Wer aber die Ausstellungshalle betritt, sieht: Es ist alles wie immer. Nein, vielleicht sogar schöner. Hell und luftig gehängt, trotzdem 85 Künstlerpersönlichkeiten in den Räumen unterzubringen waren, und die Fotografie erneut in das Foyer des Veranstaltungsgebäudes quer über den Hof verbannt ist. Auf den ersten Blick ist es ein starker Auftritt für die Skulptur, mit viel Figürlichem. Da kauert sich Heike Adners junge Frau elegisch auf ein Podest ("Schöner Morgen"). Mikos Meinigers abstrahierende, an Giacometti erinnernde Eisenskulpturen stecken gerade mal den Kopf über die Wasseroberfläche ("Die Menschen und das Meer"). Ernst Petras’ an eine Dornenkrone erinnernde Stahl-Plastik begrüßt den Besucher. Und als Blickfang thronen die stolzen Frauen- und Männertorsi von Kunstpreisträgerin Marguerite Blume-Cárdenas im Raum.
Ein Schiff geht auf Reise
Insgesamt gibt es auffällig viel Natur, nicht nur bei den Fotografien von Kunstpreisträger Ingar Krauss. Viel Wasser auch, wie es sich für eine Sommerausstellung gehört, mit Anett Münnichs Oberflächen-Mustern ("Zwischen den Wassern"), Lutz Boltz’ surreal verfremdeten Wassertropfen, Hannelore Teutsch schickt in ihrem "Beitrag zur deutschen Mythologie" ein Schiff auf die Reise, und Heike Cybulski lässt einen See unendlich blauen. Weitere Schwerpunkte: Tiere – fröhlich tanzende Ferkel bei Knuth Seim, ein wuchtiger Löwe aus Pappelholz bei Jörg Engelhardt und Pferde im Wald bei Fred Hüning. Überhaupt, Wald: auch das ein häufiges Thema, etwa bei Liz Mields-Kratochwils neonleuchtendem Baum aus Plexiglas.
Brandenburg macht seinem Namen als Land der Seen und der weiten Horizonte, der Natur und auch der verlassenen Gehöfte alle Ehre, inspirierend für Künstlerinnen und Künstler. Die Auswahl hält eine gute Balance zwischen Abstraktion und Konkretion, viel zarte Grafik, neben Kunstpreisträgerin Carola Kirsch etwa mit Arbeiten von Anne Mundo, Felix Baxmann, Christine Geiszler oder Dietrich Jacobs mit seinen "Partituren" aus Draht und Bienenwachs. Und humorvolle Setzungen wie Maren Stracks Installation "3. Rang rechts, Reihe 2, Platz 6-8", die eine Mandoline zu klappernder Konzertbestuhlung aufspielen lässt.
Und doch spielt auch die Geschichte mächtig hinein, mit Kunstpreisträger Johannes Heisig, der neben seinem Porträt von Volker Braun auch dunkle Gestalten mit Deutschlandflagge aufmarschieren lässt. Auch Angela Frübings zarte Aquarelle aus Küstrin erzählen von Zerstörung, Und Elke Brämers Schwarzweißporträts älterer Damen lassen Geschichte in Gesichtern lesen.
Mit die eindrücklichste Spurensuche stammt von Larissa Rosa Lackner, Trägerin des Nachwuchsförderpreises des Ministeriums für Wissenschaft und Kultur. Sie begibt sich in ihrer Multimedia-Installation "Heide" auf Spuren einer jungen Frau, von der sie nur Fotos kennt, in die Uckermark. Dort hat diese Heide, deren schmales, schönes Gesicht wir immer wieder sehen, in einer LPG gearbeitet, offensichtlich zwangsversetzt in die fremde Umgebung. Zeitzeugen erzählen, dass sie Eigenbrötlerin blieb, Distanz hielt, aber aus Pflanzen und Fundstücken "schöne Dinge" gemacht habe. Das Rätsel dieser Existenz löst sich nicht auf. Doch die Ahnung eines selbstbestimmten Lebens und innerer Freiheit vermittelt sich aus den Bruchstücken der Erinnerungen.
Brandenburgischer Kunstpreis
Preisträger 2020 sind Johannes Heisig, Marguerite Blume-Cárdenas, Carola Kirsch und Ingar Krauss. Der Ehrenpreis des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg geht an Manfred Butzmann, der Förderpreis an Larissa Rosa Lackner. Die Ausstellung ist bis 30. August jeweils Di bis So von 12 bis 18 Uhr geöffnet. red