Sie waren Glam-Rock schlechthin. Sweet beherrschten Anfang der 1970er Jahre mit ihren Hits die Charts, prägten eine Generation von Teenagern und mehrere von Musikern. Was die wenigsten heutzutage noch wissen, die bekanntesten Songs der Band aus Middlesex sind nie auf einem Album erschienen.

Keine Party ohne Block Buster

„The Ballroom Blitz“, „Hell Raiser“, „Fox On The Run“ oder „Action“ beherrschten in den 70ern das Radio ebenso wie die Diskotheken. Keine Schulparty ohne Rundumleuchte und „Block Buster!“. An Brian Conolly, Andy Scott & Co führte seinerzeit kein Weg vorbei. Sechs Mal belegten die Briten allein 1972/73 Platz eins der Deutschen-Single-Charts. Bei dem hohen Tempo der Hit-Produktion blieb schlichtweg keine Zeit für ein Album oder man wollte nicht auf die Langrille warten, um den Song zu veröffentlichen. Das verselbstständigte sich soweit, dass so gut wie keiner der bekanntesten Titel von Sweet auf einem regulären Studiowerk veröffentlicht wurde, sondern immer nur als 7-Inch-Single vorlag.

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Diese packte man zwar vor einigen Jahren mal als Doppel-CD zusammen, doch der Epoche und dem Zeitraum der Entstehung angemessen war dies nicht. Dieses Manko behebt RCA Records nun zum Re-Start der Europa-Tour der Band, in der Andy Scott das letzte noch lebende Original-Mitglied ist. „The Lost Singles“ heißt eine Doppel-LP, die als Sonderpressung auf rotem Vinyl daherkommt. Vier Seiten Hits, nicht minder, erwarten den Hörer. Und der staunt jedesmal aufs neue, wenn hinter Titeln wie „Teenage Rampage“, „Wig Wam Bam“ oder den oben genannten vermerkt steht, dass dies keine Album-Titel gewesen seien.

Von Hard Rock bis Speed Metal

Mit 24 Tracks wurden die vier Seiten dann auch recht voll gepackt. Die Aufteilung ist dabei sehr ausgewogen. Denn neben den acht Super-Hits gibt es ebenso viele immer noch bekannte und nochmals eine gleiche Anzahl von Songs, die die meisten wohl zum ersten Mal hören oder an die man sich nicht mehr erinnern kann. Hier wird einem durchaus auch die Bandbreite des Sweet-Schaffens vor Ohren geführt, denn der Glam-Rock stellt mitnichten die Grenze dar.
Gitarrenlastige Stücke im typischen 70ies-Sound wie etwa „Someone Else Will“ oder „Man From Mecca“ erinnern als Hard Rock ein wenig an Led Zeppelin und mit „Burning“ haben die Briten auch einen Vorläufer in Sachen Speed-Metal im Programm. Die Vielfältigkeit überrascht aber nur Uneingeweihte, denn nicht von ungefähr sehen Gene Simmons von Kiss oder Nikki Sixx von der Mötley Crüe ihr eigenes Schaffen durch Sweet beeinflusst.

Transparent rotes Vinyl

Den Hörer erwartet also ein durchweg abwechslungsreicher und unterhaltsamer Rückblick durch die Rock-Musik von vor rund 50 Jahren, bei vielen sicherlich mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen verbunden. Dazu kommen die Tracks durchweg in sehr guter Qualität daher. Zwar nicht in Heavy-Vinyl gepresst, doch aber sehr ordentlich, merkt man qualitativ den Songs mitnichten ein halbes Jahrhundert an.
Sie haben Druck, sie haben Bühne und sie haben Feinheiten, sowohl bei den Höhen wie auch den Effekten. Conollys Stimme kommt wunderbar kieksig aus den Lausprechern und Steve Priests Bass kann immer noch mitreißen. Dabei hört auch das Auge mit. Denn ganz nebenbei werden die transparent-roten Scheiben zum Eyecatcher auf jedem Plattenteller. Das hätte es zur Entstehungszeit der Songs nicht gegeben, so etwas kann auch Digital nicht leisten. Insofern bietet „The Lost Singles“ das Beste aus beiden Welten und Zeiten.

Sweet: The Lost Singles

RCA Records
Erscheint am 24. September 2021