Bei Künstlern liegt es auf der Hand: Sie gießen ihre Antwort auf das Leben in Bilder, formen sie in Ton oder schlagen sie aus Holz und Stein. Was braucht es Worte, wenn man Farben hat und Formen?
Auch Ulla Walter, 1955 in Meiningen (Thüringen) geboren und heute in Schöneiche (Oder-Spree) zu Hause, hat es seit ihren Studienjahren in Dresden und später in Leipzig bei Bernhard Heisig, dessen Meisterschülerin sie Anfang der Achtziger war, so gehalten. Viel hat sie ausprobiert in ihren Bildern, Grafiken, Objekten und Installationen, hat mit Materialien experimentiert und mit Techniken, ist vom Gegenständlichen zum Abstrakten gewandert und zurück, immer auf der Suche nach der besten, der für sie in diesem Moment authentischsten Form, sich auszudrücken.
Immer wieder und seit ein paar Jahren immer stärker ist zu diesen Formen auch das Wort gekommen. Nicht etwa, weil Ulla Walter ihrer Kunst misstraut. Sie hat sie einfach festhalten wollen, die Geschichten, die ihre Bilder ganz unabhängig von Technik und Motiv noch erzählen – über die Zeit, in der sie entstanden sind zum Beispiel, über die Umstände, den Prozess des Malens und darüber, was er für sie bedeutet.
Ganz folgerichtig lautet der Untertitel von Ulla Walters gerade erschienenem Buchdebüt "Die Lust der Kunst" darum auch "Bildergeschichten". Sie nämlich sind es, die die Hauptrolle spielen auf den knapp 300 Seiten: die "Fische" und "Rembrandts Erbe", der "Schädel" und der "Heimkehrer", "Leda" und der "Freidenker mit archimedischem Punkt", die "Blue Message 1" und die "Beleuchteten Röhren", für die sie, montiert in ein "Götzenhaus", 2004 den ersten Brandenburgischen Kunstpreis der Märkischen Oderzeitung zugesprochen bekam.
All das beschreibt sie, erklärt, welche Wirkung die Komposition und die einzelnen Farben haben – ganz so, als lasse sie ihre Gedanken über die Leinwand spazieren. Und lenkt sie dann vom Bild weiter in ihr Leben, ihre Biografie.
Man liest von ihren enttäuschenden Jahren an der Dresdner Hochschule für bildende Künste und dem Neuanfang in Leipzig, der inspirierenden Arbeit als Nachtwache im Zwinger und den Studien in der Gerichtsmedizin, von Glück und Unglück mit den Männern, schlimmen Un- und guten Einfällen, Künstlerfreundschaften und Familienbanden, den Möglichkeiten und Unmöglichkeiten des Alltags in der DDR inklusive der Bespitzelung durch die Staatssicherheit – und immer wieder auch vom Heidehof in Schöneiche, ihrem Atelier im Tanzsaal, den Ulla Walter noch zu DDR-Zeiten für sich entdeckte, vor dem Abriss bewahrte und nach der Wende beinahe wieder verloren hätte.
Spannend ist das, aufwühlend auch, sehr dicht erzählt und nah am Leben. Das Faszinierendste an Ulla Walters reich illustriertem Buch aber bleibt, wie viel sie bereit ist, von sich selbst, den eigenen Gefühlen und Befindlichkeiten preis zu geben. Die Leidenschaft und Hingabe, mit der sie hier zu Werke geht, nimmt ein und macht "Die Lust der Kunst" zu einem wahrhaft großen Lesevergnügen, dem man an mancher Stelle lediglich ein etwas sorgsameres Lektorat gewünscht hätte.
Ulla Walter: "Die Lust der Kunst. Bildergeschichten", Mitteldeutscher Verlag, 288 S., 25 Euro; Lesung: Sonnabend (9.11.), 19 Uhr, ehemalige Schlosskirche Schöneiche