Vor zwei Jahren erst wurde die drei Meter hohe Figur wieder aufgestellt, nachdem sich zuvor Risse gezeigt hatten und sie auf dem städtischen Bauhof restauriert werden musste. Dabei stellte sich raus, dass sie gar nicht aus Bronze war, nur aus einer Kupfer-Zink-Legierung. Keine Panik. Kein Problem. Als Ersatz hielt in der Zwischenzeit ein Mini-Udo die Stellung. Der "Lindenzwerg", wie ihn die Gronauer nannten, wurde prompt gestohlen. Und wenig später wieder aufgefunden. Unversehrt in einer Hecke.
Wer will, kann sich eine Replik davon kaufen. Die Galerie im Gewerbegebiet, gleich zwischen Ingos Tierfreund und Getränke Hoffmann gelegen, hat der Besucher gerade links liegen lassen. Ein Teil des Erlöses kommt der Udo-Lindenberg-Stiftung zu. Nimmt man im Kreisel dagegen die erste Ausfahrt, taucht auch schon Udos Elternhaus in der Gartenstraße 3 auf. Eine goldene Tafel an der in die Jahre gekommen Fassade erinnert an den berühmtesten Sohn der Stadt, der am 17. Mai 1946 in Gronau geboren wurde.
Zwei Kirchen und ein Whisky-Salon
Außer zwei kunstgeschichtlich eher unbedeutsamen Kirchen aus dem 19. Jahrhundert und einem Whisky-Salon gleich nebenan hat die Fünfzigtausend-Seelengemeinde an der niederländischen Grenze nicht viel zu bieten. Religion und Alkohol. Zwei Arten zu entfliehen. Nicht nur an Sonntagen steht diese Stadt still, die inmitten von schwerem Schwemmland und unzähligen Geflügelfabriken liegt, die ihre silbernen Belüftungsschornsteine in den Himmel recken. Eine dritte Möglichkeit zu entkommen ist die Musik. Wie es Udo Lindenberg erging, erzählt im Kino gerade Hermine Huntgeburths launiges Biopic "Lindenberg. Mach Dein Ding!". Der Film wird so manchen Touristen nach Gronau locken. Das neue Besucherzentrum am Bahnhof wird demnächst eröffnen. Nicht weit davon entfernt, keine 500 Meter zu Fuß, befindet sich die größte Sehenswürdigkeit der Stadt: das 2004 eröffnete Rock’n’Pop-Museum. Das bundesweit einzige Museum für Rock- und Popgeschichte.
Natürlich war auch hier Udo Lindenberg Ideengeber. Der Landkreis Borken und das Museumsamt erstellten den Finanzplan, die Macher der Popkomm das Konzept. Die Rock’n’Popmuseum GmbH als gemeinnützige Gesellschaft betreibt die in einer ehemaligen Turbinenhalle des Textilunternehmens Mathieu van Delden untergekommene Sammlung. Die Kosten für den Ausbau als Ausstellungshalle betrugen seinerzeit 15,5 Millionen Mark.
Wo früher Turbinen hämmerten, wummern heute Bässe. Und so liegt das Schmuckstück inmitten des Landesgartenschau-Geländes von 2003 zwischen Inseln und Kanälen direkt am Udo-Lindenberg-Platz 1. Eine Erdpyramide, von der sich ein exzellenter Blick auf das Areal ergibt, erinnert an die Pyramiden im Branitzer Park. Fürst Pückler hätte seine wahre Freude daran.
Gegliedert in neun Themeninseln, bietet das Rock’n’Pop-Museum einen Überblick über 100 Jahre Rockgeschichte. Hat man das Foyer erst mal passiert, wo neben dem Schlagzeug Udo Lindenbergs eine seiner Zeichnungen an der Wand hängt, auf der er alle Gronauten grüßt, steht man schon wieder vor dem Panikrocker. Diesmal begrüßt er von Monitoren herunter die Besucher. Die psychedelische Tapete dahinter vermittelt den Eindruck, als wäre man in Udos Wohnzimmer. Mit Kopfhörern auf den Ohren, über die die passenden Songs eingespielt werden, beginnt eine Zeitreise. Von den Anfängen mit Chuck Berry, Elvis und Woodie Guthrie über die Beatles und Stones bis hinein in die Gegenwart. Bob Dylans signierte Mundharmonika ist zu sehen. Eine Gitarre von The-Who-Gitarrist Pete Townshend. Eine Maske von Marilyn Manson. Und die roten Schuhe von Sex-Pistols-Sänger Johnny Rotten. Dazu jede Menge Plattencover und historische Fotos.
Neben Musikrichtungen wie Heavy Metal, Hip-Hop und Rap gibt es eine Ecke, die über Punk in der DDR informiert. Gleich daneben eine Tafel über Dschungel-Punk in Indonesien. Regelmäßig gibt es Sonderausstellungen. Die nächste beginnt im Mai und wird sich rechtzeitig zum Beethoven-Jahr der Rezeption seiner Musik im Rock widmen. Vom Fankult erzählt eine Themeninsel, eine andere von der Studiotechnik und von Live-Events. Der Besucher kann auf einem Klangpfad nachvollziehen, wie sich der Sound von der Schellackplatte über LP und CD bis zum 3-D-Sound verändert hat. Und alle 20 Minuten gehen die Lichter aus, und auf riesigen Monitoren über den Köpfen der Besucher gibt es im sogenannten "Pophimmel" Ausschnitte aus Livekonzerten von den Scorpions oder Queen. Gehen die Lichter wieder an, gibt es originale Bühnenoutfits von David Bowie, Gene Simmons (Kiss) und Madonna zu sehen.
Im Keller wartet noch das originale Tonstudio der Avantgarde-Krautrocker von Can, das in Weilerswist ab- und in Gronau wieder aufgebaut wurde. Seltsam verstaubt wirkt die analoge Technik von damals. Der Nachwuchs, der bei der sonntäglichen Kinderdisco herumhüpft, kümmert sich nicht um die vielen Regler an den Mischpulten. Er fiebert zusammen mit Mama und Papa verkleidet in bunten Kostümen der anschließenden Karaoke-Show mit dem Zappeltier entgegen. Die nächste Generation in Gronau ist versorgt. Ob es auch sie einmal hinaus in die weite Welt ziehen wird wie einst Udo?
Rock’n‘Pop-Museum, Udo-Lindenberg-Platz 1, Gronau, Di–So 10–18 Uhr