Die beiden Testspiele des 1. FC Union im Trainingslager in Österreich haben zweifellos viele neue Erkenntnisse für Trainer Urs Fischer gebracht. In einem Punkt blieb sich Fischer jedoch treu: Beim 1:2 gegen Pafos FC aus Zypern führte Christopher Trimmel die Mannschaft als Kapitän auf den Rasen. Beim 1:0-Sieg gegen Udinese Calcio (Italien) trug dagegen Rani Khedira die Kapitänsbinde – weil Trimmel nicht im Kader stand.
Genau so hat es Urs Fischer auch in der vergangenen Saison gehandhabt. Wenn Trimmel spielte, war er Kapitän. Wenn nicht, dann Khedira. Auch Fischer dürfte allerdings klar sein: Eine Ideallösung ist eine solche Rotation der Kapitänsbinde natürlich nicht. Denn ein Kapitän sollte selbstverständlich so oft wie möglich spielen. Dass auch Christopher Trimmel mit dieser Situation nicht zu einhundert Prozent zufrieden ist, hatte der Nummer-eins-Kapitän ausgerechnet in der entscheidenden Saisonphase im Mai sehr deutlich über die Medien kommuniziert. Trimmel kämpft mit Josip Juranovic um den Stammplatz auf der rechten Abwehrseite.
Zwei Wochen vor dem ersten Pflichtspiel im DFB-Pokal bei Astoria Walldorf und eine Woche später in der Bundesliga gegen den FSV Mainz 05 steht für Trainer Urs Fischer nun erneut die Kapitänsfrage auf der Tagesordnung. Aber welche Optionen kommen eigentlich infrage?
Die Kandidaten als Kapitän bei Union Berlin
Christopher Trimmel: Der Österreicher ist und bleibt der Platzhirsch bei den Eisernen. Trimmel spielt seit 2014 in Köpenick und ist damit der dienstälteste Spieler im Kader – vor Ersatzkeeper Jabob Busk (2016) und Sheraldo Becker (2019). Seine Flanken sind eine echte Waffe im taktischen Konzept von Fischer. Auch außerhalb des Rasens ist Trimmel ein Sympathieträger. Beim kürzlichen Testspiel gegen Rapid Wien wurde er von beiden Fanlagern gefeiert. Hier im Trainingslager in Bramberg am Wildkogel gab e sogar nach dem Training noch Sprechchöre für Trimmel.
Kapitän Trimmel? MOZ-Prognose: 50 Prozent.
Rani Khedira: Er ist der uneingeschränkte Chef im Mittelfeld. Mehr noch: Khedira ist der Taktgeber im Spiel von Union Berlin. Sein großer Vorteil im Vergleich zu Trimmel – er ist bei Fischer auf seiner Position gesetzt. Mit Alex Kral hat Khedira jetzt zwar einen echten Konkurrenten bekommen. Nach den bisherigen Eindrücken der Saisonvorbereitung muss sich der Neuzugang aber erst einmal mit der Rolle des Herausforderers begnügen. Zudem hat sich Khedira stets als absolut loyaler Vize-Kapitän präsentiert.
Kapitän Khedira? MOZ-Prognose: 30 Prozent.
Robin Knoche: Robin Knoche? Klar, warum eigentlich nicht. Der zentrale Mann in der Dreierkette ist zwar kein Lautsprecher, aber in sportlicher Hinsicht unverzichtbar. Knoche stand in der vergangenen Saison in allen drei Wettbewerben insgesamt 4156 Minuten auf dem Rasen – so lange wie kein anderer Union-Spieler. Rani Khedira folgt mit 4088 Minuten knapp dahinter. Platz drei belegt Torhüter Frederik Rönnow (3675).
Kapitän Knoche: MOZ-Prognose: 15 Prozent.
Sheraldo Becker: Der Toptorschütze der Eisernen war in der vergangenen Saison der dritte Kapitän. Allerdings ist weiterhin nicht klar, ob Becker noch eine weitere Saison in der Alten Försterei spielt. Er hat beim Verein seine Wechselambitionen hinterlegt.
Kapitän Becker: MOZ-Prognose: 5 Prozent.
Aber wie entscheidet sich Trainer Urs Fischer? Entscheidend dürfte sein, wie er mit Christopher Trimmel plant. Stand jetzt ist davon auszugehen, dass es erneut einen Konkurrenzkampf zwischen Trimmel und Juranovic gibt. Solange der 1. FC Union in allen drei Wettbewerben vertreten ist, könnten beide weiterhin im Wechsel zum Einsatz kommen. Wenn es dann irgendwann allerdings nicht mehr so viele Spiele gibt, droht Trimmel wieder zum Bank-Kapitän zu werden.
Entscheidung von Trainer Urs Fischer
Fischer muss also all diese Punkte gegeneinander abwägen und in seine Entscheidung einfließen lassen. Ihn nach dem Stand der Dinge in der Kapitänsfrage anzusprechen, ist übrigens derzeit keine so gute Idee. „Da bin ich eigentlich auf gutem Weg. Irgendwann werden wir es dann kommunizieren“, antworte Fischer hier im Trainingslager einem Journalisten auf die entsprechende Frage. Anschließend stellte er noch einmal klar: „Ich hoffe, dass Sie mich jetzt nicht jeden Tag danach fragen. Ich kenne Sie – wie oft musste ich die 40-Punkte-Frage beantworten? Wie oft?“
Sagen wir mal so: ziemlich oft. Was allerdings auch daran lag, dass sich Union Berlin der 40-Punkte-Marke so schnell angenähert hat, wie noch nie in der Vereinsgeschichte. Das neue Saisonziel für 2023/24 ist noch nicht formuliert. Dass die 40 Punkte und damit der vorzeitige Klassenerhalt als erstes Ziel erneut eine große Rolle spielen werden, liegt nahe.
In der Kapitänsfrage hat Rani Khedira derweil eine klare Empfehlung. „Es gibt keinen Grund, groß etwas zu ändern. Wir haben mit Christopher Trimmel einen hervorragenden Kapitän, der gut funktioniert. Ich bin Teil der Kapitäne“, sagte Khedira im Interview mit der „Morgenpost“. Mit Blick auf Trimmel ergänzte er, dass sich ein Kapitän aus seiner Sicht nicht über die Spielzeit, sondern darüber definiert, wie sein Standing in der Mannschaft ist: „Das ist bei Trimmel sehr hoch, bei mir inzwischen auch. Aber wenn Trimmel spielt, hat er die Binde, wenn er nicht spielt und ich spiele, habe ich sie.“ Das klingt doch nach einer ziemlich einfachen Lösung für die scheinbar schwierige Kapitänsfrage bei Union Berlin.