwischen den Tracks nun tausende oder hunderttausende jubeln ist weißgott nicht auszumachen. Aber mal ehrlich, Live-Konzerte sind nur live wirklich schön, zuhause möchte man die anderen zumindest akustisch ohnehin lieber draußen lassen. Das ist den Toningenieuren beachtlich gelungen. Die perfekte Mischung aus allein und doch mittendrin, so viel live wie nötig, so viel Sound wie möglich. So soll es sein.

The Rolling Stones – A Bigger Bang Live On Copacabana Beach

Universal Music