Ein neuer Anlauf ist nötig. Und wer wäre besser für diese Aufgabe prädestiniert als einer der Nachfolgestaaten des zerfallenen Jugoslawien, der bereits dem europäischen Klub angehört. Doch pikant ist die Fürsprecherrolle Kroatiens schon, denn die Beziehungen zu Serbien sind noch immer belastet. Die Wunden der Vergangenheit heilen nur schwer.
Während es aber im Falle Serbiens nur um die Weiterführung vorbereitender Gespräche geht, war im vergangenen Jahr eigentlich ein konkreter Termin für die Eröffnung von Beitrittsgesprächen mit Albanien und Nordmazedonien erwartet worden. Die EU-Kommission hatte die erreichten Reformschritte positiv bewertet, wie auch die Bundesregierung. Doch Frankreich und einige andere Staaten legten sich plötzlich quer.
Frankreichs Präsident betonte, er wolle vor einer Erweiterung die EU zunächst im Innern reformieren und konsolidieren sowie – etwas nebulös – eine Reform des Erweiterungsprozesses selbst. Beim Besuch Plenkovics vergangene Woche in Paris klang das alles zwar wieder freundlicher; wie belastbar das angedeutete Entgegenkommen ist, bleibt allerdings offen.
In Albanien und Nordmazedonien, aber auch in den Staaten weiter hinten auf der Liste, löste die Verschiebung der Beitrittsperspektive Enttäuschung aus, in Nordmazedonien gar eine Regierungskrise. Die unklare, zögerliche bis ablehnende Haltung der EU ist zudem Wasser auf die Mühlen nationalistischer Kräfte, denen Werte und Standards einer liberalen Demokratie ohnehin nicht in den Kram passen. Auch Plenkovic steht deshalb in seiner eigenen Partei, der nationalistisch-konservativen HDZ, erheblich unter Druck.
Die Bundesregierung ist für eine Erweiterung. Und so wird der Gast aus Kroatien in Berlin wieder viele unterstützende Worte hören. "Die Westbalkanstaaten sind integraler Bestandteil Europas", sagt etwa Außenminister Heiko Maas. Es fehlt auch nicht an Warnungen, dass ein neuerliches Nein der EU – in welche Form auch immer verkleidet – die vielschichtigen und ungelösten Probleme der Region neu beleben könnte.
Nach dem enttäuschenden Westbalkangipfel im Oktober ist nun ein neuer Gipfel im Mai vorgesehen. Dabei könnte sich entscheiden, ob die EU nach dem Brexit vor einer weiteren Zäsur steht. 2020 könnte das Jahr werden, in dem der westliche Balkan für die EU verloren gehen könnte. Wenn die EU sich von der Bühne stiehlt, wieder auf Zeit spielt, füllen andere – Russland, China oder die Türkei – das Vakuum. Sie kommen ohne Appelle an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie aus. "Ein positives Klima" für sein Anliegen will Plenkovic bei seiner Tour durch Europa schaffen. Es ist eine Herausforderung.
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