Am Mittwoch war es bei unangemeldetem Protest noch zu einem Eklat gekommen: Wegen einer Protestaktion sind etwa 200 Besucher von der Konferenz ausgeschlossen worden. Schon jetzt ist klar: Die Aktivisten sind unzufrieden mit den Ergebnissen der Klimakonferenz – noch bevor sie zu Ende ist. Denn selten waren die Erwartungen an dem Gipfel wohl so groß  wie in diesem Jahr, in dem die erste Klimakonferenz stattfindet, seit der Klimaprotest zur globalen Massenbewegung wurde.
Zum Redaktionsschluss stand noch nicht fest, ob das Treffen einen Erfolg vermelden wird oder nicht. Ob es ein gemeinsames Dokument geben wird, das abschließend die Regeln und Mechanismen festhält, mit denen die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzt werden soll, wie 2015 in Paris beschlossen. Ob die Industrieländer die von der Klimakrise besonders betroffenen Entwicklungsländer für ihre Klimaschäden entschädigen werden, war ebenfalls bis zum Schluss eher unwahrscheinlich. Genauso wenig, ob es gelingt, alle Länder zu einer Verschärfung ihrer nationalen Klimaziele im kommenden Jahr zu bewegen.
Der schleppende Prozess der Klimadiplomatie, der auch in Madrid erneut zur Schau gestellt wird, wirkt da wie Wasser auf die Mühlen der Klimakonferenzskeptiker. Die Politiker verhandeln Jahr für Jahr, und trotzdem steigen die CO2-Emissionen weiter, bemängelt auch Fridays for Future. Aber ist der Pessimismus angebracht?
"Komplett ohne Klimapolitik hätte sich die Erde bis 2100 um 4,1 bis 4,8 Grad Celsius im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung erwärmt", verteidigt Niklas Höhne der Organisation New Climate Institute die Veranstaltung. Mit der derzeitigen Klimapolitik steuere die Menschheit auf 3,0 Grad zu, bei Umsetzung aller Versprechungen der Länder sogar auf 2,8 Grad, so Höhne weiter. Zwar ist das noch weit entfernt vom Paris-Ziel, es gibt also noch immer eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Im Vergleich zu einer Erwärmung um 4,8 Grad, die eine wohl apokalyptische Auswirkung für das Fortbestehen der Menschheit hätte, zeigen die Fortschritte dennoch: Die Richtung, auf die man sich auf den jährlichen Konferenzen einigt, stimmt. Die Geschwindigkeit, mit der die einzelnen Nationalstaaten diesen Weg gehen, nicht.
Das allerdings beeindruckt die sitzstreikenden Jugendlichen selbstverständlich wenig. Kein Wunder: Der Zeitpunkt, zu dem das Weltklima irreparabel beschädigt sein könnte, rückt nach Ansicht einiger Wissenschaftler immer näher. Die Aktivisten wollen deswegen, dass die Staaten das Warmlaufen endlich beenden und mit dem Sprint beginnen – und zwar sofort. Aber: "Die Erwartungen, die an die Klimakonferenz gestellt werden, kann sie nicht erfüllen", warnt die Politikberaterin Jennifer Tollmann von der Denkfabrik "E3G". Die Forderungen der Aktivisten seien zwar absolut legitim – liefern jedoch müssten die einzelnen Staaten. Klimakonferenzen seien zudem nicht nur dazu da, jedes Jahr neue Abkommen auszuhandeln.
Sie sind vor allem auch ein weltweit einzigartiges Forum, in dem regelmäßig globale Bestandsaufnahmen durchgeführt werden, wo man im Kampf gegen die Klimakrise momentan steht. Und in dem jene Länder, die sich weigern, diesen Kampf beherzt genug zu führen, auch direkt zur Rede gestellt werden können. Und zwar von den Ländern, deren Existenz angewiesen ist auf einen Erfolg im Kampf gegen die Erderwärmung.
"Die Inselstaaten haben hier eine Stimme, die sie in Formaten wie der G7 oder G20 nicht haben", sagt Tollmann. Auf den Klimakonferenzen hingegen zählt ihre Stimme genauso viel wie die der Industrienationen. Zudem sind bereits mehrere Billionen Euro Hilfsgelder in diverse Fonds geflossen, um diesen Staaten wenigstens bei der Anpassung an eine überhitzte Welt zu helfen – Fonds, die auf den Klimakonferenzen beschlossen wurden.
"Der multilaterale Prozess hat einen Wert an sich und muss weitergeführt werden", betont auch Michael Schäfer, Klimaschutz-Chef der Umweltorganisation WWF. Wichtiger als das, was momentan in Madrid passiert, sei, was die Staaten im kommenden "Superjahr 2020" tun werden: Politische Vorarbeit muss geleistet werden, damit bei der Klimakonferenz in Glasgow vor allem die Hauptverursacher der Klimakatastrophe verschärfte Klimaziele präsentieren werden. So sieht es das Pariser Abkommen vor. Eine Schlüsselrolle könnte dabei der EU und China zukommen. Konstruktiv seien die Chinesen, wird in Madrid aus den Verhandlungen immer wieder berichtet. Und die EU begeisterte mit ihrem Entschluss, bis 2050 unterm Strich überhaupt keine Klimagase mehr ausstoßen zu wollen. Schäfer fordert deswegen: "Der öffentliche Druck der Schulstreiks muss im kommenden Jahr stärker auf die Erwachsenen überspringen."

Schulze schließt Scheitern nicht aus

Umweltministerin Svenja Schulze schließt ein Scheitern der Verhandlungen über die "Marktmechanismen" nicht aus. Diese sind der Hauptknackpunkt der Konferenz. Es gebe "noch schwierige Verhandlungen", sagte sie am Freitag. Es müssten sich "noch einige bewegen".

Selbstwenn es in diesem Punkt kein Ergebnis geben sollte, sei das jedoch "kein Scheitern der Konferenz" und "kein Drama", betonte die Ministerin. Die UN-Klimakonferenzen veränderten sich, in Madrid gehe es weniger um die "Arbeit an den Texten" als um den Austausch der Staaten über konkrete Klimaschutzmaßnahmen. Dieser enorm wichtige Austausch zwischen den Staaten sei "hier sehr beeindruckend", sagte die SPD-Poltikerin.

Marktmechanismen sollen zur Steigerung und Umsetzung der nationalen Klimaschutzziele beitragen. So könnte ein Industrieland wie Deutschland etwa ein Solarkraftwerk in einem Entwicklungsland finanzieren, um die Nutzung fossiler Energieträger wie Erdgas und Kohle dort zu verringern, und sich diese Emissionseinsparung auf seine eigene Klimaschutzbilanz anrechnen lassen. igs