Normalerweise ist die Münchner Sicherheitskonferenz ein Ort, an dem männliche Redner mit Krawatte und Anzug auftreten. Wenn also der Organisator mit einem blauen Kapuzenpullover mit gelben Sternen ans Mikrofon tritt, muss es einen triftigen Grund dafür geben. Wolfgang Ischinger, ehemaliger deutscher Botschafter in den USA, präsentierte das Weihnachtsgeschenk seines Enkels mit einer Mahnung. „Wir erleben eine epochale Umwälzung“, warnte er. Europa dürfe nicht dasitzen und einfach nur zuschauen, wie sich die jahrzehntelang aufgebaute Weltordnung mit Verträgen und einer gemeinsamen Lösung internationaler Probleme auflöse.
So war der erste Tag der jährlichen Tagung von Politikern und Sicherheitsexperten aus aller Welt davon geprägt, gemeinsame Allianzen zu preisen. „Einheit ist immer der Schlüssel“, lobte etwa der britische Verteidigungsminister Gavin Willamson, als er gemeinsam mitseiner deutschen Kollegin Ursula von der Leyen (CDU) die Konferenz eröffnete. Auch sie machte klar, dass die gewaltigen Probleme in der Welt kein Staat allein bewältigen könne. Während China dies über seine neue Seidenstraße entwickle und Russland die Gründung einer Eurasischen Union vorantreibe, stehe Deutschland für eine starke EU und eine starke Nato. Es gebe aber einen „fundamentalen Unterschied“ zu den beiden:„Unsere Partnerschaft basiert nicht auf Dominanz.“ Werte und Interessen stünden bei der Nato im Einklang.
Man finde sich in einer Welt wieder, in der Europa ein Teil des Konkurrenzkampfes der großen, globalen Mächte sei, die wiedergekehrt seien, erklärte von der Leyen. Davon nahm sie auch den Nato-Partner USA nicht aus. Deutlich ließ sie durchblicken, was sie von Alleingängen Washingtons hält. Deutschland sei auf der einen Seite bereit, sich am Zwei-Prozent-Ausgabenziel der Nato zu orientieren und gemeinsam mit Europa einen militärischen Beitrag zum Bündnis zu leisten. In einem Interview hatte sie zuvor umrissen, welche Anschaffungen sie für die Bundeswehr plant: im Schnitt einen Panzer pro Woche, ein Flugzeug pro Monat und ein Schiff pro Jahr.
Man erwarte im Gegenzug allerdings auch eine Einbeziehung in die Entscheidungsfindung, wenn gemeinsame Projekte betroffen seien. Das betreffe zum Beispiel die Einsätze in Afghanistan, in Syrien und im Irak. Die einseitige Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Truppen aus Afghanistan und Syrien abzuziehen, hatte die europäischen Partner jeweils kalt erwischt. „Der IS ist noch nicht vollständig geschlagen“, mahnte von der Leyen und widersprach damit Trumps Einschätzung, wonach die Terrormiliz zu fast 100 Prozent besiegt sei.
Im Hinblick auf die Kündigung des INF-Vertrages durch Russland warnte von der Leyen vor einer Politik der Retourkutschen wie in den 1980er-Jahren. Man müsse versuchen, den Vertrag zu erhalten – und möglicherweise China oder andere Atomwaffenstaaten mit einbeziehen. Stärkere Worte gegen Russland fand der britische Verteidigungsminister Williamson. „Das Abenteurertum Russlands muss seinen Preis haben“, forderte er, auch mit Blick auf die Annexion der Krim und auf Cyber-Angriffe. Allerdings sei eine Konfrontation nicht die Art von Beziehung, die Europa mit Russland wolle.